Jahrestagung der Leibniz-Sozietät

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. lädt ein zur ihrer Jahrestagung zum Thema:

Kant und die Rezeption der Aufklärung

am 11. April 2024,
13.00 Uhr – 19.00 Uhr,
im Rathaus Friedrichshagen (Historischer Ratssaal) Bölschestraße 86, 12587 Berlin

(Das Programm als PDF)

Denkmal Kants in seiner Heimatstadt Königsberg, heute Kaliningrad (Bildhauer: Christian Daniel Rauch)
(Kant Kaliningrad – Immanuel Kant – Wikipedia) CC BY-SA 2.5

Aus Anlass des 300. Geburtstages Immanuel Kants (22. April 1724–12. Februar 1804) widmet die Leibniz-Sozietät ihre Jahrestagung 2024 dem Thema Kant und die Rezeption der Aufklärung.

Kants Name ist untrennbar mit seiner Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung“ verbunden. Der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündig­keit“ wurde zu einer Zeit als Aufforderung zum Selbstdenken verstanden, als die Aufklärung bereits auf zahlreiche Denker wie Locke, Leibniz, Voltaire oder Diderot zurückblicken konnte und als sie bald durch die Romantik abgelöst werden sollte. Sein sapere aude ist jedoch bis heute aktuell geblieben. Diese Aufforderung zum Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, ist nicht mit der Anhäufung von Wissen gleichzusetzen, das stets relativ ist und durch die Wissenschaften erweitert und korri­giert werden kann. Wenn etwas für uns als Gegenstand erkennbar sein soll, muss es den Bedingungen menschlicher Erkenntnis in Raum und Zeit entsprechen, sonst ist es ein Ding an sich und damit für uns Menschen unerkennbar.

Wie wurde Kant in den Wissenschaften rezipiert und welche Herausforderungen brachte seine Transzendentalphilosophie für einige von ihnen mit sich? An einigen Beispielen soll diese Frage in Beiträgen der Jahrestagung behandelt werden. Kants Kritik der reinen Vernunft ist ein Meilenstein der Philosophiegeschichte, sein Begriff der menschlichen Würde prägt bis heute unsere ethischen Vorstellungen und seine Theorie des ewigen Friedens ist von hoher Aktualität. Kant entwickelte die Idee der menschlichen Geschichte als eines stetigen Fortschritts, der zwar von Rückschlägen unterbrochen ist, aber in einer globalen Weltfriedensordnung zwischen demokrati­schen und liberalen Rechtsstaaten ankommt. In seinem Buch Zum ewigen Frieden erwartet er, dass sich Fortschritte zunächst aus Eigeninteresse ergeben werden, weil die Folgen des Krieges zu grausam sind. Das Ergebnis der französischen Revolution, Demokratie, Republik und Volkssouveränität, schätzt er, den revolutionären Weg dahin sieht er jedoch als nicht rechtmäßig an. Der kategorische Imperativ, dass man nur nach solchen Regeln handeln soll, die auch für alle anderen gelten können, verankert unser Wollen und Handeln in der Vernunft.

Die Aufforderung zum Selbstdenken genügt insofern nicht, als sich viele zwar auf dem Weg zur Mündigkeit befinden, dabei aber noch keinen „sicheren Gang tun“ und mangels Übung bei dem Versuch des Selbstdenkens Fehler machen. Kant betonte in einem Zeitalter der Aufklärung, jedoch noch nicht in einem aufgeklärten Zeitalter zu leben. Diese Feststellung könnte bis heute Gültigkeit haben.

Programm

13.00 Uhr

Gerda Haßler, Präsidentin der LS

Begrüßung und Eröffnung

13.15 Uhr

Heiner F. Klemme (Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg

Humanität und Selbsterhaltung. Kant oder Heidegger?

Diskussion

14.30 Uhr

Hermann Klenner (MLS):

Immanuel Kant im Widerstreit um Frankreichs Revolution

Diskussion

15.15 Uhr

Pause

15.45 Uhr

Hans-Christoph Rauh (Berlin):

Wie wirkte Kant aufklärerisch-kritisch in der DDR-Philosophie?

