Bericht zum Kolloquium „Die Energiewende 2.0: Review zum Transformationsprozess des Energiesystems in Deutschland“

Am 21. Juni 2024 führte die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin in Zusammenarbeit mit der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam, und dem Leibniz-Institut für interdisziplinäre Studien e.V. das Kolloquium „Die Energiewende 2.0: Review zum Transformationsprozess des Energiesystems in Deutschland“ durch. Das Kolloquium setzte eine Vortragsreihe zu energiebezogenen Themen fort, deren Ausgangspunkt die 5. Jahrestagung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. im Jahre 2012 zum Thema „Energiewende – Produktivkraftentwicklung und Gesellschaftsvertrag“ war. In den zurückliegenden Jahren wurden bereits verschiedene Aspekte der Energiewende systematisch betrachtet (6 Kolloquien und 2 Disputationen).

Die Vortragenden des Kolloquiums; von links: Kerstin Becker, Uwe Witt, Caroline Marina Kohl, Gerhard Banse, Norbert Mertzsch, Ernst-Peter Jeremias, Michael Thomas, Christian Reymann, Gerhard Pfaff (es fehlen Björn Egbert, Philipp Godron, Weert Canzler). Foto: Wolfgang Methling.

Im Vortragsraum an der Universität Potsdam, Campus Griebnitzsee, begrüßte der Sekretar der Klasse für Naturwissenschaften und Technikwissenschaften der Leibniz-Sozietät Gerhard Pfaff die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kolloquiums. Diese nahmen sowohl in Präsenz als auch per Zoom am Kolloquium teil. In seinen Ausführungen wies Gerhard Pfaff auf die lange Tradition der wissenschaftlichen Behandlung des Themas „Energiewende“ in der Leibniz-Sozietät hin und hob die große Bedeutung der Energie-Problematik im Zusammenhang mit den klimapolitischen Veränderungen in Deutschland und in der Welt hervor.

Anschließend übernahm Wolfgang Methling (Vizepräsident der Leibniz-Sozietät) die Moderation der Veranstaltung.

Den wissenschaftlichen Einführungsvortrag von Ernst-Peter Jeremias, Norbert Mertzsch und Gerhard Pfaff (alle MLS) hielt Ernst-Peter Jeremias. Der Vortrag ging u. a. darauf ein, dass in der Energiewirtschaft bereits deutliche Emissionsreduktionen erreicht wurden, insbesondere durch den Rückgang der Kohleverstromung. Der Anteil der Einkommensenergien am Strommix überschritt 2023 erstmals die 50%-Marke, was die Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung unterstreicht.

Im Industriesektor führten Produktionsrückgänge 2023 in energieintensiven Branchen zu einer 12-prozentigen Emissionsreduktion gegenüber dem Vorjahr. Die großen Aufgaben der Transformation in der Stoffwirtschaft stehen aber erst noch bevor.

Im Gebäudesektor wurden die gesetzlichen Klimaziele für 2023 erneut verfehlt. Die Quote der energetischen Sanierungen ist im Sinken begriffen, obwohl die Baubranche nicht ausgelastet ist. Der hohe Anteil fossiler Heizsysteme bleibt weiter ein kritischer Punkt.

Auch der Verkehrssektor hat 2023 seine Klimaziele nicht erreicht, mit einem stagnierenden Anteil von Elektroautos, der weit unter dem Niveau liegt, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Der öffentliche Nahverkehr hat trotz der Einführung des Deutschlandtickets keine signifikante Emissionsreduktion erreicht.

Die Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für die Energiewende bleibt entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Transformationsprozesse, insbesondere im Hinblick auf die Elektromobilität und die Digitalisierung. Zu deren Sicherung setzt sich Deutschland aktiv für die Einhaltung strenger Umwelt- und Menschenrechtsstandards in den Lieferketten dieser Rohstoffe ein.

Die soziale und politische Dimension der Energiewende ist durch eine breite Palette von Reaktionen in der Bevölkerung gekennzeichnet, von Unterstützung bis zu Widerstand, was die Notwendigkeit einer besseren und transparenteren Kommunikation und die Förderung sozialer Gerechtigkeit unterstreicht. Die Kostenverteilung der Energiewende, insbesondere die Auswirkung auf einkommensschwache Haushalte, erfordert sorgfältige Überlegungen und Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Akzeptanz.

