Wissenschaftliche Sitzungen des Plenums der Leibniz-Sozietät im Jahre 2004

Nachfolgend werden die im Jahr 2004 stattgefundenen wissenschaftlichen Sitzungen im Plenum der Leibniz-Sozietät zusammen mit den Kurzreferaten und Angaben zu den C.V. der Vortragenden aufgelistet.
Die Namen der Autoren sind mit dem Autorenverzeichnis verlinkt und die einzelnen Beiträge, die bereits in einer Publikationsreihe der Leibniz-Sozietät erschienen sind, sind als PDF-Dateien unterlegt.

15. Januar 2004

Christa Luft
Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 22, 15.04.04  

Frau Prof. Luft (65) ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Sie hat 31 Jahre lang an der Hochschule für Ökonomie Berlin gearbeitet, zuletzt als Rektorin. Von 1978 bis 1981 wirkte sie an einem internationalen ökonomischen Forschungsinstitut in Moskau. 1994 bis 2002 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags.
Im Mittelpunkt des Vortrages stehen folgende Fragen:
• Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?
• Ist Vollbeschäftigung eine sozialromantische Utopie?
• Wird ein neuer Arbeitsbegriff gebraucht?
• Was ist mit dem “Recht auf Faulheit”?
• Wie wirkt die Globalisierung auf die Zukunft der Arbeit?

 

19. Februar 2004

Georg Bretthauer (Karlsruhe):
Die künstliche Hand – Kopplung von Technik und Organismus
(als Beitrag zum Jahr der Technik angemeldet)
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal

Prof. Bretthauer (57) ist Regelungs-, Mess- und Automatisierungstechniker sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2003.

 

18. März 2004

Ganztägige wissenschaftliche Veranstaltung des Plenums
Revolution der Denkungsart – zum 200. Todestag von Immanuel Kant
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal

Hans Heinz Holz
Kant – zwischen Transzendentalphilosophie und Dialektik  

Karl Lanius
Kants “Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels” 

Helmut Seidel
Kant und die Metaphysik  

Siegfried Wollgast
Das Friedensproblem bei Kant  

Hans-Martin Gerlach
Kant und die Berliner Aufklärung  

Dieter B. Herrmann
Kant, Zöllner und Engels – ein Beitrag zur Rezeption der “Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ 

Rainer Schimming
Kants a priori, Kuhns Paradigmen, Holtons Themata 

Rolf Löther
Kant und die biologische Evolutionstheorie 

Jürgen Hamel
Kants Kosmologie – Grundzüge ihrer Genese und ihrer frühen Rezeptionsgeschichte 

Jörg Zimmer
Kants Kritik der Urteilskraft und die Ästhetik 

Heinz Kautzleben
Immanuel Kant und die Geo- und Kosmoswissenschaften 

Wolfgang Eichhorn
Wirkungen der praktischen Philosophie Kants: Der Marburger Neukantianismus

 

15. April 2004

Theodor Hellbrügge
Das Konzept der sozialpädiatrischen Entwicklungsrehabilitation – Grundlagen – interdisziplinäre Hilfe – Ergebnisse
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal

Prof. Hellbrügge (84) ist Mediziner und Pädiater sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2003. 1960 gründete er den 1. deutschen Lehrstuhl für Sozialpädiatrie mit Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als diagnostische Basis schuf er die „Münchener Funktionelle Entwicklungs-Diagnostik“, die bereits in 30 Sprachen übertragen wurde. Mit Hilfe des gemeinnützigen Vereins „Aktion Sonnenschein“ gründete Hellbrügge das Kinderzentrum München als erste Institution einer gemeinsamen Hilfe aus Kinderheilkunde, Kinderpsychologie und Heilpädagogik. Es wurde zum Vorbild von über 100 sogenannten Sozialpädiatrischen Zentren im Inland und noch mehr Aktivitäten im Ausland. Im Jahre 1999 gründete er die „Internationale Aktion Sonnenschein“, die zusammen mit der Theodor-Hellbrügge-Stiftung, gegründet 1991, diese Arbeit fortsetzt.
Wegen seiner Verdienste erhielt Hellbrügge von 16 ausländischen Universitäten die Würde eines Dr. honoris causa. Er ist außerdem Honorarprofessor der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaft, Moskau und der Ukrainischen Freien Universität, München.
Sein wissenschaftliches Werk umfasst über 1000 Publikationen in den verschiedensten Sprachen, darunter Handbuch- und Lehrbuchbeiträge sowie mehr als 60 von ihm herausgegebene oder verfasste Bücher.