Diskussion

16.30 Uhr

Gerda Haßler (MLS):

Kants Herausforderung an die Sprachtheorie

Diskussion

17.15 Uhr

Annette Vogt (MLS):

Mathematiker als Kantianer?

Diskussion

18.00 Uhr

Ulrich Busch (MLS):

Kant, Fichte, Goethe – unterschiedliche Antworten auf die Frage nach der Funktionalität des Geldes

Diskussion

18.30 Uhr

Gründung des Arbeitskreises Wissenschaftsgeschichte


 

Abstracts

Heiner F. Klemme (MLU Halle-Wittenberg)

Humanität und Selbsterhaltung. Kant oder Heidegger?

Begriffe wie Humanität und Selbstherrschaft, Mündigkeit und Selbsterhaltung konkretisieren nach Kant den Grund und das Ziel unseres ethischen und rechtlich-politischen Handelns. In einem ersten Schritt wird die Bedeutung dieser Begriffe bei Kant umrissen. In einem zweiten Schritt wird Martin Heideggers einflussreiche Kritik am Humanismus vorgestellt, mit der er sich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegen das Erbe der Aufklärung wendet. In einem dritten Schritt wird Heideggers Kritik in der Absicht, den philosophischen Gehalt und die überzeitliche Bedeutung von Kants Position zu bestimmen, ihrerseits einer Kritik unterzogen. Aus der Perspektive von Kants Konzeption der Humanität betrachtet steht Heideggers Denken mit seiner Negation von Philosophie, Ethik und Wissenschaft im Dienste einer Politik der Unmündigkeit. Gerade die Auseinandersetzung mit Heidegger zeigt, dass Kants Philosophie der Selbsterhaltung der Vernunft nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Hermann Klenner (MLS, Berlin)

Immanuel Kant im Widerstreit um Frankreichs Revolution:

Auf der Grundlage der beiden von mir im Akademie-Verlag herausgegebenen Editionen: Kant, Rechtslehre. Schriften zur Rechtsphilosophie, Berlin 1988, und: Burke/Gentz, Über die Französische Revolution, Berlin 1991, werden die scharfen Gegensätze zwischen dem englischen bürgerlichen Konservatismus, der deutschen Feudal-Reaktion einerseits und andererseits Immanuel Kants Zustimmung zur französischen Revolution erörtert, an der er „dem Wunsche nach, der nahe an Enthusiasmus grenzt“, meinungsmäßig teilnahm.

Hans-Christoph Rauh (Berlin)

Wie wirkte Kant aufklärerisch-kritisch in der DDR-Philosophie?

Immanuel Kant (1724-1804) hatte es nachkriegszeitlich im Rahmen der allein vorherrschenden marxistisch-leninistischen DDR-Philosophie des dialektischen und historischen Materialismus von Anbeginn schwer, überhaupt anerkannt und unvoreingenommen rezipiert zu werden, so wie das bei Hegel wegen der dialektischen Methode und Feuerbach wegen des Materialismus und der Religionskritik schon etwas einfacher war. Selbst Herder (1953) und Fichte (1962) fanden bereits weit früher ihre nationalgeschichtliche (patriotische und revolutionsphilosophische) Anerkennung; Leibniz, der Gründer unserer Akademie, sogar schon 1946 zu seinem 300. Geburtstag mit Hilfe sowjetischer Kulturoffiziere. Trotz frühzeitiger Versuche, Kant (ganz nach dem neukantianischen Muster vorkritisch und hauptkritisch) differenzierter (jedoch nicht ganzheitlich) zu sehen, führte dazu, ihn vor allem „naturmaterialistisch“ (Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, 1755) bzw. lediglich „vordialektisch“ (Antinomien der Kritik der reinen Vernunft,1781/87) zu sehen; mit Lenin (1908) streitideologisch und parteiphilosophisch als eine unannehmbare „Aussöhnung des Materialismus mit dem Idealismus“. Die transzendentale Vernunftkritik wurde als „Tranzendental-Idealismus“ denunziert und die „kopernikanische Wende“ seiner sog. „Revolution der Denkungsart“ (nicht des Denkens oder gar der Philosophie) wurde agnostizistisch (abstrakt-spekulativ, nicht widerspiegelungsgerecht) und ideologiekritisch (als idealistische Verkehrung bzw. spekulative Konstruktion) missverständlich bezeichnet. Ein erstmalig 1954 durch Ernst Bloch angeregtes Kant-Gedenken (zu seinem 150. Todestag) wurde selbst als angekündigte „Arbeitskonferenz“ aller neumarxistischen DDR-Philosophen in Leipzig kurzfristig von SED-Instanzen untersagt, weil eine parteiphilosophische ML-Einordnung Kants (als Hauptreferat) nicht vorlag. Erst nachdem 1970 ein Internationaler Hegel-Kongress in Berlin (zu dessen 200. Geburtstag) stattgefunden hatte, kam es mit sowjetphilosophischer Ausrichtung in Berlin 1974 zu einer marxistisch-leninistischen Kant-Würdigung (zu seinem 250. Geburtstag), in deren Folge nun auch Kant mit zu einer „theoretischen Quelle des Marxismus“ parteiamtlich erklärt wurde; mit einer fundierten und eigenständigen Kantforschung hatte das natürlich nichts zu tun. Trotzdem wirkte Kant wie kein anderer Mitbegründer der klassischen deutschen (immer nur „bürgerlich-idealistisch“ genannten) Philosophie aufklärerisch-kritisch in die DDR-Philosophie hinein, wenn auch das zumeist nur „persönlich“ eingeschränkt, also bildungs- und philosophiegeschichtlich geschah und nachweisbar ist.

