Bericht über zwei Veranstaltungen des Arbeitskreises Wissenschaftsgeschichte
Am 17. Februar 2025 fand ein Treffen des Arbeitskreises Wissenschaftsgeschichte im Beratungsraum der Firma GEFEG AM Storkower Bogen statt, auf dem zwei Vorträge gehalten wurden.

Prof. Dr. Hans Neumann (Universität Münster) sprach zur Altorientalistik in der DDR. Ihre institutionellen und wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Spannungsfeld von Kontinuität und Wandel.
Altorientalistik in der DDR war ein Sammelbegriff, der verschiedene orientalistische Spezialdisziplinen vereint. Iranistik, Turkologie, Indologie, Sinologie, Tibetologie und Japanologie beschäftigen sich mit den sprachlichen und kulturellen Hinterlassenschaften und Gegebenheiten der entsprechenden Regionen (Iran, Zentralasien, Süd- und Südostasien, China, Japan) ohne historisch-zeitliche Begrenzung. Der Gegenstand dieser Fächer erstreckt sich per definitionem vom Altertum bis in die Moderne. Bei den Forschungen zu den frühen Gesellschaften des mittleren und fernen Ostens handelt es sich um Spezialisierungen bzw. Subdisziplinen im Rahmen der genannten Fächer. Bei der Ägyptologie, der Sudanarchäologie und den Keilschriftwissenschaften sowie der Vorderasia-tischen Archäologie (jeweils mit ihren Spezialisierungen) handelt es sich um Fächer, deren Gegenstand zeitlich auf das Altertum begrenzt ist.
Ausgehend von den Nachkriegsverhältnissen in der Sowjetischen Besatzungszone (1945–1949) wurde unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen institutionellen und wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen in der DDR die Wissenschaften von Gesellschaft, Kultur und Sprachen des Alten Orients im Hochschulbereich und außeruniversitär betrieben worden sind, ausschnittsweise versucht, die Entwicklung der DDR-Altorientalistik insbesondere an den Universitäten Berlin, Leipzig, Jena und Halle/S. und an der Akademie der Wissenschaften von 1949 bis 1989 sowohl unter dem Gesichtspunkt der Weiterführung bestehender Traditionen als auch mit Blick auf gesellschaftshistorisch wie auch personell begründete Kontinuitätsbrüche vor allem in den 1960/70er Jahren nachzuzeichnen und wissenschaftsgeschichtlich zu analysieren.

Prof. Dr. Ilse Wischer (MLS, Universität Potsdam) hielt einen Vortrag zum Thema Die Geschichte der englischen historischen Linguistik in Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern.
Die englische historische Linguistik hat in Deutschland und im deutschsprachigen Kulturraum eine reiche Geschichte. Sie wurde von zwei unterschiedlichen, aber konvergierenden Forschungsfeldern geprägt, die beide im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts an deutschen Universitäten ihre Blütezeit hatten: die englische Philologie, vor allem die Mediävistik, und die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft. In dem Vortrag ging es zunächst darum, wie diese beiden Forschungsrichtungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zusammengewachsen sind. Daran anschließend wurde gezeigt, wie sich im 20. Jahrhundert in Ost und West ein Wandel in der Ausrichtung der englischen historischen Linguistik vollzog, und es wurden Gründe für den stetigen Rückgang dieser Disziplin mit einem Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen diskutiert.
In der BRD existierten noch einige Lehrstühle für Mediävistik, während in der DDR die englische historische Linguistik viel drastischer und früher an Bedeutung verlor und die Anglistik an Universitäten auf Lehrerausbildung und Übersetzungsstudium reduziert wurde. Nur zwei Universitäten, die Humboldt Universität Berlin und die Universität Rostock hielten gewisse Kontakte in der englischen historischen Linguistik aufrecht.
Am 10. April 2025 fand ein weiteres Treffen des Arbeitskreises Wissenschaftsgeschichte im Historischen Ratssaal des Rathauses Friedrichshagen statt.
Prof. Dr. Ekkehard Höxtermann (MLS) sprach zum Thema „Entwicklung durch Verwicklung“ – Zur Profilierung der Biologie an den Universitäten der DDR.
Der Vortrag analysierte die spezifische Entwicklung einer Naturwissenschaft und die Differenzierung ihrer Disziplinen im Vergleich zu den am 17. Februar vorgestellten stadialen und regionalen Mustern sprachwissenschaftlicher Richtungen und Institute in der DDR. Auch in den Biowissenschaften gab es in der DDR ein bezeichnendes geografisches Muster wissenschaftlicher Zweige und Einrichtungen, das weniger das Ergebnis zentraler Pläne und Weichenstellungen als vielmehr Ausdruck einer erstaunlich stabilen Interessenlage wissenschaftlicher Schulen war, die in den Nachkriegsjahren eher zufällig entstanden waren und sich im Wandel der politischen Verhältnisse und im Wechsel der Generationen behaupteten.
Kollege Höxtermann erinnerte am Beispiel der botanischen und zoologischen Universitätsinstitute an die katastrophale Hinterlassenschaft von Naziregime und Weltkrieg und schilderte den beginnenden Wiederaufbau der Anstalten und Anlagen und die personelle Erneuerung der Nachkriegsjahre. In Umsetzung der Hochschulreform von 1952 kam es zu einer Bevorzugung praxisorientierter Forschungsfelder und einer Vernachlässigung der allgemeinbiologischen Grundlagenforschung. Dabei verstanden es vor allem Greifswald und Jena, ihre Positionen auszubauen. Eher konstatierend als agierend wurden in den Perspektivplanungen der Regierung dann auch diese beiden Universitäten zu Ausbildungsschwerpunkten für Diplombiologen erklärt. Dessen ungeachtet kam es in den Folgejahre de facto zu einem Ausbau aller biologischen Standorte.
Das Treffen des Arbeitskreises war mit 15 Teilnehmern gut besucht. Sie diskutierten insbesondere den Charakter und die Bildung wissenschaftlicher Schulen, den Parteieinfluss in bestimmten Einrichtungen, das persönliche Verhältnis namhafter Biologen, das Wesen der Dritten Hochschulreform und den Einfluss des Lyssenkoismus in Forschung und Lehre. Zu letztgenanntem Thema hat Kollege Höxtermann bereits im Jahr 2000 eine ausführliche Übersichtsarbeit vorgelegt, die wir hier mit einem Link zugänglich machen.
Hier finden Sie einen ausführlichen Bericht zum Vortrag von Kollegen Höxtermann und einen Artikel zum Lyssenkoismus in der DDR.
Alle drei Vorträge werden in Leibniz Online publiziert.