Bericht über den Leibniz-Tag 2025
Der Leibniz-Tag fand am 26. Juni 2025 im Konferenzsaal der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. Er begann mit einer musikalischen Darbietung des Orchesters des Leibniz-Gymnasiums Berlin, das folgende Stücke spielte: Blinding Lights (The Weeknd), Gymnopedie No. 1 (Erik Satie), Pavane (Gabriel Fauré), Shape of you (Ed Sheeran), La Valse d‘Amélie (Yann Thiersen), Let’s get Loud (Gloria Estefan/Kike Santander). Nach dem Dank an das Schülerorchester und dem Ausdruck der Freude über die Wiederbelebung der Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Gymnasium begrüßte die Präsidentin der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. Gerda Haßler die Teilnehmer und Gäste.
Danach verlas der Vizepräsident der Leibniz-Sozietät Wolfgang Methling zwölf Nekrologe für Kollegen, deren Tod uns seit dem letzten Leibniz-Tag bekannt wurde. (Folien zu den Nekrologen)

Den Bericht über die Aktivitäten der Leibniz-Sozietät seit dem letzten Leibniz-Tag hat die Präsidentin mit Zukunftsfähigkeit der Leibniz-Sozietät überschrieben. Sie ging dabei von der bestehenden allgemeinen Situation aus, in der wir zunehmend Phänomene erleben, die einen Verlust an individueller und kollektiver Relevanz der Rollen und Kategorien zeigen, die wir verwenden, um unserer Erfahrung einen Sinn zu geben. „Krise” ist mittlerweile zu einem Wort geworden, mit dem wir eine Welt im Wandel bezeichnen, deren Zukunft wir uns nicht vorstellen und deren Konturen wir nicht zeichnen können. Das Gefühl der Krise ist so tiefgreifend und vielfältig, dass das Wort Krise allein nicht mehr ausreicht und neue Begriffe wie Polykrise oder Permakrise vorgeschlagen werden, um unsere heutige Situation zu definieren und zusammenzufassen. Auch die Leibniz-Sozietät hat die Veränderungen im gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bereich zu spüren bekommen. Am deutlichsten ist das an der Streichung der Zuwendungen durch den Senat spürbar, die im Zuge der Sparmaßnahmen vorgenommen wurde und die in einer ganzen Reihe von Kürzungen in kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Bereichen steht.
Dass uns ein Handeln im Interesse der Wissenschaft auch unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, dass es sogar zu beachtlichen Ergebnissen führen kann, zeigt unsere Bilanz des Jahres seit dem letzten Leibniz-Tag. Im Bericht wurde hervorgehoben, was uns optimistisch im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Leibniz-Sozietät stimmen kann.
Seit dem letzten Leibniz-Tag wurden zehn Plenarsitzungen durchgeführt. Die Vorträge waren durchweg auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, wurden zu sehr unterschiedlichen Themen gehalten und widerspiegelten auch unterschiedliche Standpunkte. In den Sitzungen der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften wurden Themen aus den Arbeitskreisen, insbesondere Energie, Mensch und Zivilisation und Geo-, Montan-, Umwelt-, Weltraum- und Astrowissenschaften aufgegriffen, aber auch ein Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaften versucht. In der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften fällt die Dominanz sozialwissenschaftlicher Themen auf. Es ist bemerkenswert, dass alle Sitzungen durchgeführt werden konnten und es in beiden Klassen keine Ausfälle gab. Dafür wurde den Klassensekretaren besonders gedankt. Insgesamt wurde wiederum ein interessantes und thematisch breites Spektrum von Veranstaltungen angeboten, das vom Publikum allerdings sehr unterschiedlich genutzt wurde.
Unsere diesjährige Jahrestagung fand am 21. Mai zum Thema Entstehung, Wandel und Obsoleszenz von Konzepten und Methoden in Wissenschaft und Forschung statt. Sie befasste sich mit Fragen wie: Bringt die Beschäftigung mit dem Vergessenen Erkenntnisgewinn für die aktuelle Wissenschaft? Gibt es Gemeinsamkeiten im Ablauf von Prozessen der Entstehung, des Wandels und der Obsoleszenz von Konzepten und Methoden in verschiedenen Wissenschaften? Lassen sich aus dem Ablauf solcher Prozesse vielleicht sogar Prognosen für die Zukunft ableiten? Mit dem Ziel, das Verständnis für diese Mechanismen zu erweitern und zu vertiefen, brachte die Tagung Kollegen aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um die Entwicklung und das oft unterschätzte Phänomen des Vergessens innerhalb der akademischen Welt zu untersuchen. Die Ergebnisse der Jahrestagung werden im Springer-Verlag sowohl im Druck als auch in verschieden digitalen Formaten erscheinen.