Gerda Haßler (Universität Potsdam, MLS)

Kants Herausforderung an die Sprachtheorie

Der Begriff des Transzendentalen stellte ein seit zwei Jahrhunderten funktionierendes kognitives Modell in Frage, das unter anderem zur Entwicklung einer eigenen Semantiktheorie geführt hatte, die auf einer anthropologischen Interpretation des Gegensatzes zwischen Arbitrarität und Natürlichkeit beruhte. Der neue, transzendentale Formbegriff hebt die Vereinbarkeit mit der Auffassung von Sprache als semiotisch geformter und transformierter Erfahrung auf. In diesem Beitrag sollen drei verschiedene Richtungen von Antworten der Sprachtheorien auf die transzendentale Herausforderung behandelt werden. (1) Versuche einer Neubegründung der Allgemeinen Grammatik aus der transzendentalen Logik Kants führten zur Ablehnung der empirischen Methode und damit zur Ablehnung durch die professionelle, historisch-vergleichend arbeitende Linguistik. (2) Die vor allem von Humboldt vertretene Sprachphilosophie betrachtet Sprache nicht mehr als Element der Analyse, sondern als eigenständige Kraft, deren Wirken weder biologisch noch aus der Struktur der Welt erklärbar ist. Die Sprache selbst wird somit zum transzendentalen Element. (3) Die Rückführung der Nichtabstraktion von den sprachlichen Formen auf die organische Konstitution des Menschen erlaubt es, die Einheit von Sprache und Welt wiederherzustellen. Sie liegt Herders Position in der Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft (1799) zugrunde, bleibt aber als Tendenz in der Gesamtentwicklung deutlich minoritär.

Annette Vogt (Berlin, MLS)

Mathematiker als Kantianer?

In der Mathematikgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – bis zum einschneidenden Bruch 1933 – wird meist davon ausgegangen, dass Mathematiker in Deutschland, die sich mit Philosophie beschäftigten, eher Kantianer waren. Diese Hypothese soll im Vortrag auf Grund einer speziellen Analyse geprüft werden. Am Beispiel Berliner Promovenden in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften sowie Philosophie wird dargelegt, ob diese Annahme zutreffend ist. Der Vortrag stellt eine Analyse der Promotionen an der Philosophischen Fakultät, zu der bis zur Trennung 1936 die Mathematik und die Naturwissenschaften gehörten, der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zwischen 1895 und 1933/36 vor. Bis 1933 war an der Berliner Universität die Philosophie zwingend als Nebenfach bei allen Promotions-Prüfungen vorgeschrieben, auch in Mathematik und Naturwissenschaften. Erstens werden im Vortrag die Rahmenbedingungen an der Berliner Universität skizziert. Zweitens erfolgt eine Übersicht der Anforderungen im Nebenfach Philosophie, wie sie auf Grund der überlieferten Fragen in den Promotions-Prüfungs-Protokollen rekonstruierbar sind (die jeweiligen Antworten der Promovenden sind nicht überliefert). Drittens werden die Promotionsthemen im Hauptfach Philosophie vorgestellt. Dadurch wird die Langzeit-Analyse über den Zeitraum von 40 Jahren möglich, die Aufschlüsse darüber gibt, ob und wie Kants Philosophie an der Berliner Universität tradiert und rezipiert wurde.