Der Vortrag stellte die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen bei der Energiewende dar und zeigte die Komplexität bei der Erreichung der angestrebten Klimaziele auf. Trotz einiger beachtlicher Erfolge sind weiterhin erhebliche Anstrengungen erforderlich, um eine nachhaltige und umfassende Energiewende in Deutschland zu realisieren und diese dauerhaft zu stabilisieren. In seinen Schlussbemerkungen wies Ernst-Peter Jeremias nochmals auf folgende Sachverhalte hin:

  • Visionen sind weiterzuentwickeln und vor allem in der Gesellschaft verständlich zu kommunizieren.
  • Es besteht die Dringlichkeit einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im Sinne eines ganzheitlichen Prozesses.
  • Herausforderungen annehmen und Fortschritte organisieren.
  • Wiedererlangung von Technologieführerschaften.
  • Integration technischer, wirtschaftlicher und sozialer Strategien.
  • Verzug beim Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze.
  • Es bleiben gravierende Risiken für das Erreichen der energiepolitischen Ziele!
  • Heute bestehende Defizite kann man aber nicht nur der aktuellen Regierung anlasten.

Björn Egbert und Caroline Marina Kohl (Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam) gingen in ihrem Vortrag zum Thema „Bildungsbedarfe zur Nachhaltigen Entwicklung unter den Zielkategorien Energie und Energiewende“, der von Caroline Marina Kohl gehalten wurde, auf die Herausforderungen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an allgemeinbildenden Schulen unter einem naturwissenschaftlichen und technischen Schwerpunkt und mit Blick auf die Aspekte Energie und Energiewende ein. Der Fokus lag dabei auf der Rolle des unscharfen Leitkonzepts BNE, der curricularen Verankerung der fachwissenschaftlichen Grundlagen der Aspekte Energie und Energiewende, der aktuellen Forschungsstände sowie auf konzeptionellen Überlegungen zur systematischen Auseinandersetzung mit eben diesen existenziellen Unterrichtsgegenständen.

„Deutschland bis 2045 klimaneutral?“ lautete der Titel des Vortrags von Uwe Witt (Rosa-Luxemburg-Stiftung). Der Referent verwies darauf, dass von der Europäischen Union und der Bundesregierung in den letzten Jahren Weichen gestellt wurden, um die Dekarbonisierung von Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäuden zu beschleunigen. In einigen Bereichen zeigen sich Erfolge (etwa Ökostromausbau, Kohleausstieg), in anderen drohen dramatische Zielverfehlungen. Ursachen für letztere sind falsche oder fehlenden Instrumentierungen sowie das riskante Setzen auf ungeeignete technologische Lösungen. Dies gilt insbesondere für den Verkehrs- und den Gebäudesektor, wo beispielsweise „grüne Gase“ von Lobbygruppen und relevanten Teilen der Politik konzeptionell als Joker dafür genutzt werden, effizientere und preiswertere Transformationsprozesse zu verzögern, um fossile Geschäftsmodelle länger im Markt zu halten. Problematisch im Mobilitätsbereich sind aber auch jene Konzepte, die suggerieren, Elektromobilität könne den heutigen Pkw-Bestand eins zu eins ersetzen, anstatt eine echte Verkehrswende voranzutreiben. Über allem schweben neue Ressourcenkonflikte, da Kreislaufwirtschaft und Suffizienz eine zu geringe Rolle spielen. Hinzu kommen bislang ungelöste und neu entstehende Verteilungskonflikte, die nicht nur den ökologischen Umbau bedrohen, sondern auch die Demokratie. Im Vortrag wurden die skizierten Erfolge bzw. Defizite und deren Ursachen benannt sowie Lösungswege aufgezeigt.

