Fakten und Faszination der Mondexploration – Resümee einer bemerkenswerten Veranstaltung der Leibniz-Sozietät
Lutz-Günther Fleischer (MLS)
Annähernd 60 Teilnehmer trafen sich am 09. Mai 2019 im Einstein-Saal der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow zur ganztägigen Plenarveranstaltung „Mondforschung: Resultate, Erwartungen, Perspektiven“, die anlässlich der Landung der ersten Menschen auf dem Mond, der Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin, vor 50 Jahren, am 21. Juli 1969, stattfand. Im inhaltlichen Verbund war ein zweites Ereignis mit historischem Gewicht zu würdigen, was sich in den Schlussbemerkungen widerspiegelt. Vor 410 Jahren, im Herbst des Jahres 1609, richtete Galileo Galilei erstmals ein Teleskop gen Himmel. Fortan spielten Mond und Jupiter nicht nur in seinem Leben eine überragende Rolle, sondern bewegten – weit über die Astronomie hinausreichend – die Welt.
Das anspruchsvolle und überaus anregende multidisziplinäre Programm vereinte Referenten, die sich gegenwärtig unter verschiedensten Perspektiven und Aspekten mit der Mondexploration befassen. Dazu gehören zwei leitende Protagonisten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Wissenschaftler deren – mit weit bescheideneren Instrumentarien erzielten, dennoch nicht minder bedeutenden – Forschungsergebnisse die Geschichte der Mondforschung mit gestalteten. Das Programm spricht für sich.
Programm
Eröffnung
Prof. Dr. Gerhard Banse, Präsident der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin
Teil 1
Moderation: Heinz Kautzleben (MLS, AK GeoMUWA )
Heute steht die wissenschaftliche „Mondforschung“ im Mittelpunkt, betonte der Präsident der Leibniz-Sozietät, Gerhard Banse. Der Mond rege seit jeher die Überlegungen von Wissenschaftlern an. „Er gilt in der Astronomie als das naheste Beobachtungsobjekt am Himmel. Trotz all der neuen Erkenntnisse der letzten Jahre, die zur Revision von manchen vormaligen Annahmen führten, wissen wir Vieles von ihm noch nicht. Mit den folgenden sechs Vorträgen wird der Versuch unternommen, uns unterschiedliche Facetten des Wissens wie des Nichtwissens sowie Erwartungen und Perspektiven zukünftiger Mondforschung zu verdeutlichen. Das heutige Kolloquium ist inhaltlich zugleich eine Würdigung von zwei Mitgliedern der Leibniz-Sozietät, die in den zurückliegenden Monaten sogenannte runde Geburtstage begingen: Herzliche Glückwünsche nochmals nachträglich. Diese Wünsche verbinde ich mit meinem nochmaligen Dank für das außerordentliche, vorbildliche, verantwortungsbewusste und zuverlässige Engagement beider Jubilare in unserer und für unsere traditionsreiche Gelehrtengesellschaft. Beide werden das sogleich unter Beweis stellen, denn sie sind die nächsten Akteure: Heinz Kautzleben als Moderator und Dieter B. Herrmann als erster Referent.“
Der Weg der USA zur bemannten Mondlandung
Der Vortrag des Altpräsidenten und Astronomie-Historikers, Dieter B. Herrmann, schilderte akribisch die historischen Hintergründe des US-amerikanischen Apollo-Projekts im damaligen Spannungsfeld von Politik und Technik und wertete sie in wesentlichen Zusammenhängen.
Er hob zwei Aspekte des Unternehmens hervor, über die – mit dem historischen Abstand – heute weitgehend Einigkeit bestehen dürfte: „Erstens handelte es sich um ein Projekt in einem enormen politischen Spannungsfeld, das durch die beiden Führungsmächte des Westens und des Ostens, den USA und der Sowjetunion bestimmt wurde und das verkürzt als „Kalter Krieg“ in die Geschichte eingegangen ist. Zweitens war es eine technische und logistische Herausforderung größten Ausmaßes, auch was den Mut, den Sachverstand, die Nervenstärke und die Risikobereitschaft der beteiligten Astronauten anlangte“.
„Die politischen Reaktionen in den USA auf den Start des sowjetischen Sputnik 1 (1957) und den Start von Juri Gagarin als erstem Menschen im Weltraum (1961) sowie andere sowjetische Erstleistungen in der Raumfahrt bewirkten in den USA die Verkündung ihres Mondlandeprogramms (Apollo-Projekt)“.
„Als am 4. Oktober 1957 der erste künstliche Himmelskörper, der sowjetische Sputnik 1, die Erde umrundete, begann ein einzigartiger Wettlauf zwischen den USA und der Sowjetunion, der zugleich auf beiden Seiten als ein Teil der Systemauseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus verstanden wurde“
„Man wusste: wer im erdnahen Weltraum erfolgreich agieren kann, der verfügt auch über eine entsprechende militärische Überlegenheit. Dass Politiker nicht davor zurückschrecken, diese Karte auch auszuspielen, hatten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA im August auf erschreckende Weise 1945 gezeigt.“
Das ist sicher richtig, bedeutet aber nicht, dass der wissenschaftliche Ertrag des fast 25 Milliarden US-Dollar teuren Projekts mit 400 000 Beteiligten. unbedeutend gewesen wäre.
Die Erforschung des Mondes – und was wir doch nicht wissen.
Der im Zentrum für Luft und Raumfahrt tätige Ralf Jaumann leitet seit 1994 die Abteilung für Planetengeologie im Institut für Planetenforschung der DLR und befasst sich mit dem Ursprung sowie der Entwicklung planetarer Oberflächen und mit geologischen Prozessen imSonnensystem. Er ist maßgeblich an Weltraumissionen zum Mars (NASA Pathfinder, ESA Mars Express Mission, ESA ExoMars Mission), zum Saturn (NASA/ESA Cassini/Huygens Mission), zur Venus (ESA Venus Express Mission), zu Kometen (ESA Rosetta Mission) und Asteroiden (NASA Dawn Mission, MASCOT auf Hayabusa II)) beteiligt. Ralf Jaumann ist Principle Investigator der High Resolution Stereo Kamera (HRSC) der ESA Mars Express Mission. Seit 2006 wirkt er als Professor für Planetologie an der Freien Universität Berlin.