Ulrich Busch (MLS, Berlin)

Kant, Fichte, Goethe – unterschiedliche Antworten auf die Frage nach der Funktionalität des Geldes

Immanuel Kant hat kein ökonomisches Werk hinterlassen und Äußerungen zur Wirtschaft oder zu ökonomischen Kategorien finden sich nur sehr vereinzelt bei ihm. Dies unterscheidet Kant von anderen Philosophen seiner Zeit, so von Adam Smith, David Hume, Jean-Jacques Rousseau, Edmund Burke, Johann Gottlieb Fichte oder Adam Müller. Nichtsdestotrotz hat Kant die zentrale Bedeutung der Ökonomie einschließlich ihrer monetären Dimension in den 1790er Jahren erfasst und in ihren praktischen Konsequenzen begriffen. Dies fand in seinem Spätwerk Metaphysik der SittenBerücksichtigung. Seine Aussagen zum Geld orientieren sich am Liberalismus von Adam Smith. Sie sind vor allem von politischer und ethischer Relevanz und als solche Bestandteil seiner Rechtslehre. Der Position von Kant wird die gänzlich andere Behandlung des Geldes in der Utopie Der Geschlossene Handelsstaat von Fichte gegenübergestellt. Im Anschluss wird gezeigt, wie Goethe in seiner Faust-Dichtung das Geldproblem philosophisch-literarisch behandelte.

 


 

Vorstellung der Referenten

Ulrich Busch legte 1969 in Magdeburg das Abitur ab und erlernte in der Notenbank den Beruf eines Bankkaufmanns. Anschließend studierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin Finanzökonomie. 1976 wurde er zum Dr. oec. promoviert. Danach übernahm er eine leitende Funktion in der Staatsbank der DDR. 1981 wechselte er an die Humboldt-Universität, erwarb die Facultas Docendi und habilitierte sich 1984 auf dem Gebiet der Finanzwissenschaft. 1987 wurde er zum ord. Dozenten für Politische Ökonomie berufen. In den Jahren 1990 bis 1993 wirkte er aktiv mit am Neuaufbau der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der HU. Nach der Abwicklung der Fakultät und dem Auslaufen seines Arbeitsverhältnisses mit der HU (1997) arbeitete er als Dozent für VWL, als Leiter wissenschaftlicher Projekte sowie im privaten Bankwesen. Zuletzt war er an der Technischen Universität Berlin beschäftigt. Zudem wirkte er als Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Budapest und der Université Paris 8, als Dozent an der Frankfurt School of Finance & Management sowie an einer Reihe weiterer in- und ausländischer Universitäten. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Geldtheorie und -politik; Transformation sowie ökonomische Aspekte der deutschen Vereinigung. Ulrich Busch ist seit 2009 Mitglied der Leibniz-Sozietät. Von 2010 bis 2021 war er Mitglied des Präsidiums und Schatzmeister der Sozietät.