Zum Thema „Transformation und Energiewende – eine ambivalente Beziehung“ machte Michael Thomas (MLS) Anmerkungen aus soziologischer Sicht. Er zeigte, dass soziologische Forschung wichtige Beiträge zu den (sozialen) Voraussetzungen und (sozialen) Folgen der Energiewende erbringen kann. Und sie tut das. Dennoch wäre allein eine solche Beziehung möglicherweise deterministisch bzw. einseitig. Ausgehend von der soziologischen Frage nach gesellschaftlicher Transformation ist eine solche Ergänzung bzw. Parallelisierung der Perspektiven nicht ausreichend. Vielmehr lässt sich ein Bedingungsverhältnis ausmachen, zeigen sich Durchdringung bzw. Abhängigkeit – eine hochgradig ambivalente Symbiose. Zugespitzt gilt: Keine Transformation ohne Energiewende, keine Energiewende ohne Transformation. Insofern schloss der Beitrag entsprechend der Ausrichtung auf „Review“ zunächst an das in der Tagung 2012 entwickelte Grundverständnis und diesbezüglich formulierte Fazit an: „Es gibt gute Gründe, die angeführten Leitbegriffe und Leitkonzepte nicht zu verabschieden.“ Der Forschungs- und Diskussionsstand (auch aus der Leibniz-Sozietät) liefert zudem vielfältige Belege.

Nach einer knappen Begriffsbestimmung (Transformation, Energiewende 2.0) wurde das ambivalente Bedingungsverhältnis als Fazit fehlgeschlagener Transformation in Ostdeutschland nachgezeichnet bzw. an markante Aspekte erinnert. Soziologisch lässt sich von einer tragischen „Verlaufskurve“ sprechen, statt Erneuerung gibt es Stagnation. Anschließend wurde die gleichfalls ambivalente aktuelle Konstellation von Transformation und Energiewende umrissen. Die Energiewende oder Große Transformation – trotz zum Teil guter Zahlen – eher als „Versprechungsmaschine“?

An Beispielen wurden schließlich Ansätze transformativer Wissenschaft und Gestaltung aufgegriffen und an dem ambivalenten Beziehungsgefüge demonstriert. Unter Verwendung der Metapher „schwache Hoffnung“ (Jens Beckert) ließen sich offene Anschlussstellen markieren.

In seinem Vortrag „Die Behandlung der Energiewende in der Leibniz-Sozietät und im LIFIS – Ein Überblick“ gab Gerhard Banse (MLS) auf der Grundlage einer umfangreichen Zusammenstellung ein Überblick über Aktivitäten sowohl der Leibniz-Sozietät (LS) als auch des Leibniz-Instituts für Interdisziplinäre Studien (LIFIS) im Bereich „Energie“. Unter „Aktivitäten“ wurden sowohl wissenschaftliche Veranstaltungen (Einzelvorträge und Tagungen) als auch Publikationen und Projekte subsumiert. Es wurde erstens gezeigt, dass in der LS und im LIFIS relevante Probleme thematisch und methodisch seit ihrer jeweiligen Gründung (1993 bzw. 2002) vielfältig behandelt wurden. Dabei bzw. dafür spielte das Wirken mehrerer Arbeitskreise der LS eine gewichtige Rolle. Zweitens wurde gezeigt, dass sich im Laufe der Jahre das thematische Spektrum von grundsätzlicheren Themen („Kernenergie versus Solarzeitalter!“) zu differenzierenden Ansätzen („kritische Rohstoffe“, „Energiewende“) sowie die genutzten „Formate“ (vom Einzelvortrag hin zu Tagungen) verschoben haben. Dazu wurden drittens drei „Etappen“ bzw. „Phasen“ hinsichtlich der behandelten Themen und der genutzten methodischen Formen unterschieden: 1. Zeitraum von der Gründung der LS bis etwa 2001/2002; 2. Zeitraum von etwa 2001/2002 bis etwa 2014/2015; 3. Zeitraum von etwa 2014/2015 bis zur Gegenwart. Viertens zeigt die Bestandsaufnahme, dass technikbezogene Darstellungen generell überwiegen. Ökonomische, ökologische, soziale, kulturelle, anthropologisch-humane und ethische Aspekte wurden weniger systematisch betrachtet (Abnahme in der genannten Reihenfolge!). In diesem Zusammenhang wurde fünftens kurz auf Technikfolgenabschätzung und Lebenszyklusanalysen auch als für die „Energiewende“ sinnvoll anwendbare Mittel eingegangen. Als Fazit der Bestandsaufnahme wurde im Vortrag konstatiert: Insbesondere mit den Publikationen liegt ein wissenschaftlicher Fundus vor, der aber weder in der LS und im LIFIS noch – und vor allem – „extern“ ausreichend genutzt wird.