Auch die weiteren Veranstaltungen der Leibniz-Sozietät fanden in hoher Qualität statt. Dazu wurden in chronologischer Reihenfolge die Sozio-Informatik Tagung in Berlin, das Kolloquium in Memoriam Martin Hundt, das Raumfahrhistorische Kolloquium, das 4. Rohstoffkolloquium Neuen europäischen Gesetz zu kritischen Rohstoffen –Herausforderungen und Maßnahmen, zwei Biesdorfer medizinische Vorträge sowie Ehrungen von Kollegen erwähnt.
In den Arbeitskreisen der Leibniz-Sozietät setzte sich der bereits vorher begonnene Wandel und die kontinuierliche Arbeit in unterschiedlicher Intensität fort. Betont wurde, dass die Veranstaltungen der Arbeitskreise Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftsgeschichte für alle Interessierten offen sind.
Auch zu den Publikationen der Sozietät konnte eine positive Bilanz gezogen werden. Seit dem letzten Leibniz-Tag sind drei Bände der Abhandlungen erschienen, davon zwei Sonderbände, während vier Bände der Sitzungsberichte herauskamen. Seit dem letzten Leibniz-Tag sind die Hefte 53-56 von Leibniz Online erschienen. Die Publikationen unserer Mitglieder in anerkannten Verlagen und Fachzeitschriften zeigen, dass sie aktuelle und innovative Forschungen betreiben und deren Ergebnisse veröffentlichen. Das ist ein wichtiges Moment für die Erhöhung der Sichtbarkeit der Sozietät, denn ihr Ansehen wird durch das wissenschaftliche Renommee jedes einzelnen Mitglieds bestimmt.
Der wissenschaftliche Beirat hat die Erwartungen, die wir im letzten Jahr bei seiner Neukonstituierung in ihn setzten, voll erfüllt.
Die Präsidentin wiederholte ihre Aufforderung an die Mitglieder der Sozietät, die wichtige Beiträge zur Forschung in ihren Fächern leisten, über größere Publikationen oder veranstaltete Konferenzen auf der Homepage zu berichten. Sie brachte ihre Genugtuung über die Ergebnisse der Gespräche mit einzelnen Mitgliedern zum Ausdruck, die auch ein Grund für Zuversicht in die Zukunftsfähigkeit der Leibniz-Sozietät sind.
Abschließend formulierte sie fünf Thesen zur Zukunftsfähigkeit der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.:
1: Wissenschaftliche Interdisziplinarität als Zukunftsschlüssel
2: Nachwuchsförderung sichert die institutionelle Nachhaltigkeit
3: Digitalisierung als Werkzeug der Sichtbarkeit
4: Geschichte als Ressource – nicht als Grenze
5: Weiterführung der internationalen Öffnung als strategischer Entwicklungspfad
Die Leibniz-Sozietät ist zukunftsfähig, wenn sie ihre Rolle als Brückenbauerin zwischen Disziplinen, Generationen und gesellschaftlichen Perspektiven weiter ausbaut.
Der Bericht wird demnächst in Leibniz Online zugänglich sein. (Folien zum Bericht der Präsidenten)
Die Urkunden über die fünfzigjährige Mitgliedschaft in der Gelehrtengesellschaft wurden an die Mitglieder Gerd Friedrich und Horst Weber vergeben. Während Kollege Friedrich anwesend war und in bewegenden Worten für die Urkunde dankte, konnte Kollege Weber aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen. (Folien zu den Ehrenurkunden)
Der Samuel-Mitja-Rapoport-Kooperationspreis wurde von Frau Prof. Dr. Claudia Spies für die Berliner Medizinische Gesellschaft e.V. entgegengenommen. Mit dieser Gesellschaft wurde die sehr erfolgreiche Reihe der Biesdorfer Medizinischen Gespräche etabliert. (Folien zum Kooperationspreis)
An neun neue Mitglieder wurden die Urkunden über ihre Aufnahme in die Sozietät übergeben: Andreas Arnst, Gisela Boeck, Johannes W. Dietrich, Irina Engelhardt, Andreas Heyer, Claudia Müller, Hans Neumann, Sabine Schleiermacher, Bernhard Weßling. Die Anwesenden dankten für die Zuwahl und sprachen kurz über ihre Möglichkeiten, zu den Aktivitäten der Leibniz-Sozietät beizutragen. Drei der Zugewählten konnten aus dienstlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht kommen. (Folien zu den neuen Mitgliedern)

Nach der Mittagspause wurden weitere Auszeichnungen vorgenommen. Die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Medaille wurde an Herrn Dipl.-Ing. Paul Lauerwald für seine herausragenden, jahrzehntelangen Leistungen auf dem Gebiet der Regional- und Verkehrsgeschichte und an Herrn Prof. Dr. habil. Dr. h.c. Michael Succow für seine herausragenden, jahrzehntelangen Leistungen in der nationalen und internationalen Naturschutz- und Moor-Forschung vergeben.