Gerda Haßler wurde 1953 in Werdau geboren. Sie studierte Romanistik und Slavistik an der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg, erwarb 1974 das Diplom und war danach wissenschaftliche Assistentin an den Wissenschaftsbereichen Allgemeine Sprachwissenschaft und Slavistik. 1978 erfolgte die Promotion mit einer Arbeit zu Sprachtheorien der Aufklärung. Nach einem postgradualen Studium an der Lomonosov-Universität Moskau und dreijähriger Tätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Zwickau wurde sie ab 1982 in eine B-Aspirantur an der Martin-Luther-Universität aufgenommen. 1984 erfolgte die Habilitation für allgemeine Sprachwissenschaft mit einer Arbeit zur Entwicklung des semantischen Wertbegriffs vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. 1985 wurde sie zur Hochschuldozentin und Leiterin des Wissenschaftsbereichs Romanistik an der Universität Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg ernannt. 1992 erfolgte der Ruf auf einen Lehrstuhl für Romanistik / Sprachwissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Von 1993 bis 2020 war sie Universitätsprofessorin für Linguistik und angewandte Sprachwissenschaft (Romanistik) an der Universität Potsdam. Von 2001 bis 2006 war sie Prorektorin dieser Universität. Sie hat 25 Sammelbände herausgegeben und ist Autorin von sechs Monographien sowie von über 400 wissenschaftlichen Artikeln. Ihre Forschungsschwerpunkte sind funktionale Grammatik und Prag­matik der romanischen Sprachen, Geschichte der Sprachwissenschaft und des Sprachbewusstseins vom 17. Jh. bis zur Gegenwart, Diskurstraditionen und ihre Ausprägung in Kollokationen und Begriffsformationen. Sie ist Mitglied (seit 2018) und Präsidentin (seit 2021) der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.

Heiner F. Klemme, geboren 1962 in Ahnsen, erwarb 1981 das Abitur am Gymnasium Ernestinum in Rinteln. Ab 1982 studierte er Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie in Marburg, Edinburgh und Bonn. Den Magister Artium erwarb er an der Philipps-Universität Marburg 1990, wo er im Anschluss bis zu seiner Promotion 1995 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Reinhard Brandt tätig war. Danach ging er an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als Assistent, nach seiner Habilitation 2003 als Oberassistent. Im Wintersemester 2004/2005 nahm er eine Vertretungsprofessur für Geschichte der Philosophie an der Universität Marburg wahr, im darauffolgenden Winter die Professur für Philosophie mit Schwerpunkt praktische Philosophie an der Bergischen Universität Wuppertal, auf die er 2006 den Ruf erhielt. 2008 wechselte er nach Mainz auf die Professur für Philosophie der Neuzeit mit Schwerpunkt in der Philosophie Kants am Philosophischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und wurde Leiter der dortigen Kant-Forschungsstelle. Zum Wintersemester 2014/2015 wurde er an die Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen, wo er seitdem als Professor für Philosophiegeschichte und Leiter des Immanuel-Kant-Forums tätig ist. Er nahm mehrere Gastprofessuren wahr, wie die eines Guest Professor an der School of Philosophy, Wuhan University (China) von 2012-2015, als Visiting University Scholar an der Western University, London/ON (Kanada) im Oktober 2014 und als Gastprofessor an der Universidade Estadal Paulista (Brasilien) im September 2007. Er leitete das DFG-Projekt „Kants Begriff der (Un-)Mündigkeit in historischer und systematischer Perspektive“ (2018-2022) und das Projekt „KANTINSA. Kant in South America“ (Europäische Verbundförderung gefördert durch Horizon 2020. Excellent Science, Marie Sklodowska-Curie RISE). Außerdem war er Sprecher der Internationalen Graduiertenschule „Verbindlichkeit von Normen der Vergesellschaftung“ (2018-2021). Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsch- und englischsprachige Philosophie der Aufklärung, insbesondere die Werke von Immanuel Kant und David Hume, die Philosophie der Neuzeit und der Gegenwart sowie die praktische Philosophie (Ethik und Rechtsphilosophie). Er ist Gründer und erster Vorsitzender der Christian-Wolff-Gesellschaft für die Philosophie der Aufklärung, Mitherausgeber der Kant-Studien und der Kantstudien-Ergänzungshefte und im Vorstand der Kant-Gesellschaft e.V. Bonn und Mitglied im Direktorium des „Interdisziplinären Zentrums zur Erforschung der europäischen Aufklärung“ (IZEA).

