Nekrolog für Prof. Dr. Georg Styl. Korrés

Am 31. März 2025 verstarb unser langjähriges Mitglied (seit 1997), der renommierte, international geschätzte und gut vernetzte Mykenologe, Vor- und Frühhistoriker und leidenschaftliche Schliemannforscher Prof. Dr. Georg Styl. Korrés in seinem 85. Lebensjahr.
Geboren wurde geboren am 11. Juli 1940 in Athen. Seine Familie, die ursprünglich von der Insel Naxos stammte, war eng mit der Athener Universität verbunden. Der Vater, Stylianos Korrés, war Altphilologe und eine Zeit lang Rektor der Universität Athen. Georg, der frühzeitig an einer universitären Bildungseinrichtung schulisches Grundwissen erwarb, nahm 1958 sein Universitätsstudium am Historisch-Archäologischen Department auf, das er 1963 mit Auszeichnung abschloss. Anschließend setzte er sein Studium an der Universität Bonn fort (bis 1965). 1966 wurde er Assistent am Seminar für Prähistorische Archäologie an der Athener Universität. 1970 promovierte er zum Dr. phil. mit der Dissertation „Die durch Widderköpfe verzierten Helme aus griechischer, römischer und etruskischer Zeit“ (Prädikat „magna cum laude“). 1982 wurde er als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 2007 innehatte.
Georg Korrés war Schüler von Spyridon Marinatos (1901 – 1974), der 1967 die minoische Stadt Akrotiri auf der Insel Santorin entdeckte. Die Ausgrabungen von Korrés konzentrierten sich auf die Region Messenien auf der Peloponnes, u.a. in Peristeria und Voidokilia. Seit 1974 leitete er die Grabungen in Pylos. 1980 fand der 1. internationale Kongress „Vormykenisches und mykenisches Pylos“ statt. Über die Ergebnisse seiner Grabungen informierte Korrés regelmäßig in griechischen wie internationalen Fachzeitschriften. Hinzu kamen unzählige Vorträge auf Konferenzen oder an Universitäten, so in Mailand, Wien, Moskau, Barcelona, Berlin (DDR und Berlin-West), Giessen, Heidelberg, Göteborg, Budapest, Debrecen etc.
Georg Korrés war ein Teamarbeiter mit weitreichenden Beziehungen – ideologiefrei, obwohl selbst konservativ eingestellt – in der Welt der Gelehrten. Das zeigte sich auch bei dem zweiten Forschungsfeld, auf dem Korrés aktiv war: seine intensive Beschäftigung mit Person und Werk Heinrich Schliemanns. Seit 1973 war er bemüht, das Iliou Melathron, das Wohnhaus Schliemanns im Zentrum Athens, vor Fremdnutzung zu bewahren, dort ein Heinrich-Schliemann-Museum und eine internationale Begegnungsstätte einzurichten. Es war ihm kein Erfolg beschieden, denn heute befindet sich in diesem Gebäude das Numismatische Museum. Gleichfalls seit 1973 arbeitete er an einer Bibliographie über Heinrich Schliemann, die alle Veröffentlichungen – irgendwann und irgendwo – zu seiner Person, seinem Werk und wissenschaftlichen Umfeld erfassen sollte. Das Projekt ließ sich nur auf der weltweit breiten Basis gemeinschaftlichen Wirkens von Altertumsforschern realisieren. Die Bibliographie, erstmals 1974 erschienen, wurde nicht abgeschlossen. Sein Talent als Wissenschaftsorganisator offenbarte Korrés insbesondere 1990, als er zum internationalen Kongress „Archäologie und Heinrich Schliemann. 100 Jahre nach seinem Tode“ vom 14. – 22. April nach Athen einlud. Um die Teilnahme der wenigen Mykenologen, aber auch der Schliemannforscher aus den Universitäten, Archiven und Gedenkstätten der DDR zu ermöglichen, besorgte er die Flugtickets, die von der griechischen Fluggesellschaft „Olympic Airways“ gesponsert wurden. Dem Kongress war ein großer medialer Erfolg beschieden. Zum Bedauern der Referenten und des Herausgebers kam der Druck der Kongressakten nicht zustande.
Eine Belebung der Schliemann-Forschung der DDR, die zugleich eine Bereicherung war, trat ein, als 1985 ein bilaterales Abkommen zwischen der Kapodistrias Universität Athen und der Humboldt-Universität zu Berlin über wissenschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen wurde. Seither kam Georg Korrés fast alljährlich nach Berlin, wo er am Bereich Alte Geschichte der HUB sein quasi Hauptquartier aufschlug. Von hier aus wurden die Verbindungen zu den entsprechenden Forschungseinrichtungen der DDR hergestellt, zur AdW der DDR, zu den Archiven und namentlich zum Heinrich-Schliemann-Museum in Ankershagen (MV), und hierher liefen die Fäden wieder zusammen. Für die beiden Mitglieder des Bereichs war jeder Aufenthalt von Korrés eine große Herausforderung, denn jedes Mal hatte er ein gewaltiges Aufgabenpensum im Gepäck. Was er zu Person und Werk Schliemanns zu berichten hatte, wurde vornehmlich in den Mitteilungen der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft in Ankershagen oder als Buch veröffentlicht, so „Heinrich Schliemann. Ein Leben für die Wissenschaft“ (Berlin 1990).
Sein sicherlich größtes Verdienst um die deutsche Schliemannforschung bestand (und besteht) wohl darin, dass durch eine Schenkung, die er zu Wege brachte, fast der gesamte in der Gennadios-Bibliothek in Athen aufbewahrte Dokumentenbestand zu Schliemann in Kopie dem H.-S.-Museum bzw. der H.-S.-Gesellschaft in Ankershagen zu weiterer Forschung zur Verfügung gestellt wurde, eine bewunderungswürdige Geste von nachhaltiger Wirkung. Kostenaufwendige Reisen nach Athen waren von nun an nicht mehr notwendig.
Georg Korrés wurde 1980 Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, war Mitglied der „Royal Society of Arts and Sciences“ in Göteborg und anderer Gesellschaften. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, u.a. den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschlands am Bande (1992), die Heinrich-Schliemann-Medaille der AdW zu Berlin (1990), die Wickelmann-Medaille (1990). 1992 wurde er Ehrenmitglied der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft Ankershagen.
Die griechische Ministerin für Kultur Lina Mendoni schreibt in ihrem Nachruf, dass Georg Korrés von seinen Kollegen geachtet und seinen Studenten geliebt wurde, dass er das kulturelle Erbe Griechenlands stets gefördert habe. „Für diejenigen von uns, die das Glück hatten, ihn kennenzulernen und mit ihm zusammenzuarbeiten, hinterlässt sein Verlust ein Gefühl von Traurigkeit, aber auch Dankbarkeit… für seine Menschlichkeit und Güte“. Diesen Worten kann sich die Familie des Verfassers des Nekrologs nur anschließen. Zwischen dessen und der Korrés-Familie, bedingt durch die beidseitige Balkanmentalität, entwickelte sich eine tiefgreifende Freundschaft, etwas heute sehr Seltenes. Lieber Georg, vielen Dank für Deine Herzlichkeit und Deine beeindruckende Lebensleistung.
Armin Jähne