Der Mond ist nur etwa vierhunderttausend Kilometer von der Erde entfernt und deshalb der einzige Himmelskörper, den Menschen bisher besuchen konnten. Das war vor genau 50 Jahren. Auch Ralf Jaumann hob hervor „Gewiss, die erste Mondlandung war hauptsächlich politisch motiviert. Doch sehr schnell wurde der hohe wissenschaftliche Wert der sechs Mondlandungen erkannt. Seine Geschichte zu entschlüsseln hilft auch die frühe Entwicklung anderer felsiger Himmelskörper wie Erde oder Mars besser zu verstehen. Das Südpol-Aitken-Becken verspricht am ehesten, die großen Fragen der Mondforschung zu beantworten: Wie ist der Mond entstanden, hat er einen Kern, wie hat er sich abgekühlt, wie lange gab es Vulkanismus und welche Auswirkungen hatte der massive Beschuss mit Asteroiden während des „Late Heavy Bombardement“ vor rund vier Milliarden Jahren?“
Überzeugend, anschaulich und dennoch in die Tiefe gehend, dabei von vorzüglichen PowerPoint-Animationen zur Kartierung und Morphologie des Mondes unterstützt, begründete Ralf Jaumann, weshalb der Mond ein “geologischer Glücksfall” ist und Apollo nur den Beginn seiner Exploration markieren kann: Von den rund 2000 bekannten erdgebundenen Mineralien wurden in den Mondgesteinen lediglich weniger als 100 nachgewiesen, weil die Mineralienbildung auf dem Mond anderen Regeln unterliegt als auf der Erde. Auf ihrem Trabanten dominieren reduzierende Bedingungen, fehlen Wasser und jene an eine Hydrosphäre gebundenen Verwitterungsprozesse. Der resultierende Vorteil: Er gewährt Forschern einen unmittelbaren Einblick in die Frühgeschichte des inneren Sonnensystems. Auch die ersten zwei Milliarden Jahre der Erdgeschichte, in denen auf der Erde diese frühen Spuren infolge endogener und exogener Prozesse weitgehend verschwanden, können über die weitere Erforschung der Mondoberfläche, speziell des Mondstaubs, fortschreitend ergründet und verstanden werden.
Zwölf Astronauten waren jeweils mehrere Tage auf dem Mond und kehrten mit Hunderten von Fotos, Messdaten mehrerer Dutzend Experimente und wertvollen Beobachtungen aus der Umlaufbahn zur Erde zurück und brachten insgesamt 382 Kilogramm Proben zur Erde. Diese Steine und Mondstaubproben waren und bleiben wissenschaftlich enorm wertvoll. Damit lassen sich wichtige Fragen zur Entwicklung nicht nur des Mondes, sondern auch der Erde und der erdähnlichen Planeten beantworten. Freilich blieben einige Fragen offen. Noch immer wissen wir nicht genau, wie der Mond entstanden ist und welche grundlegende Bedeutung er für die Erde hatte. Nicht nur aus diesem Grunde ist und bleibt der Mond für die bemannte und unbemannte Raumfahrt ein wichtiges Ziel für die nähere Zukunft.
Komplexe mineralogische Untersuchungen am Luna-16 -, Luna-20 – und Luna-24 – Regolith
In den Jahren 1970, 1972 und 1976 entnahmen sowjetische Luna-Raumsonden Material aus der obersten Staubschicht der Mondoberfläche und transportierten es zur Erde. Ein Teil dieses Gesteinsmaterial wurde der Akademie der Wissenschaften der DDR für komplexe Forschungen übergeben. Das Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam hatte die Federführung für diese Untersuchungen und verteilte das übergebene Material an mehrere Institute der Akademie sowie an Universitäten und Hochschulen der DDR.
Im Mittelpunkt der mineralogischen Experimente, die von Heiner Vollstädt und RichardWäsch am Zentralinstitut für Physik der Erde durchgeführt wurden, standen Analysen zur stofflichen Zusammensetzung und zu Eigenschaften des anstehenden lunaren Gesteins. Es galt experimentelle Methoden zu entwickeln, die es gestatteten, aus kleinsten Probemengen von wenigen Milligramm, anwendbare Ergebnisse zu gewinnen und daraus Rückschlüsse aufgeowissenschaftlich orientierte planetologische Fragestellungen zu ziehen.
Die Proben stammten 1970 (Luna 16) aus dem Mare Fecunditatis mit mehreren kleinen Kratern, die vorwiegend mit Basaltfragmenten (ca. 3,45 Mrd. Jahre) gefüllt sind, aus einer 2 bis 3 m dicken Regolithschicht.
1972 (Luna 20) lag der Landeplatz am Rand des Apollonius – Kraters C, der mit Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe gefüllt ist. Der nördlich des Sinus Successus gelegene kleine Einschlagkrater trägt heute den Namen Ameghino.
1976 (Luna 24) wurden die (vor allem) Basalt-Proben dem Mare Crisium entnommen, das von großen ringförmigen Kratern gebildet wird. Es ist mit ca. 1 m Regolith sowie Impactbrocken aus der Umgebung bedeckt. Das Crisium-Becken mit dem mittlerer Durchmesser von 418 km befindet sich weit im Osten der Vollmondscheibe bei den selenographischen Koordinaten 17° 00′ N, 59° 06′ E.
Mittels vorwiegend röntgenspektroskopischer Messungen gelang die Aufklärung der im Gestein enthaltenen Minerale, des Chemismus, des strukturellen Zustandes und der physikalischen Eigenschaften der Gesteine.
Zu den exemplarischen Ergebnissen, die von den späteren Apollo-Untersuchungen bestätigt wurden, gehören die Befunde:
Lunare Gesteine der Mare: 40 – 60% Pyroxene, 40 – 60% Plagioklase (auch als Kalknatronfeldspate bezeichnet) und bis zu 10% Ilmenit und Olivine
Vergleich mit den terrestrischen Analoga: Pyroxene am stärksten durch Schockwellen beeinflusst; Plagioklase sehr Ca-reich, d.h. weniger Alkalimetalle, geringer gestört; Olivine meist Mg-reich; im Luna 24 – Regolith höhere Bildungstemperaturen.