Philipp Godron (Agora Energiewende) wies in seinem Vortrag „Stromwende – Stand und weitere Herausforderungen“ darauf hin, dass ein Stromsystem auf der Basis von 100 Prozent Erneuerbaren Energien die Voraussetzung für eine klimaneutrale Energieversorgung ist. In einer klimaneutralen Volkswirtschaft steht Strom aus Windkraft und Solarenergie am Anfang beinahe jeder Energieversorgungskette, sei es um Haushalte und Industrie mit fossilfreier, strombasierter Wärme zu versorgen, Elektroautos zu laden oder grünen Wasserstoff für die Industrie und Kraftwerke herzustellen.

Obwohl der Gesamtenergiebedarf perspektivisch sinkt, wird der Strombedarf durch die zunehmende Elektrifizierung etwa von Verkehr, Wärmebereitstellung für Haushalte und Industrieprozesse steigen. Auch dieser zusätzliche Strombedarf muss klimaneutral erzeugt werden. Der massive Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen und der damit verbundene Ausbau der Stromnetze sind daher zentrale Bestandteile einer gelingenden Energiewende.

Die Ampel-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 Prozent an einem auf 750 Terawattstunden gestiegenen Stromverbrauch in Deutschland zu erhöhen. Hierfür wurden umfangreiche Maßnahmen zum Erhöhen der Ausbauzahlen von Wind an Land und auf See sowie Photovoltaik in die Wege geleitet. Wind- und Solarkraftwerke können konventionelle, regelbare Kraftwerke allerdings nicht eins zu eins ersetzen. Es gilt daher das System an die Erzeugereigenschaften von Erneuerbaren Energien anzupassen. Flexibilität wird zum Paradigma: Die Infrastruktur trägt zum geographischen und zeitlichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage bei, Verbraucher wie Wärmepumpen, Autobatterien oder Elektrolyseure passen ihren Energiebezug an die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien an, Batteriespeicher und Wasserstoffkraftwerke gleichen kurzfristige und saisonale Schwankungen aus und sichern die Versorgung ab.

2023 betrug der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch erstmals über 50 %, die Kohleverstromung fiel mit 132 TWh ebenso wie die Emissionen auf einen historischen Tiefstand. Mit einem Zubau von 14,4 GW übertraf die Photovoltaik den bisherigen Rekord aus 2012 um 6,2 GW. Zugleich bleiben wesentliche Herausforderungen ungelöst: Der Ausbau der Windkraft hinkt den Zielmarken des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes deutlich hinterher, die Kraftwerkstrategie der Bundesregierung ist bislang erst in Ansätzen entwickelt. Sorge bereiten zudem den Bundeshaushalt betreffende Herausforderungen in Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie der Ausblick auf die Strompreisentwicklung – trotz deutlicher Erholung nach der fossilen Preiskrise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

Der Vortrag bot eine Bestandsaufnahme des Stromsektors im Jahr 2024 und der Herausforderungen für die kommenden Jahre sowie einen Ausblick auf einen Transformationspfad hin zu einem Stromsystem im Jahr 2035, das ohne fossile Energieträger auskommt.

Den Vortrag „Wärmewende – Stand und weitere Herausforderungen“ von Kerstin Becker (Ingenieurbüro Deine Fernwärme), Ernst-Peter Jeremias (MLS) und Christian Reymann (tetra ingenieure GmbH) hielt Christian Reymann. Er zeigte, dass das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 in Deutschland eine klimaneutrale Wärmewirtschaft zu erreichen umfassende Anstrengungen in allen Bereichen des Wärmesektors, von der klimaneutralen Wärmebereitstellung über die Reduzierung des Wärmeverbrauchs bis hin zur Senkung des Temperaturniveaus bei der Produktion und beim Verbrauch erfordert. Denn etwa 57 % des Endenergieverbrauchs in Deutschland im Jahr 2021 entfielen auf den Wärmesektor, der hauptsächlich in die Raumwärme, Prozesswärme und Warmwasser unterteilt wird. Die Optimierung des Wärmesektors ist somit zentral für die CO2-Reduktion und Energieverbrauchssenkung.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen vor, den Anteil erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor von derzeit (2023) 18,8 % bis 2030 auf 27 % zu steigern. Fernwärme, die besonders in urbanen Gebieten eine wichtige Rolle spielt, soll vorrangig aus erneuerbaren Quellen stammen.

