Walter Schmidt (MLS) zur Vollendung seines 90. Lebensjahrs
Laudatio auf Prof. Dr. Walter Schmidt zum 91. Geburtstag
Der Text erscheint in Heft 2 / 21 der Zeitschrift “Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung”
Walter Schmidt vollendete am 11. Mai 2020 sein 90. Lebensjahr. Die Einschränkungen infolge der Pandemie verhinderten angemessene Würdigungen im Kreise der Freunde und Kollegen. – Etwas davon nachzuholen, ist der 91. Geburtstag nicht nur ein geeigneter Anlass, sondern in dieser Zeitschrift auch der rechte Ort. Denn zu ehren ist mit Walter Schmidt ein national und international auf Gebieten profilierter Historiker, die auch deren Thema direkt berühren: die Geschichte der frühen Arbeiterbewegung, des Marxismus und der Revolution von 1848. Wie viele Gleichaltrige aus der „Aufbaugeneration“ der DDR zog auch Walter Schmidt die entscheidenden Impulse für die Lebensentscheidung, sich mit ganzer Kraft für die Gestaltung eines anderen zum bisherigen – in der Katastrophe endenden – Weg alternativen Gesellschaftsordnung in Deutschland einzusetzen, aus der persönlichen Erfahrungen mit Faschismus und Krieg. In seinem Fall waren sie unmittelbar mit einem tragischen Familienschicksal verbunden; sein Vater wurde wegen seiner antifaschistischen Überzeugung Opfer der Nazijustiz.
Seine antifaschistische und sozialistische Überzeugung war weder parteipolitisch oktroyiert noch verordnet, sondern Ansporn zum produktiven Wirken in einer neuartigen gesellschaftlichen Entwicklung. Seinen so geprägten Lebensweg hat der Jubilar selbst in seiner 2018 erschienenen Autobiographie eindrucksvoll beschrieben. Geboren am 11. Mai 1930 in Protsch-Weide bei Breslau (heute Wroclaw-Widawa), schon mitten in der schweren Zeit der Weltwirtschaftskrise, waren Kindheit und Jugend von Naziherrschaft, Krieg und in dessen Folge dem Verlust der Heimat sowie von einem schwierigen Neubeginn nach der Umsiedlung bestimmt. Wichtige Stationen waren das schlesischen Auras (Uraz) an der Oder, wo er die Volksschule besuchte, und wo es in den Wirren der ersten Nachkriegsjahre oft ums nackte Überleben ging, und schließlich das Vogtländische Greiz, wo er 1949 das Abitur ablegte. Es folgte das Studium der Geschichte, Slawistik, Philosophie und Pädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1949–1953).