Tests der Einstein‘schen Relativitätstheorie mit Lasermessungen zum Mond
Unser neues Mitglied Jürgen Müller, Professor an der Universität Hannover und Leiter des Institutes für Erdmessung, Member of ESA Earth Science Advisory Committee (ESAC) sowie zahlreicher anderer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen, befasst sich seit seiner Promotion 1991 zum Thema „Analyse von Lasermessungen zum Mond im Rahmen einer post-Newtonschen Theorie“ mit diesem Forschungsfeld. Er erläuterte die Messtechnik der LLR-Beobachtungen [Lunar Laser Ranging – Laserentfernungsmessungen], erklärte die Modellierung, analysierte und interpretierte wegweisende Daten und unterbreitete einige zentrale Ergebnisse. Das Projekt “Lunar Reference Systems” ist ein Teilprojekt der DFG Forschergruppe FOR1503 “Space-Time Reference Systems for Monitoring Global Change and for Precise Navigation in Space” und wird gemeinsam mit dem Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn und dem Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU Berlin bearbeitet. Ziel ist es, die Realisierung lunarer Bezugssysteme zu verfeinern und anzuwenden, um den modernen Anforderungen innerhalb der Geodäsie, Astronomie und Weltraumexploration zu genügen. Mondbezogene Bezugssysteme bilden ein unverzichtbares Element in der Verknüpfung terrestrischer und himmelsfester Bezugssysteme. Lasermessungen zum Mond sind ein einzigartiges Werkzeug, um die Erde-Mond-Dynamik zu studieren und die Relativitätstheorie zu testen. Sie dienen zur Prüfung des Äquivalenzprinzips bezüglich der Sonne mit Zentimetergenauigkeit und zur Bestimmung der möglichen Zeitvariation der Gravitationskonstanten (G*/G = (7.1 ∓ 7.6) ⋅10-14 1/Jahr)
Seit der ersten bemannten Mondlandung im Jahr 1969, als während der Apollo 11 Mission auch der erste Retro-Reflektor auf der Mondoberfläche abgesetzt wurde, lassen sich Laserentfernungsmessungen zwischen Beobachtungsstationen auf der Erde und insgesamt fünf Reflektoren auf dem Mond durchführen. Einige ausgewählte Fakten sollen die messtechnische Situation und damit verbundene Probleme skizzieren: Die Teleskop-Durchmesser betragen 0.7 m – 3.5 m, die Länge des Laserpulses 0.07 ns – 0.2 ns. Die damit angestrahlte Fläche auf dem Mond liegt in der Größenordnung von 20 km², die der Reflektoren bei 0.25 bis 0.5 m². Von den 1018 – 1019 Photonen/gesendeter Puls, kommen 1 bis 50 zurück. Dennoch gestattet die Analyse der LLR-Daten außergewöhnliche Einblicke in die Dynamik des Erde-Mond-Systems, wie die Bestimmung der säkularen Gezeitenbeschleunigung, die zu einer kontinuierlichen Entfernung des Mondes von 3.8 cm pro Jahr führt. Dies entspricht einer Zunahme der Tageslänge von 2 ms/Jahrhundert. Neben der verbesserten Auswertung der Messungen ist es geboten, weitere Mondmissionen mit verbesserten Reflektoren und/oder Transpondern zu planen sowie neue Beobachtungsstationen mit besseren Tracking-Systemen (infrarot, differentielles LLR) auf der Erde zu errichten.
‚Staubatmosphären’ um atmosphärefreie Satelliten – Ergebnisse der LADEE-Mission am Erdmond”.
LADEE steht für “Lunar Atmosphere Dust Environment Explorer” an dem Mihaly Horanyi vom Cassini-Staubdetektor-Team maßgeblich mitwirkte, dessen Ergebnisse für eine „Nature“-Publikation von Frank Spahn (MLS) begutachtet und in den Vortrag einbezogen wurden. Spahns wissenschaftliche Laufbahn begann im November 1989 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Astrophysik (ZIAP) der Akademie der Wissenschaften der DDR in Potsdam. Von Januar 1992 bis Dezember 1996 wirkte er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in der Arbeitsgruppe “Nichtlineare Dynamik” der Max-Planck-Gesellschaft an der Universität Potsdam. Seit Januar 1997 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut für Physik und Assistenzprofessor (Privat-Dozent) an der Universität Potsdam.
Frank Spahn fungiert seit Dezember 1999 als Co-Investigator des Staub(CDA)-Experiments der Cassini-Mission zum Saturn. Zudem entwickelte er (unabhängig von unserem Erdtrabanten) Modelle zu solchen “Staubatmosphären”. Ein diesbezügliches Stichwort ist “kosmische Erosion”, verursacht von Strömen hyperschneller (~ 20km/s) Mikrometeoriten.
Die von derart hyperschellen Einschlägen auf Oberflächen kosmischer Körpern ohne Atmosphäre ausgelöste kosmische Erosion – die so genannte Impact-Ejecta-Erosion – ist eine dominierende Staubquelle im Sonnensystem und im Universum ubiquitär.
Ein solcher erosiver Abbau von Satellitenoberflächen erzeugt ausgedehnte Staubwolken (“Atmosphären”) um sie herum, wie sie beispielsweise für Satelliten von Jupiter und Saturn vorhergesagt und tatsächlich mit dem Staubdetektor (DDS) bei Jupiter-Galileischen Monden entdeckt wurden.
Horanyi et al. haben sich mit der Frage befasst, ob eine solche Staubwolke auch unseren Mond umgibt? Sie analysierten die Daten des Lunar Dust Experiment (LDEX) vom Bord des Lunar Atmospheric and Dust Environment Explorer (LADEE). Der LDEX-Detektor scannte zwischen dem 16. Oktober 2013 und dem 18. April 2014 die “Staubatmosphäre” des Mondes in Höhenlagen von 20 bis100 km mit Bahngeschwindigkeiten von ca. 1,6 km/s. Auf diese Weise wurden mehr als 140.000 Staubbelastungen gesammelt. Diese Messungen belegen eine azimutal anisotrope Staubwolke, die infolge saisonaler Meteoritenschauer von erheblich stärkeren Staubausbrüchen unterbrochen wird. Im Vortrag wurden diese Ergebnisse mit den Vorhersagen des Referenten über die Schichtung der Staubkokons, verglichen, die die galiläischen Satelliten des Jupiters umfassen, und versucht, die Asymmetrie mit der Bahnbewegung (“Windschutzeffekt”) des Mondes zu erklären.
Europa auf dem Weg zum Mond
Als spezialisierter Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrt arbeitet Johannes Weppler im Projektmanagement und der Programmatik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er managt national finanzierte Projekte, die der Internationalen Raumstation ISS neue Anwendungsgebiete eröffnen. Er ist DLR-Programmverantwortliche für das Europäische Servicemodul (ESM) des Orion-Raumschiffs der NASA sowie für das Lunar Orbital Platform-Gateway (LOP-G). Ihn prägt die Überzeugung, dass unsere Zukunft im Weltall liegt
und dass die junge Generation diese Zukunft formen wird Deshalb arbeitet er leidenschaftlich daran, Programme ins Leben zu rufen, die es jungen Menschen erlauben, Teil der Raumfahrt zu werden.