Zur Dekarbonisierung der Fernwärme wird die Nutzung von Abwärme, Umweltwärme und nachhaltiger Biomasse vorgeschlagen. Fernwärmenetze sollen für eine effiziente Wärmebereitstellung verdichtet und ausgebaut werden. Die Energieeffizienz in Wohn- und Industriebereichen, die zusammen etwa 85 % des Wärmeverbrauchs ausmachen, muss durch Sanierung und moderne Haustechnik verbessert werden.

Es besteht eine klare Notwendigkeit, den Wärmesektor stärker in den Fokus der Energiewende zu rücken, um die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure sowie eine verstärkte Forschung und Förderung effizienter Technologien.

Der Vortrag konzentrierte sich auf die Bedeutung der Fernwärmeversorgung und die Herausforderungen in diesem Bereich.

Weert Canzler (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH) zeigte in seinem Vortrag Mobilitätswende – Stand und weitere Herausforderungen“, dass bei der Mobilitätswende vielfach nur das Auto gesehen wird. Der fossil betriebene Straßenverkehr hat sich zum Problemkind des Klimaschutzes entwickelt. Elektrische Antriebe auf Grundlage erneuerbarer Energie sind die naheliegende Antwort. Die Antriebswende hat begonnen, auch wenn sie derzeit stockt.

Es geht bei der Mobilitätswende aber um mehr. Es geht auch um die Überlastung der Straßen und des sonstigen öffentlichen Raumes durch den „ruhenden Verkehr“. Die Konkurrenz um den knappen städtischen Raum hat sich in den letzten Jahren zum einen deshalb verschärft, weil urbane Aufenthaltsqualität wichtiger geworden ist. Einen Schub gab es insbesondere während der Corona-Pandemie, in der der Nahraum von vielen Bürgerinnen und Bürgern neu entdeckt worden ist. Mittlerweile ist eine hohe urbane Aufenthaltsqualität zum Standortfaktor im Wettbewerb um Firmen und Fachkräfte geworden. Zugleich ist die Konkurrenz um den öffentlichen Raum auch zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern schärfer geworden. Mehr und größere Autos benötigen viel Platz, gleichzeitig erheben die alternativen Verkehrsträger Ansprüche auf eigene – geschützte und damit exklusive – Wege. Mehr Busspuren und protected bike lanes gibt es in der Regel nur dann, wenn Autospuren oder Parkplätze am Straßenrand umgewidmet werden.

Der Druck nimmt im Übrigen weiter zu: Bundesweit sind mittlerweile 49 Millionen Autos zugelassen, die im Schnitt auch ständig noch größer und schwerer werden. Gleichzeitig sinkt die Zahl der durchschnittlich gefahrenen Kilometer pro Fahrzeug und Jahr. Waren es 2015 noch über 14.000 Kilometer, sind es 2022 fast 2.000 Kilometer weniger. Je mehr Fahrzeuge, desto mehr werden sie zu Stehzeugen. Die Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamts sind Durchschnittszahlen für die ganze Bundesrepublik. In den Stadtstaaten liegen die durchschnittlichen Fahrleistungen noch einmal deutlich niedriger – in Berlin waren es zuletzt nicht einmal 9.500 Kilometer. In vielen Innenstadtquartieren ist für viele das Auto nur noch eine Art Mobilitätsreserve. Die meisten Wege werden längst zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bussen und Bahnen zurückgelegt. Damit verliert auch der Straßenbau seine Argumente.

Im Schlusswort dankte Gerhard Pfaff allen Vortragenden und Teilnehmern der Diskussion für ihre Beiträge. Es ist vorgesehen die Vorträge in einem Band der „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ zu publizieren. Die Weiterführung der Reihe der Kolloquien zum Thema „Energiewende“ ist vorgesehen.

Gerhard Pfaff, Ernst-Peter Jeremias und Norbert Mertzsch