Hermann Klenner, geboren 1926 in Erbach, legte 1944 das Abitur ab und wurde danach zum Kriegsdienst einberufen. Er arbeitete bis 1946 als Bauarbeiter im Buna-Werk und studierte von 1946-1949 Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Danach war er Aspirant an der juristischen Fakultät der Universität Leipzig. Ab 1951 war er Dozent für die Fächer Theorie des Staats und des Rechts und Geschichte der Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 1952 zum Doktor der Rechte promoviert wurde. Missfallen der politischen Führung führte zu seiner Abberufung und zeitweiligem Publikationsverbot. Von 1958-1960 war er Bürgermeister einer Gemeinde im Oderbruch. Von 1960-1967 war er Professor am Institut für Wirtschaft- und Internationales Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Ökonomie in Karlshorst und habilitierte sich dort 1964. Von 1967-1969 war er Leiter der Arbeitsstelle für Rechtswissenschaft an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Von 1969-1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie. Er wurde zu einem international bekannten Vertreter marxistischer Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtsauffassung. 1978 wurde er Korrespondierendes und 1987 Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR. Er verfasste zahlreiche Publikationen zur Rechtsphilosophie, zu Recht und Gerechtigkeit sowie zur Geschichte der Rechtsphilosophie. In seinen Arbeiten befasste er sich auch mit Kants Entwurf „Zum ewigen Frieden“. Seine rege Publikationstätigkeit reicht bis in die Gegenwart. Hermann Klenner ist seit 1993 Gründungsmitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.

Hans-Christoph Rauh wurde 1939 in Brandenburg/Havel geboren. Er studierte Philosophie mit einer naturwissenschaftlichen Nebenfachausbildung an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1964–1968 arbeitete Rauh als wissenschaftlicher Assistent im Lehrbereich (Lehrstuhl) Logik und Erkenntnistheorie (Leiter Georg Klaus und Dieter Wittich); 1969 promovierte er mit einer Arbeit „Zum Problem der ,verkehrten Widerspiegelung‘ bei Marx. Ein Beitrag zu Geschichte, Inhalt und Funktion des marxistischen Ideologiebegriffs“. 1978 habilitierte er sich (Promotion B) zum Thema „Erkenntnistheorie als Ideologiekritik“ und es erfolgte die ministerielle Ernennung zum Hochschuldozenten. Von 1978 bis 1982 war er Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (DZfPh). Nach seiner Absetzung als Chefredakteur und Publikationseinschränkungen erfolgte 1986 eine Versetzung und Berufung als Professor für Dialektischen Materialismus (Erkenntnistheorie) ins Fernstudium Philosophie an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Gegen die Abwicklung des Instituts Ende 1990 prozessierte er, auch im Interesse einiger Mitarbeiter, erfolgreich und es erfolgte eine Weiterbeschäftigung an der Universität Greifswald. Danach erhielt er wieder Lehraufträge am Institut für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 1996 initiierte er verschiedene (teilweise gemeinschaftliche) Projekte zur umfassenden historisch-kritischen Aufarbeitung der DDR-Philosophie 1945–1995, wozu eine von ihm verantwortete mehrbändige Publikationsreihe im Ch. Links Verlag Berlin erschien und 2021 mit einem Band im De Gruyter Verlag abgeschlossen wurde.

Annette Vogt, geboren 1952 in Lutherstadt Eisleben, studierte Mathematik und Physik an der Universität Leipzig (Diplom 1975) und promovierte dort in Mathematikgeschichte. Von 1975 bis 1991 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der AdW der DDR im Bereich Wissenschaftsgeschichte, von 1992 bis 1994 am Forschungsschwerpunkt Wissenschaftsgeschichte und -theorie in Berlin, ab 1994 am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, seit September 2018 als Emeritus Scholar. Ab 1997 bot sie Lehrveranstaltungen zur Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität an, seit 2008 zur Geschichte der Statistik und zur Geschichte ökonomischen Denkens an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der HU Berlin, hier seit 2014 Honorar-Professorin. Sie hatte seit 1997 Ämter in der internationalen scientific community und ist Mitglied der IAHS (International Academy for History of Science, 2016 Full Member). Seit 2020 ist sie Mitglied der Leibniz-Sozietät. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Mathematik, die Geschichte jüdischer Wissenschaftler und die Geschichte der Wissenschaftlerinnen in Europa im 19. und 20. Jh. in vergleichender Perspektive. Ihr aktuelles Forschungsprojekt untersucht die Entwicklung der Statistik zwischen Mathematik und Ökonomie von 1860 bis 1960 mit einem speziellen Fokus auf Berlin.