Die Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille erhielten Frau Prof. Dr. Christa Luft

für ihre Forschungsleistungen in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Außenwirtschaftstheorie und -politik, ihr beachtliches wissenschaftliches und publizistisches Engagement im In- und Ausland und ihre Verdienste zur Stärkung des Ansehens der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, Herr Dr. Dietrich Spänkuch für sein langjähriges Wirken als Sprecher des Arbeitskreises „Geo-, Montan-, Umwelt-, Weltraum- und Astrowissenschaften“ (GeoMUWA) und die Organisation des Raumfahrthistorischen Kolloquiums, das die Leibniz-Sozietät seit vielen Jahren gemeinsam mit der Archenhold-Sternwarte durchführt, und Herr Dr. Michael Thomas für sein mehrjähriges engagiertes Wirken als Leiter des Arbeitskreises „Gesellschaftsanalyse und Klassen“ der Leibniz Sozietät der Wissenschaften sowie sein außerordentliches wissenschaftliches und publizistisches Engagement auf den Gebieten der Transformation, der sozioökonomischen Umbrüche und des sozialen Wandels. (Folien zu den Auszeichnungen)
Den Festvortrag hielt Frau Prof. Dr.-Ing. Gisela Lanza vom Karlsruher Institut für Technologie zum Thema Kreislauffabrik für das ewig innovative Produkt. Prof. Dr.-Ing. Gisela Lanza ist Mitglied der Institutsleitung des Instituts für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie leitet den Bereich Produktionssysteme, der sich in Forschung und Praxis schwerpunktmäßig mit den Themen Globale Produktionsstrategien, Produktionssystemplanung und Qualitätssicherung befasst. Die ganzheitliche Gestaltung und Bewertung von Produktionssystemen ist zentrale Forschungsfrage in zahlreichen Forschungs- und Verbundprojekten. Das methodische Vorgehen umfasst den Einsatz quantitativer Methoden zur Effizienzsteigerung sowie die Entwicklung und Einführung innovativer Technologien in Produktionsabläufe. Im Jahr 2009 erhielt sie u.a. den Heinz Maier-Leibnitz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als Anerkennung für herausragende wissenschaftliche Leistungen nach der Promotion und wurde 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Frau Prof. Lanza ging in ihrem Vortrag davon aus, dass neue, innovative Wirtschaftssysteme erforderlich sind, um den Ressourcenverbrauch vom Wohlstand zu entkoppeln. Der traditionelle lineare Ansatz „take-make-use-dispose“ ist langfristig nicht zukunftsfähig, und auch politische Rahmenbedingungen machen nachhaltige und zirkuläre Produktionsmuster zunehmend unumgänglich. Im Sonderforschungsbereich 1574 „Kreislauffabrik“ wird das Ziel verfolgt, eine integrierte Produktion zu ermöglichen, die lineare und zirkuläre Prozesse im industriellen Maßstab vereint. Dabei sollen Gebrauchtprodukte systematisch in aktuelle Produktgenerationen überführt werden – ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Vision des „ewig innovativen Produkts“.
Zur Umsetzung dieser Transformation sind weitreichende interdisziplinäre Fragestellungen zu lösen, die sich unter anderem auf die Bereiche Produktionstechnik, Produktentwicklung, Werkstofftechnik, Arbeitswissenschaft, Robotik, Informatik und Wissensmodellierung erstrecken. Der Festvortrag gab Einblicke in diese Herausforderungen und zeigte Wege auf, wie die Produktion der Zukunft nachhaltig und wettbewerbsfähig gestaltet werden kann.
Der Leibniz-Tag endete mit einem Umtrunk, der Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen und zum Meinungsaustausch bot.
Gerda Haßler