In dem Vortrag stellt er sein Konzept der sozialpädiatrischen Entwicklungs-Rehabilitation vor. Dieser neue Kurzbegriff wurde vom Autor geschaffen, um jahrhundertealte Fördermaßnahmen der Rehabilitation erstmalig systematisch auch auf das Kindesalter zu übertragen und zwar unabhängig von Störungen und Behinderungen.
Die Grundprinzipien der Entwicklung besagen, dass in der frühen Kindheit eine bislang nicht genutzte Chance besteht, Kinder mit angeborenen oder früh erworbenen Störungen oder Schäden durch gezielte Maßnahmen vor dem Schicksal des lebenslangen Behindertseins zu bewahren. Typisches Beispiel hierfür sind hörgeschädigte Kinder bis zur Gehörlosigkeit, die durch besondere Verfahren (Echoscreen) bereits bei der Geburt erkannt werden, so dass in den ersten Lebensmonaten durch eine innige Verbindung mit der Mutter Sprache entsteht. Mehrere hundert fast taube Jugendliche haben so über ihre Mutter sprechen gelernt, so dass sie nicht ausgegrenzt werden, weil sie sich sonst nur durch die Zeichensprache mitteilen könnten.
Frühdiagnostik, Frühtherapie und frühe soziale Integration in der Familie sind die Grundlagen der Entwicklungs-Rehabilitation, wobei die Eltern sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie eine führende Rolle einnehmen. Denn niemand kann sein Kind besser beurteilen als die Eltern. Eltern sind die besten Therapeuten, wenn sie von Fachleuten angeleitet werden. Das Buch der Elternbeobachtung „Die Entwicklung des Säuglings – Die ersten 365 Tage im Leben eines Kindes“ ist in über 30 Sprachen übertragen. Über 100 sozialpädiatrische Zentren in Deutschland und mehr noch im Ausland haben dieses Konzept inzwischen mehr oder minder übernommen.

 

13. Mai 2004

Peter Althaus
Das c – eine Alterserkrankung?
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal

Prof. Althaus (63) ist Urologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1994. Er war 1966 – 1973 wissenschaftlicher Assistent an der Urologischen Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik an der Martin-Luther-Universität in Halle, 1973 – 1982 am Lehrstuhl für Urologie der Humboldt-Universität zu Berlin und 1982 – 1988 stellvertretender Direktor und 1. Oberarzt an der Klinik für Urologie der Humboldt-Universität zu Berlin. 1988-1991 war er Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie der HU – Charité. Seitdem ist er Chefarzt an der Urologischen Abteilung am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge zu Berlin. Er ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Urologie, der Europäischen sowie der Deutschen Gesellschaft für Urologie, der Europäischen Gesellschaft für Dialyse und Nierentransplantation sowie der Amerikanischen Gesellschaft für Transplantationschirurgie.

Das Prostatakarzinom (Pca) nimmt heute unter den bösartigen Neubildungen des Mannes die erste Stelle ein. Es tritt häufiger auf als das Bronchialkarzinom. Mit zunehmendem Alter ist auch mit einer Zunahme der Häufigkeit des PCa zu rechnen; bei über 80jährigen Männern kann man mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% das Vorhandensein eines PCa annehmen. Seit die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens eingeführt wurde, können wir heute einen Prostatakrebs frühzeitig – bevor er irgendwelche klinischen Symptome erzeugt – diagnostizieren und somit diesen Krebs auch heilen. Nicht jedes PCa muß aggressiv behandelt, also operiert oder bestrahlt werden. Wir sind heute in der Lage, die Größe eines Prostatakrebses und den Grad seiner Bösartigkeit sicher vorauszusagen. Die lange bekannte Tatsache, daß mehr Männer mit als an einem PCa sterben, hat nach wie vor Gültigkeit. Die Hohe Kunst besteht darin, herauszufinden, welcher Patient muß aggressiv behandelt werden und welcher nicht.
Inhalt des Vortrages wird es sein, darzustellen, für welchen Patienten welche Therapie die beste ist. Mit einer Zunahme der Häufigkeit des PCa durch Zunahme der Alterserwartung von Männern ist auch in künftigen Jahren zu rechnen. Das Thema hat enorme sozialmedizinische Bedeutung.