50 Jahre nach der ersten Landung eines Menschen auf dem Mond steht die Erforschung unseres Trabanten international wieder im Fokus. Die großen Raumfahrtmächte USA, Russland und China betreiben aktuell Mondprogramme, wenn auch in unterschiedlichen Stadien. Viele kleinere Raumfahrtnationen wollen ebenfalls aktiv werden. Der Vortrag vermittelte einen Überblick über die bereits beschlossenen europäischen Mondaktivitäten und über zukünftige Möglichkeiten. Wo werden sich Europa und Deutschland in diesen neuen Mondprogrammen einordnen und engagieren? Zur Sprache kamen die Beteiligungen an russischen und chinesischen Missionen, das Lunar Orbiting Platform-Gateway (LOP-G) sowie das European Service Module (ESM) für das neue US-Raumschiff Orion. Die ESA freut sich darauf, in internationaler Zusammenarbeit die Geheimnisse des Mondes zu erforschen und die gewonnenen Erkenntnisse als Sprungbrett für die Zukunft der Menschheit im Weltraum zu nutzen. Die Kooperation zwischen ESA und NASA bewährt sich bereits auf der Internationalen Raumstation sowie bei gemeinsamen Robotermissionen. Seit kurzem arbeiten beide Agenturen bei der Ausstattung der Raumsonde Orion zusammen, die nach 50 Jahren abermals Menschen auf den Mond bringen soll.
Die NASA greift dabei für eine zentrale Antriebskomponente eines amerikanischen Raumfahrzeugs auf ein in Europa gebautes System zurück, womit die internationale Zusammenarbeit bei der ISS über die erdnahe Umlaufbahn hinaus ausgeweitet wird. Die Entscheidung ist zu einem großen Teil auf das erfolgreiche ATV-Programm der ESA zurückzuführen, mit der die Internationale Raumstation versorgt wird.
Die europäische Weltraumagentur ESA liefert einen zentralen Teil des Raumschiffs, das Europäische Servicemodul (ESM), das für Antrieb, Klimatisierung und die Versorgung mit Strom, Wasser und Atemluft sorgt, und möchte im „Tausch“ auch europäische Astronauten mitfliegen lassen.
In dem Kontext wurde erörtert, welche Optionen auf dem Tisch liegen werden, wenn im November 2019 die europäischen Raumfahrtminister zusammentreffen, um die Weichen für die nächsten Jahre der europäischen Explorationspolitik zu stellen. Soweit der bisherige Plan. Völlig überraschend forderte jedoch am 26. März 2019 der US-Vizepräsident Mike Pence die NASA auf, die Rückkehr einer Amerikanerin und eines Amerikaners zum Mond in den nächsten fünf Jahren zu sichern. Bei einer Tagung des US-Weltraumrates drohte er geradeheraus, dass Unternehmen, die dieses Ziel überfordere, künftig keine Aufträge der NASA mehr erhalten. Dass 2024 als Ziel vorgegeben wird, hat politische Gründe, ist es doch ein Wahljahr für die Präsidentschaft in den USA. Was würde eine glückende Landung hierauf Bezug nehmend bewirken?
Der Mond war und bleibt eine bedeutende Herausforderung für die Menschheit Lutz-Günther Fleischer Schlussbemerkungen
Ihnen, sehr verehrte Gäste und Mitglieder der Leibniz-Sozietät, sei für Ihr Interesse und Ihre rege Beteiligung an der Diskussion gedankt.
Ein darüber hinausreichendes Komplement gebührt allen Referenten für Ihre interessanten und außergewöhnlich anregenden Ausführungen, die sich wie ein Mosaik zu einem illustren Gesamtbild vereinen. Aus den faszinierenden astronomischen und selenografischen Fakten formiert sich ein bahnbrechendes Kapitel der Wissenschaftsgeschichte. Oder – mit John Bernal besser: ein Szenarium der Wissenschaft in der Geschichte.
Der Mond war und bleibt eine bedeutende Herausforderung für die Menschheit
für alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt: wissenschaftlich, technisch-technologisch, ökonomisch-ökologische, kulturell und politisch.
Im Jahre 1609 dokumentierte Galileo Galilei erstmals revolutionäre Beobachtungen über differenzierte Strukturen des Erdtrabanten. Er bemerkte, dass sich die Landschaftsreliefs der festen Mondoberfläche aus kraterreichen Hochländern (Terrae) und flachen Tiefebenen/ Mondmeeren(Maria) mit weniger Krater konstituieren.
Die Entdeckung der ersten vier Jupitermonde und die Tatsache, dass die Sonne nicht um die Erde kreist, erschütterte vor 400 Jahren das eherne Weltbild mächtiger und rigoroser katholischen Kreise und führte zu schwerwiegenden Konfrontationen. Galileis sogenanntes heliozentrisches Weltmodell erklärte, dass im Sonnensystem, die Planeten um die Sonne kreisen, die im Mittelpunkt des Systems steht.
Was wir heute über den Mond wissen, verdanken wir weit überwiegend den Orbitern und Landegeräten aus den Jahren zwischen 1959 und 1970 – von Lunik 1,2,3 bis zu den Apollo Mond-Missionen 8 bis 17.
China sorgte Anfang Januar 2019 mit der Landung der Chang’e 4 auf der Rückseite des Mondes für internationales Aufsehen. Israel, Indien, Russland, China und Japan – alle haben Pläne für weitere Sonden zum Mond. Und auch die europäische Raumfahrt plant eine unbemannte Mondmission.
Wissenschaftler begrüßen es, wenn der Mond wieder umfassender und intensiver untersucht würde. Entwicklungsträchtige offene Fragen, wie sie u.a. Ralf Jaumann skizierte, gibt es im Überfluss. „Es herrscht fast Einstimmigkeit unter den Raumfahrtagenturen und Unternehmen, was den Wunsch betrifft, schon in der nahen Zukunft mit Menschen zum Mond zu fliegen“, urteilt der Raumfahrtspezial und Autor der ‚SpaceNews‘ Jeff Foust. In diesem Sinne wirbt der Esa-Generaldirektor Jan Wörner, unter dem Stichwort „Moon Village“ dafür, künftig global alle Kräfte zu bündeln: die der staatlichen Raumfahrtagenturen weltweit und die privater Unternehmen. Noch wehrt sich die NASA gegen eine Kooperation mit China. Allmählich scheint sich das allerdings zu ändern. Das deutete sich auf dem weltweit größten Raumfahrtkongresses, dem International Astronautical Congress (IAC), 2018 in Bremen an, auf dem über die Erkundung des Mondes debattiert wurde. Man wolle es dieses Mal anders anpacken als beim letzten Mal, bedeutete der amerikanische Politiker Jim Bridenstine, seit April 2018 Direktor der NASA.
