Einladung zur nächsten Sitzung “Zeitdiagnosen”
Der Arbeitskreis Gesellschaftsanalyse lädt im Rahmen seines thematischen Schwerpunkts „Zeitdiagnosen: Gesellschaften im Umbruch – Analysen und transformatorische Chancen“ zu einer nächsten Veranstaltung ein:
Termin: Freitag, 14.2. 2025 von 14.00 bis ca. 17.00 Uhr
Ort: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Straße der Pariser Kommune 8A, Raum 1.03
Zur Diskussion steht von Bruno Latour und Nikolaj Schultz die Publikation
„Zur Entstehung einer ökologischen Klasse. Ein Memorandum“
(Edition Suhrkamp 2022)
Die Zeiten für gesellschaftliche Transformationen sind nicht günstig. Angesichts komplexer und sich weiter zuspitzender Krisenprozesse werden Fragen nach möglichen Akteuren oder Subjekten progressiver Intervention, nach Kräften einer solchen Transformation, kaum noch gestellt. Aktivierung, Mobilisierung erfolgen durchaus – als Agieren unterschiedlicher Kapitalfraktionen, als Eroberungszug eines neuen technologischen, digitalen Kapitalismus, als rechter Autoritarismus oder/und populistische Verweigerung –; für eine sozial-ökologische Transformation ist die Zeitdiagnose wenig optimistisch.
Umso überraschender und bemerkenswerter ist das angeführte Memorandum. Latour und Schultz gehen von einer umfassenden Bedrohungslage der Menschheit im Anthropozän aus und führen diese in die aktuelle zeitliche Konstellation. Ihre Diagnose ist die einer überwältigenden Gefährdung der Menschheit (Klima; Kriege; Pandemie), andererseits ist diese gelähmt: Schock und Angst, statt Aktivität. Daraus begründen sie ihr Plädoyer für die „ökologische Klasse“, die zum handlungsfähigen Subjekt werden soll. Dieser ausdrückliche Bezug auf das Klassenkonzept ist eben überraschend und bemerkenswert. Denn einerseits könnte die Distanz zum „klassischen Klassenkonzept“ nicht größer sein – Kapitalverhältnis und Produktion werden ausdrücklich negiert –, andererseits greifen sie gerade auf den traditionellen Anspruch zurück: „Klasse“ ist notwendig als politischer Kampfbegriff zur Konstituierung eines handlungsfähigen Subjektes in unserer heutigen kosmologischen Realität, einer neuen „herrschenden Klasse“.
Die Argumentation ist lesenswert und herausfordernd. Sie macht in ihrem dichotomischen Ansatz einen breiten analytischen Raum auf und durchmisst ihn, wenngleich nicht immer konsequent. So kann es auch die eine oder andere Enttäuschung geben. Die Frage nach neuen Konzepten und Begriffen bliebt. Das erinnert nicht zufällig an McKenzie Wark. Auch sie verbindet ihre emphatische Bezugnahme auf „Klasse“ mit einer strikten Ablösung vom „alten“ Klassenkonflikt (von den „alten“ Klassen). Zutreffend scheint die Metapher „Klassen ohne Kapitalismus“. Eine neue Realität ist auch für Nancy Fraser das zentrale Argument – darin liegt der übergreifende zeitdiagnostische Punkt –, ihre Antwort ist aber eine andere: mit einer neuartigen Kapitalismusanalyse zu einer neuen Klassenbestimmung. Insofern bieten alle drei Arbeiten einen stimulierenden Zugang zur Frage, ob Klassen (Klassenanalysen) zum Subjekt sozialökologischer Transformation führen.
Textauszüge und eine kleinere Einsteuerung werden auf Anfrage verschickt.
Für Fragen und zur Anmeldung bitte an Thomas.Micha@t-online.de
Michael Thomas