 

17. Juni 2004

Jörg Roesler
Erster Abschied von der Globalisierung. Erfahrungen lateinamerikanischer Schwellenländer mit der “Abkopplung vom Weltmarkt” in den 1930er bis 1960er Jahren. Das Beispiel Argentinien
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 23, 20.06.04 

Prof. Roesler (63) ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1996. Er arbeitete von 1961 bis 1964 am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR, von 1992 bis 1995 am Forschungsschwerpunkt Zeithistorische Studien in Potsdam und 1994/95 als Gastprofessor in Toronto. Heute ist er Unternehmensberater mit dem Spezialgebiet Firmengeschichte. Besonders interessiert er sich für die ökonomischen Transformationsprozesse in Ostdeutschland und für die vergleichende Wirtschaftsgeschichte der vormals sozialistischen Länder. Er kann auf mehr als 100 Publikationen verweisen.

Kann sich ein Land der Globalisierung einfach entziehen, wenn es von ihr (nur noch) die Nachteile spürt? Bedeutet die Verflechtung im weltwirtschaftlichen Netzwerk nicht vielmehr, dass die Wirtschaft des betreffenden Landes der Globalisierung ausgeliefert ist auf Gedeih und Verderb? Geht man nicht der unzweifelhaften Vorteile der Globalisierung im Bereich von Technik und Kommunikation verlustig, wenn man sich wirtschaftlich abkoppelt? Müssen Wirtschaft und Bevölkerung eines Landes nicht an Produktivität und Lebensstandard dafür büßen, wenn sie versuchen, dem Globalisierungstrend zu widerstehen?
Das sind Fragen, die sich Politiker und Wissenschaftler in der rasch wachsenden Zahl der Länder der “Globalisierungsverlierer” stellen müssen.
Im Vortrag wird versucht, darauf mit den Mitteln der historischen Komparistik eine Antwort zu geben. Behandelt werden Ursachen, Bedingungen und Formen des “Ausstiegs” aus der Globalisierung, wie ihn die lateinamerikanischen Schwellenländer in den 1930/40er Jahren vollzogen haben. Vorgestellt werden das “Ausstiegskonzept”, die Dependencia-Theorie und die Reformierung der Wirtschaft entsprechend diesem Konzept unter der Präsidentschaft Juan Perons in Argentinien sowie die Folgen für die Wirtschaft, das Sozialsystem und den Lebensstandard des wichtigsten lateinamerikanischen Schwellenlandes.

 

16. September 2004

Christian Bauer
Wie sich Hirnzellen gegen Sauerstoffmangel wehren
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 25, 08.12.04  

Prof . Bauer (66) ist Physiologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1997. Nach dem Medizinstudium arbeitete er in Hannover, Philadelphia (USA), Paris, New York und Milano, bis er 1975 an die Universität Regensburg und 1984 an die Universität Zürich berufen wurde. Er ist Mitglied in fünf nationalen Gesellschaften für Physiologie, war 1991 – 1999 Generalsekretär der Federation of the European Physiological Societies (FEPS) und gehört der Hölderlin-Gesellschaft (Tübingen) an. 1999 zeichnete ihn die Karls-Universität zu Prag mit ihrer Ehrenmedaille aus.