Lutz-Günther Fleischer (MLS)
Annähernd 60 Teilnehmer trafen sich am 09. Mai 2019 im Einstein-Saal der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow zur ganztägigen Plenarveranstaltung „Mondforschung: Resultate, Erwartungen, Perspektiven“, die anlässlich der Landung der ersten Menschen auf dem Mond, der Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin, vor 50 Jahren, am 21. Juli 1969, stattfand. Im inhaltlichen Verbund war ein zweites Ereignis mit historischem Gewicht zu würdigen, was sich in den Schlussbemerkungen widerspiegelt. Vor 410 Jahren, im Herbst des Jahres 1609, richtete Galileo Galilei erstmals ein Teleskop gen Himmel. Fortan spielten Mond und Jupiter nicht nur in seinem Leben eine überragende Rolle, sondern bewegten – weit über die Astronomie hinausreichend – die Welt.
Das anspruchsvolle und überaus anregende multidisziplinäre Programm vereinte Referenten, die sich gegenwärtig unter verschiedensten Perspektiven und Aspekten mit der Mondexploration befassen. Dazu gehören zwei leitende Protagonisten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Wissenschaftler deren – mit weit bescheideneren Instrumentarien erzielten, dennoch nicht minder bedeutenden – Forschungsergebnisse die Geschichte der Mondforschung mit gestalteten. Das Programm spricht für sich.
Programm
Eröffnung
Prof. Dr. Gerhard Banse, Präsident der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin
Teil 1
Moderation: Heinz Kautzleben (MLS, AK GeoMUWA )
Der Weg der USA zur bemannten Mondlandung
Dieter B. Herrmann (MLS)
Die Erforschung des Mondes – und was wir doch nicht wissen
Ralf Jaumann (DLR, Berlin)
Komplexe mineralogische Untersuchungen am Luna-15-, Luna-20- und Luna-24-Regolith
Heiner Vollstädt (Seddin) & Richard Wäsch (Berlin.)
Teil 2
Moderation: Lutz-Günther Fleischer, Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften
Tests der Einsteinschen Relativitätstheorie mit Lasermessungen zum Mond
Jürgen Müller (MLS)
„Staubatmosphären“ um atmosphärefreie Satelliten – Ergebnisse der LADEE-Mission am Erdmond
Frank Spahn (MLS)
Europa auf dem Weg zum Mond
Johannes Weppler (DLR, Bonn)
Schlussbemerkungen
Lutz-Günther Fleischer (MLS)
Inhaltlicher Kurzbericht
Eröffnung und Begrüßung
Heute steht die wissenschaftliche „Mondforschung“ im Mittelpunkt, betonte der Präsident der Leibniz-Sozietät, Gerhard Banse. Der Mond rege seit jeher die Überlegungen von Wissenschaftlern an. „Er gilt in der Astronomie als das naheste Beobachtungsobjekt am Himmel. Trotz all der neuen Erkenntnisse der letzten Jahre, die zur Revision von manchen vormaligen Annahmen führten, wissen wir Vieles von ihm noch nicht. Mit den folgenden sechs Vorträgen wird der Versuch unternommen, uns unterschiedliche Facetten des Wissens wie des Nichtwissens sowie Erwartungen und Perspektiven zukünftiger Mondforschung zu verdeutlichen. Das heutige Kolloquium ist inhaltlich zugleich eine Würdigung von zwei Mitgliedern der Leibniz-Sozietät, die in den zurückliegenden Monaten sogenannte runde Geburtstage begingen: Herzliche Glückwünsche nochmals nachträglich. Diese Wünsche verbinde ich mit meinem nochmaligen Dank für das außerordentliche, vorbildliche, verantwortungsbewusste und zuverlässige Engagement beider Jubilare in unserer und für unsere traditionsreiche Gelehrtengesellschaft. Beide werden das sogleich unter Beweis stellen, denn sie sind die nächsten Akteure: Heinz Kautzleben als Moderator und Dieter B. Herrmann als erster Referent.“
Der Weg der USA zur bemannten Mondlandung
Der Vortrag des Altpräsidenten und Astronomie-Historikers, Dieter B. Herrmann, schilderte akribisch die historischen Hintergründe des US-amerikanischen Apollo-Projekts im damaligen Spannungsfeld von Politik und Technik und wertete sie in wesentlichen Zusammenhängen.
Er hob zwei Aspekte des Unternehmens hervor, über die – mit dem historischen Abstand – heute weitgehend Einigkeit bestehen dürfte: „Erstens handelte es sich um ein Projekt in einem enormen politischen Spannungsfeld, das durch die beiden Führungsmächte des Westens und des Ostens, den USA und der Sowjetunion bestimmt wurde und das verkürzt als „Kalter Krieg“ in die Geschichte eingegangen ist. Zweitens war es eine technische und logistische Herausforderung größten Ausmaßes, auch was den Mut, den Sachverstand, die Nervenstärke und die Risikobereitschaft der beteiligten Astronauten anlangte“.
„Die politischen Reaktionen in den USA auf den Start des sowjetischen Sputnik 1 (1957) und den Start von Juri Gagarin als erstem Menschen im Weltraum (1961) sowie andere sowjetische Erstleistungen in der Raumfahrt bewirkten in den USA die Verkündung ihres Mondlandeprogramms (Apollo-Projekt)“.
„Als am 4. Oktober 1957 der erste künstliche Himmelskörper, der sowjetische Sputnik 1, die Erde umrundete, begann ein einzigartiger Wettlauf zwischen den USA und der Sowjetunion, der zugleich auf beiden Seiten als ein Teil der Systemauseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus verstanden wurde“
„Man wusste: wer im erdnahen Weltraum erfolgreich agieren kann, der verfügt auch über eine entsprechende militärische Überlegenheit. Dass Politiker nicht davor zurückschrecken, diese Karte auch auszuspielen, hatten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA im August auf erschreckende Weise 1945 gezeigt.“
Das ist sicher richtig, bedeutet aber nicht, dass der wissenschaftliche Ertrag des fast 25 Milliarden US-Dollar teuren Projekts mit 400 000 Beteiligten. unbedeutend gewesen wäre.
Die Erforschung des Mondes – und was wir doch nicht wissen.
Der im Zentrum für Luft und Raumfahrt tätige Ralf Jaumann leitet seit 1994 die Abteilung für Planetengeologie im Institut für Planetenforschung der DLR und befasst sich mit dem Ursprung sowie der Entwicklung planetarer Oberflächen und mit geologischen Prozessen im Sonnensystem. Er ist maßgeblich an Weltraumissionen zum Mars (NASA Pathfinder, ESA Mars Express Mission, ESA ExoMars Mission), zum Saturn (NASA/ESA Cassini/Huygens Mission), zur Venus (ESA Venus Express Mission), zu Kometen (ESA Rosetta Mission) und Asteroiden (NASA Dawn Mission, MASCOT auf Hayabusa II)) beteiligt. Ralf Jaumann ist Principle Investigator der High Resolution Stereo Kamera (HRSC) der ESA Mars Express Mission. Seit 2006 wirkt er als Professor für Planetologie an der Freien Universität Berlin.
Der Mond ist nur etwa vierhunderttausend Kilometer von der Erde entfernt und deshalb der einzige Himmelskörper, den Menschen bisher besuchen konnten. Das war vor genau 50 Jahren. Auch Ralf Jaumann hob hervor „Gewiss, die erste Mondlandung war hauptsächlich politisch motiviert. Doch sehr schnell wurde der hohe wissenschaftliche Wert der sechs Mondlandungen erkannt. Seine Geschichte zu entschlüsseln hilft auch die frühe Entwicklung anderer felsiger Himmelskörper wie Erde oder Mars besser zu verstehen. Das Südpol-Aitken-Becken verspricht am ehesten, die großen Fragen der Mondforschung zu beantworten: Wie ist der Mond entstanden, hat er einen Kern, wie hat er sich abgekühlt, wie lange gab es Vulkanismus und welche Auswirkungen hatte der massive Beschuss mit Asteroiden während des „Late Heavy Bombardement“ vor rund vier Milliarden Jahren?“
Überzeugend, anschaulich und dennoch in die Tiefe gehend, dabei von vorzüglichen PowerPoint-Animationen zur Kartierung und Morphologie des Mondes unterstützt, begründete Ralf Jaumann, weshalb der Mond ein “geologischer Glücksfall” ist und Apollo nur den Beginn seiner Exploration markieren kann: Von den rund 2000 bekannten erdgebundenen Mineralien wurden in den Mondgesteinen lediglich weniger als 100 nachgewiesen, weil die Mineralienbildung auf dem Mond anderen Regeln unterliegt als auf der Erde. Auf ihrem Trabanten dominieren reduzierende Bedingungen, fehlen Wasser und jene an eine Hydrosphäre gebundenen Verwitterungsprozesse. Der resultierende Vorteil: Er gewährt Forschern einen unmittelbaren Einblick in die Frühgeschichte des inneren Sonnensystems. Auch die ersten zwei Milliarden Jahre der Erdgeschichte, in denen auf der Erde diese frühen Spuren infolge endogener und exogener Prozesse weitgehend verschwanden, können über die weitere Erforschung der Mondoberfläche, speziell des Mondstaubs, fortschreitend ergründet und verstanden werden.
Zwölf Astronauten waren jeweils mehrere Tage auf dem Mond und kehrten mit Hunderten von Fotos, Messdaten mehrerer Dutzend Experimente und wertvollen Beobachtungen aus der Umlaufbahn zur Erde zurück und brachten insgesamt 382 Kilogramm Proben zur Erde. Diese Steine und Mondstaubproben waren und bleiben wissenschaftlich enorm wertvoll. Damit lassen sich wichtige Fragen zur Entwicklung nicht nur des Mondes, sondern auch der Erde und der erdähnlichen Planeten beantworten. Freilich blieben einige Fragen offen. Noch immer wissen wir nicht genau, wie der Mond entstanden ist und welche grundlegende Bedeutung er für die Erde hatte. Nicht nur aus diesem Grunde ist und bleibt der Mond für die bemannte und unbemannte Raumfahrt ein wichtiges Ziel für die nähere Zukunft.
Komplexe mineralogische Untersuchungen am Luna-16 -, Luna-20 – und Luna-24 – Regolith
In den Jahren 1970, 1972 und 1976 entnahmen sowjetische Luna-Raumsonden Material aus der obersten Staubschicht der Mondoberfläche und transportierten es zur Erde. Ein Teil dieses Gesteinsmaterial wurde der Akademie der Wissenschaften der DDR für komplexe Forschungen übergeben. Das Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam hatte die Federführung für diese Untersuchungen und verteilte das übergebene Material an mehrere Institute der Akademie sowie an Universitäten und Hochschulen der DDR.
Im Mittelpunkt der mineralogischen Experimente, die von Heiner Vollstädt und Richard Wäsch am Zentralinstitut für Physik der Erde durchgeführt wurden, standen Analysen zur stofflichen Zusammensetzung und zu Eigenschaften des anstehenden lunaren Gesteins. Es galt experimentelle Methoden zu entwickeln, die es gestatteten, aus kleinsten Probemengen von wenigen Milligramm, anwendbare Ergebnisse zu gewinnen und daraus Rückschlüsse auf geowissenschaftlich orientierte planetologische Fragestellungen zu ziehen.
Die Proben stammten 1970 (Luna 16) aus dem Mare Fecunditatis mit mehreren kleinen Kratern, die vorwiegend mit Basaltfragmenten (ca. 3,45 Mrd. Jahre) gefüllt sind, aus einer 2 bis 3 m dicken Regolithschicht.
1972 (Luna 20) lag der Landeplatz am Rand des Apollonius – Kraters C, der mit Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe gefüllt ist. Der nördlich des Sinus Successus gelegene kleine Einschlagkrater trägt heute den Namen Ameghino.
1976 (Luna 24) wurden die (vor allem) Basalt-Proben dem Mare Crisium entnommen, das von großen ringförmigen Kratern gebildet wird. Es ist mit ca. 1 m Regolith sowie Impactbrocken aus der Umgebung bedeckt. Das Crisium-Becken mit dem mittlerer Durchmesser von 418 km befindet sich weit im Osten der Vollmondscheibe bei den selenographischen Koordinaten 17° 00′ N, 59° 06′ E.
Mittels vorwiegend röntgenspektroskopischer Messungen gelang die Aufklärung der im Gestein enthaltenen Minerale, des Chemismus, des strukturellen Zustandes und der physikalischen Eigenschaften der Gesteine.