Wir alle wissen, dass Sauerstoff zur biologischen “Verbrennung” von Nahrungsmitteln unabdingbar ist, und wir wissen auch, dass sich Zellen, Organe und selbst der Gesamtorganismus gegen Zustände wehren können, die als “Sauerstoffmangel” bezeichnet werden. Beispiele sind die Zunahme der Atmung in “dünner”, d.h. sauerstoffarmer Luft oder die vermehrte Bildung von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Knochenmark nach einem Blutverlust. Die Zunahme der Erythrozytenbildung wird vermittelt durch das Hormon Erythropoietin (Epo), das vor allem in der Niere gebildet wird und im Knochenmark die “Selbstzerstörung” derjenigen Vorläuferzellen verhindert, aus denen schliesslich die reifen Erythrozyten hervorgehen.
Epo wirkt aber nicht nur im Knochenmark, sondern auch im Zentralnervensystem (ZNS), wo es von klar definierten Zellpopulationen gebildet wird, und interessanterweise weist die biochemische “Sauerstoff-Sonde”, welche die Epo-Bildung in der Niere und im ZNS steuert, ganz ähnliche Funktionscharakteristika auf. Das normalerweise im ZNS gebildete Epo hat physiologische Funktionen bei der Gedächtnisbildung und schützt darüber hinaus die empfindlichen Hirnzellen vor Sauerstoffmangel. Aufbauend auf diesen Befunden wird gentechnisch hergestelltes (rekombinantes) Epo seit kurzem erfolgreich bei der Behandlung von Patienten mit Hirnschlag eingesetzt.

 

21.Oktober 2004

Hermann Scheer
Die existenzielle Jahrhundertaufgabe: Die Ablösung atomarer und fossiler Energien durch erneuerbare Energien
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 26, 23.02.05

 

18. November 2004

Klaus-Dieter Jäger
Nacheiszeitliche Klimaschwankungen und ur- bis frühgeschichtliche Besiedlungsprobleme in Mitteleuropa
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr.26, 23.02.05

 

16. Dezember 2004

Uwe Meinberg
Informationstechnik und Ethik
Staatsbibliothek Unter den Linden 8, Berlin-Mitte, Lessing-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 26, 23.02.05  

Prof. Meinberg (47) ist Informatiker. Nach Studium der Elektrotechnik und Promotion in Dortmund wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter, später stellvertretender Bereichsleiter am Fraunhofer-Institut in Dortmund. Parallel dazu führte er ab 1996 die Geschäfte eines Softwarehauses (Informationssysteme für die Logistik). 2002 wurde er zum Professor an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und gleichzeitig zum Leiter des dortigen Fraunhofer-Anwendungszentrums berufen.
Seit Beginn der beruflichen Tätigkeit setzte er sich mit dem Thema “Informationsverarbeitung” mit starkem Anwendungsbezug auseinander: Nutzen und Risiken von Informationssystemen für den Anwender. Zur Zeit bereitet er für Juni des kommenden Jahres eine große Veranstaltung zum “Disaster Management” vor: Wie helfen Informationssysteme, Desaster (Terror, Katastrophen) zu managen; wie werden Informationssysteme durch Desasterszenarien in Mitleidenschaft gezogen?
Prof. Meinberg hat Kooperationsverträge mit Universitäten in Polen, Tschechien und Litauen sowie eine Gastprofessur in Wuhan/China.

Informationssysteme haben unser tagtägliches Leben durchdrungen und sind – bedingt durch technologische und technische Entwicklungen – immer weiter auf dem Vormarsch; dies auch in intimen Bereichen der Gesellschaft. Nach einer kurzen Einführung in das Thema Informationssysteme und ihre Bedeutung für den Wirtschaftsalltag werden dieselben Systeme unter dem Aspekt ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft/den Menschen betrachtet. Der Versuch, einen in diesem Kontext geeigneten Ethikbegriff zu fixieren, leitet über zur Diskussion, inwieweit das informationstechnisch Mögliche auf das Vertretbare fokussiert werden sollte und ob dies überhaupt realisierbar ist: Informationssysteme basieren auf Software; Funktionen einer Software aber sind – insbesondere dann, wenn diese in unsere Umwelt integriert ist – nicht kontrollierbar.