Zu den exemplarischen Ergebnissen, die von den späteren Apollo-Untersuchungen bestätigt wurden, gehören die Befunde:
Tests der Einstein‘schen Relativitätstheorie mit Lasermessungen zum Mond
Unser neues Mitglied Jürgen Müller, Professor an der Universität Hannover und Leiter des Institutes für Erdmessung, Member of ESA Earth Science Advisory Committee (ESAC) sowie zahlreicher anderer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen, befasst sich seit seiner Promotion 1991 zum Thema „Analyse von Lasermessungen zum Mond im Rahmen einer post-Newtonschen Theorie“ mit diesem Forschungsfeld. Er erläuterte die Messtechnik der LLR-Beobachtungen [Lunar Laser Ranging – Laserentfernungsmessungen], erklärte die Modellierung, analysierte und interpretierte wegweisende Daten und unterbreitete einige zentrale Ergebnisse. Das Projekt “Lunar Reference Systems” ist ein Teilprojekt der DFG Forschergruppe FOR1503 “Space-Time Reference Systems for Monitoring Global Change and for Precise Navigation in Space” und wird gemeinsam mit dem Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn und dem Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU Berlin bearbeitet. Ziel ist es, die Realisierung lunarer Bezugssysteme zu verfeinern und anzuwenden, um den modernen Anforderungen innerhalb der Geodäsie, Astronomie und Weltraumexploration zu genügen. Mondbezogene Bezugssysteme bilden ein unverzichtbares Element in der Verknüpfung terrestrischer und himmelsfester Bezugssysteme. Lasermessungen zum Mond sind ein einzigartiges Werkzeug, um die Erde-Mond-Dynamik zu studieren und die Relativitätstheorie zu testen. Sie dienen zur Prüfung des Äquivalenzprinzips bezüglich der Sonne mit Zentimetergenauigkeit und zur Bestimmung der möglichen Zeitvariation der Gravitationskonstanten (G*/G = (7.1 ∓ 7.6) ⋅10-14 1/Jahr)
Seit der ersten bemannten Mondlandung im Jahr 1969, als während der Apollo 11 Mission auch der erste Retro-Reflektor auf der Mondoberfläche abgesetzt wurde, lassen sich Laserentfernungsmessungen zwischen Beobachtungsstationen auf der Erde und insgesamt fünf Reflektoren auf dem Mond durchführen. Einige ausgewählte Fakten sollen die messtechnische Situation und damit verbundene Probleme skizzieren: Die Teleskop-Durchmesser betragen 0.7 m – 3.5 m, die Länge des Laserpulses 0.07 ns – 0.2 ns. Die damit angestrahlte Fläche auf dem Mond liegt in der Größenordnung von 20 km², die der Reflektoren bei 0.25 bis 0.5 m². Von den 1018 – 1019 Photonen/gesendeter Puls, kommen 1 bis 50 zurück. Dennoch gestattet die Analyse der LLR-Daten außergewöhnliche Einblicke in die Dynamik des Erde-Mond-Systems, wie die Bestimmung der säkularen Gezeitenbeschleunigung, die zu einer kontinuierlichen Entfernung des Mondes von 3.8 cm pro Jahr führt. Dies entspricht einer Zunahme der Tageslänge von 2 ms/Jahrhundert. Neben der verbesserten Auswertung der Messungen ist es geboten, weitere Mondmissionen mit verbesserten Reflektoren und/oder Transpondern zu planen sowie neue Beobachtungsstationen mit besseren Tracking-Systemen (infrarot, differentielles LLR) auf der Erde zu errichten.
‚Staubatmosphären’ um atmosphärefreie Satelliten – Ergebnisse der LADEE-Mission am Erdmond”.
LADEE steht für “Lunar Atmosphere Dust Environment Explorer” an dem Mihaly Horanyi vom Cassini-Staubdetektor-Team maßgeblich mitwirkte, dessen Ergebnisse für eine „Nature“-Publikation von Frank Spahn (MLS) begutachtet und in den Vortrag einbezogen wurden. Spahns wissenschaftliche Laufbahn begann im November 1989 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Astrophysik (ZIAP) der Akademie der Wissenschaften der DDR in Potsdam. Von Januar 1992 bis Dezember 1996 wirkte er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in der Arbeitsgruppe “Nichtlineare Dynamik” der Max-Planck-Gesellschaft an der Universität Potsdam. Seit Januar 1997 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut für Physik und Assistenzprofessor (Privat-Dozent) an der Universität Potsdam.
Frank Spahn fungiert seit Dezember 1999 als Co-Investigator des Staub(CDA)-Experiments der Cassini-Mission zum Saturn. Zudem entwickelte er (unabhängig von unserem Erdtrabanten) Modelle zu solchen “Staubatmosphären”. Ein diesbezügliches Stichwort ist “kosmische Erosion”, verursacht von Strömen hyperschneller (~ 20km/s) Mikrometeoriten.
Die von derart hyperschellen Einschlägen auf Oberflächen kosmischer Körpern ohne Atmosphäre ausgelöste kosmische Erosion – die so genannte Impact-Ejecta-Erosion – ist eine dominierende Staubquelle im Sonnensystem und im Universum ubiquitär.
Ein solcher erosiver Abbau von Satellitenoberflächen erzeugt ausgedehnte Staubwolken (“Atmosphären”) um sie herum, wie sie beispielsweise für Satelliten von Jupiter und Saturn vorhergesagt und tatsächlich mit dem Staubdetektor (DDS) bei Jupiter-Galileischen Monden entdeckt wurden.
Horanyi et al. haben sich mit der Frage befasst, ob eine solche Staubwolke auch unseren Mond umgibt? Sie analysierten die Daten des Lunar Dust Experiment (LDEX) vom Bord des Lunar Atmospheric and Dust Environment Explorer (LADEE). Der LDEX-Detektor scannte zwischen dem 16. Oktober 2013 und dem 18. April 2014 die “Staubatmosphäre” des Mondes in Höhenlagen von 20 bis100 km mit Bahngeschwindigkeiten von ca. 1,6 km/s. Auf diese Weise wurden mehr als 140.000 Staubbelastungen gesammelt. Diese Messungen belegen eine azimutal anisotrope Staubwolke, die infolge saisonaler Meteoritenschauer von erheblich stärkeren Staubausbrüchen unterbrochen wird. Im Vortrag wurden diese Ergebnisse mit den Vorhersagen des Referenten über die Schichtung der Staubkokons, verglichen, die die galiläischen Satelliten des Jupiters umfassen, und versucht, die Asymmetrie mit der Bahnbewegung (“Windschutzeffekt”) des Mondes zu erklären.
Europa auf dem Weg zum Mond
Als spezialisierter Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrt arbeitet Johannes Weppler im Projektmanagement und der Programmatik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er managt national finanzierte Projekte, die der Internationalen Raumstation ISS neue Anwendungsgebiete eröffnen. Er ist DLR-Programmverantwortliche für das Europäische Servicemodul (ESM) des Orion-Raumschiffs der NASA sowie für das Lunar Orbital Platform-Gateway (LOP-G). Ihn prägt die Überzeugung, dass unsere Zukunft im Weltall liegt
und dass die junge Generation diese Zukunft formen wird Deshalb arbeitet er leidenschaftlich daran, Programme ins Leben zu rufen, die es jungen Menschen erlauben, Teil der Raumfahrt zu werden.
50 Jahre nach der ersten Landung eines Menschen auf dem Mond steht die Erforschung unseres Trabanten international wieder im Fokus. Die großen Raumfahrtmächte USA, Russland und China betreiben aktuell Mondprogramme, wenn auch in unterschiedlichen Stadien. Viele kleinere Raumfahrtnationen wollen ebenfalls aktiv werden. Der Vortrag vermittelte einen Überblick über die bereits beschlossenen europäischen Mondaktivitäten und über zukünftige Möglichkeiten. Wo werden sich Europa und Deutschland in diesen neuen Mondprogrammen einordnen und engagieren? Zur Sprache kamen die Beteiligungen an russischen und chinesischen Missionen, das Lunar Orbiting Platform-Gateway (LOP-G) sowie das European Service Module (ESM) für das neue US-Raumschiff Orion. Die ESA freut sich darauf, in internationaler Zusammenarbeit die Geheimnisse des Mondes zu erforschen und die gewonnenen Erkenntnisse als Sprungbrett für die Zukunft der Menschheit im Weltraum zu nutzen. Die Kooperation zwischen ESA und NASA bewährt sich bereits auf der Internationalen Raumstation sowie bei gemeinsamen Robotermissionen. Seit kurzem arbeiten beide Agenturen bei der Ausstattung der Raumsonde Orion zusammen, die nach 50 Jahren abermals Menschen auf den Mond bringen soll.
Die NASA greift dabei für eine zentrale Antriebskomponente eines amerikanischen Raumfahrzeugs auf ein in Europa gebautes System zurück, womit die internationale Zusammenarbeit bei der ISS über die erdnahe Umlaufbahn hinaus ausgeweitet wird. Die Entscheidung ist zu einem großen Teil auf das erfolgreiche ATV-Programm der ESA zurückzuführen, mit der die Internationale Raumstation versorgt wird.
Die europäische Weltraumagentur ESA liefert einen zentralen Teil des Raumschiffs, das Europäische Servicemodul (ESM), das für Antrieb, Klimatisierung und die Versorgung mit Strom, Wasser und Atemluft sorgt, und möchte im „Tausch“ auch europäische Astronauten mitfliegen lassen.
In dem Kontext wurde erörtert, welche Optionen auf dem Tisch liegen werden, wenn im November 2019 die europäischen Raumfahrtminister zusammentreffen, um die Weichen für die nächsten Jahre der europäischen Explorationspolitik zu stellen. Soweit der bisherige Plan. Völlig überraschend forderte jedoch am 26. März 2019 der US-Vizepräsident Mike Pence die NASA auf, die Rückkehr einer Amerikanerin und eines Amerikaners zum Mond in den nächsten fünf Jahren zu sichern. Bei einer Tagung des US-Weltraumrates drohte er geradeheraus, dass Unternehmen, die dieses Ziel überfordere, künftig keine Aufträge der NASA mehr erhalten. Dass 2024 als Ziel vorgegeben wird, hat politische Gründe, ist es doch ein Wahljahr für die Präsidentschaft in den USA. Was würde eine glückende Landung hierauf Bezug nehmend bewirken?
Der Mond war und bleibt eine bedeutende Herausforderung für die Menschheit
Lutz-Günther Fleischer Schlussbemerkungen
Ihnen, sehr verehrte Gäste und Mitglieder der Leibniz-Sozietät, sei für Ihr Interesse und Ihre rege Beteiligung an der Diskussion gedankt.
Ein darüber hinausreichendes Komplement gebührt allen Referenten für Ihre interessanten und außergewöhnlich anregenden Ausführungen, die sich wie ein Mosaik zu einem illustren Gesamtbild vereinen. Aus den faszinierenden astronomischen und selenografischen Fakten formiert sich ein bahnbrechendes Kapitel der Wissenschaftsgeschichte. Oder – mit John Bernal besser: ein Szenarium der Wissenschaft in der Geschichte.
Der Mond war und bleibt eine bedeutende Herausforderung für die Menschheit
für alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt: wissenschaftlich, technisch-technologisch, ökonomisch-ökologische, kulturell und politisch.
Im Jahre 1609 dokumentierte Galileo Galilei erstmals revolutionäre Beobachtungen über differenzierte Strukturen des Erdtrabanten. Er bemerkte, dass sich die Landschaftsreliefs der festen Mondoberfläche aus kraterreichen Hochländern (Terrae) und flachen Tiefebenen/ Mondmeeren(Maria) mit weniger Krater konstituieren.
Die Entdeckung der ersten vier Jupitermonde und die Tatsache, dass die Sonne nicht um die Erde kreist, erschütterte vor 400 Jahren das eherne Weltbild mächtiger und rigoroser katholischen Kreise und führte zu schwerwiegenden Konfrontationen. Galileis sogenanntes heliozentrisches Weltmodell erklärte, dass im Sonnensystem, die Planeten um die Sonne kreisen, die im Mittelpunkt des Systems steht.
Was wir heute über den Mond wissen, verdanken wir weit überwiegend den Orbitern und Landegeräten aus den Jahren zwischen 1959 und 1970 – von Lunik 1,2,3 bis zu den Apollo Mond-Missionen 8 bis 17.
China sorgte Anfang Januar 2019 mit der Landung der Chang’e 4 auf der Rückseite des Mondes für internationales Aufsehen. Israel, Indien, Russland, China und Japan – alle haben Pläne für weitere Sonden zum Mond. Und auch die europäische Raumfahrt plant eine unbemannte Mondmission.
Wissenschaftler begrüßen es, wenn der Mond wieder umfassender und intensiver untersucht würde. Entwicklungsträchtige offene Fragen, wie sie u.a. Ralf Jaumann skizierte, gibt es im Überfluss. „Es herrscht fast Einstimmigkeit unter den Raumfahrtagenturen und Unternehmen, was den Wunsch betrifft, schon in der nahen Zukunft mit Menschen zum Mond zu fliegen“, urteilt der Raumfahrtspezial und Autor der ‚SpaceNews‘ Jeff Foust. In diesem Sinne wirbt der Esa-Generaldirektor Jan Wörner, unter dem Stichwort „Moon Village“ dafür, künftig global alle Kräfte zu bündeln: die der staatlichen Raumfahrtagenturen weltweit und die privater Unternehmen. Noch wehrt sich die NASA gegen eine Kooperation mit China. Allmählich scheint sich das allerdings zu ändern. Das deutete sich auf dem weltweit größten Raumfahrtkongresses, dem International Astronautical Congress (IAC), 2018 in Bremen an, auf dem über die Erkundung des Mondes debattiert wurde. Man wolle es dieses Mal anders anpacken als beim letzten Mal, bedeutete der amerikanische Politiker Jim Bridenstine, seit April 2018 Direktor der NASA.