Bericht vom Leibniz-Tag 2024
Bericht vom Leibniz-Tag 2024
Der Leibniz-Tag fand am 4. Juli 2024 in der Archenhold-Sternwarte statt. Er begann mit einer musikalischen Darbietung des Streichquartetts op. 71, Nr. 2 von Joseph Haydn durch das Darius-Quartett.
Danach begrüßte die Präsidentin die Anwesenden und die per Zoom zugeschalteten Teilnehmer. Sie erwähnte auch die Schreiben von Persönlichkeiten, die aufgrund anderer Verpflichtungen nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten und Erfolg wünschten. Dabei wurde insbesondere das Schreiben aus dem Bundeskanzleramt zitiert, in dem der Leibniz-Sozietät bescheinigt wird, dass sie „für akademische Exzellenz, intellektuelle Neugierde und den unermüdlichen Einsatz für die Verbreitung von Wissen und Bildung [steht]. Durch ihre vielfältigen Aktivitäten trägt sie maßgeblich zur Stärkung des wissenschaftlichen Diskurses bei und prägt die Zukunft der Forschung entscheidend mit.“
Die Nekrologe wurden durch die Vizepräsidentin Prof. Dr. Dorothée Röseberg verlesen. Seit dem letzten Leibniz-Tag sind 13 Mitglieder und Freunde der Leibniz-Sozietät verstorben. Die anwesenden Mitglieder gedachten der Verstorbenen in einer Schweigeminute. Die Folien zu den Nekrologen finden Sie hier.
Im Jahr des 300. Geburtstags von Immanuel Kant hatte die Präsidentin den Bericht mit Selbstdenken und die Pflicht zur Wahrhaftigkeit überschrieben. Kant hat die Aufforderung zum Selbstdenken gleich am Anfang seines Essays „Beantwortung der Frage: was ist Aufklärung?“ formuliert. Das Neue an Kants mit sapere aude formulierten Aufforderung zum Selbstdenken gegenüber dem „Entschluss zur Einsicht“ bei Horaz oder der Verwendung dieses lateinischen Sprichworts durch Gottsched als Überschrift auf einer Münze, auf deren Brustbild die Göttin der Weisheit Minerva mit einem mit den Gesichtern von Leibniz und Wolff geschmückten Helm zu sehen ist, besteht in der Selbstbefreiung des Menschen aus der Abhängigkeit vom Urteil anderer und in der damit verbundenen politischen Absicht.
Selbstdenken wird häufig auch als Abkehr von etablierten Meinungen oder vom sogenannten Mainstream interpretiert, wobei man sich auch an einfache Lösungen und Versprechen anschließen kann, was keinen Mut zum Gebrauch des eigenen Verstandes erfordert. Aufgabe der Wissenschaft bleibt es gerade in der gegenwärtigen Zeit, vor solchen einfachen Lösungen zu warnen und ihnen mit fundierten Analysen entgegenzutreten.
Die Präsidentin berichtete über die Plenarsitzungen und die Klassensitzungen, die seit dem letzten Leibniz-Tag zu einer breiten Palette von Themen stattfanden, Informationen vermittelten und zum Selbstdenken anregten. Außerdem fanden gleich zwei Jahrestagungen im Berichtszeitraum statt: am 19. Oktober 2023 die Tagung „30 Jahre Leibniz-Sozietät – 30 Jahre Wissenschaftsentwicklung“, die eine wissenschaftshistorische Tagung war und den Abschluss der Veranstaltungen zum 30. Jahrestag der Leibniz Sozietät bildete, sowie am 11. April die Jahrestagung 2024 zum Thema „Kant und die Rezeption der Aufklärung“, die nicht einfach eine weitere unter den vielen Kant-Veranstaltungen war, die in diesem Jahr anlässlich des 300. Geburtstags von Immanuel Kant stattfinden. Es ging um die Rezeption seiner Ideen, unter so verschiedenen Bedingungen wie der Wendung, die das Erbe Kants in Martin Heideggers einflussreicher Kritik am Humanismus erfuhr, dem Widerstreit um Frankreichs Revolution oder der DDR-Philosophie, aber auch um die sehr unterschiedliche Rezeption Kants in einigen Wissenschaften. Außerdem wurde über weitere Veranstaltungen, wie die Biesdorfer medizinischen Gespräche, die Fortsetzung der Reihe der Rohstoffkolloquien und der Kolloquien zur Energiewende und die Berliner Studientage sowie die Ehrenkolloquien für die Kollegen Wolfdietrich Hartung, Werner Krause und Erdmute Sommerfeld berichtet.
Auch zur Publikationstätigkeit der Leibniz-Sozietät konnte eine positive Bilanz gezogen werden. Seit dem letzten Leibniz-Tag sind zwei Bände der Abhandlungen erschienen und fünf Bände der Sitzungsberichte kamen heraus. Die Hefte 50 bis 52 von Leibniz Online sind erschienen und das Heft 53 steht unmittelbar vor dem Abschluss. In der Zeitschrift Symposium Culture@Kultur kam seit dem letzten Leibniz-Tag ein Heft zum Thema „Umgang mit Krankheit im öffentlichen Raum“ heraus. Dank der Förderung durch den Senat von Berlin konnten außerdem eine Reihe von individuellen Publikationsprojekten gefördert werden. Die Tendenz zu online zugänglichen Publikationsprojekten hat sich weiter verstärkt. Die Anzahl und die Qualität der von Mitgliedern in Verlagen außerhalb der Leibniz-Sozietät publizierten Bücher und Artikel zeigen, dass viele unserer Mitglieder aktuelle und innovative Forschungen betreiben und deren Ergebnisse in anerkannten Verlagen und Fachzeitschriften veröffentlichen. Das Ansehen der Leibniz-Sozietät wird durch das wissenschaftliche Renommee jedes einzelnen Mitglieds bestimmt. Weitere Möglichkeiten der Erhöhung der Sichtbarkeit der Sozietät, wie das Nennen der Zugehörigkeit zur Leibniz-Sozietät und die Erwähnung in Publikationen, wurden ebenfalls erwähnt.
Anknüpfend an Kants Unterscheidung zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit und die Debatte um sein Lügenverbot, erhob die Präsidentin die Forderung nach Wahrhaftigkeit in der Darstellung der Leibniz-Sozietät und im Umgang ihrer Mitglieder und wandte sich gegen eine Reduzierung des Aufklärungsbegriffs auf Belehrung und die Verbreitung vorhandenen Wissens. Abschließend wurden einige Perspektiven der Leibniz-Sozietät genannt und die Aufforderung formuliert, die beim Eintritt in das vierte Jahrzehnt der Existenz der Leibniz-Sozietät als Verein vorliegende positive Entwicklung fortzusetzen.
Der Bericht der Präsidentin wird demnächst in Leibniz Online zugänglich sein.
Danach wurde die Urkunden für 50jährige Mitgliedschaft in der Gelehrtengesellschaft an Prof. Dr. Erich Hahn übergeben.
Anschließend erfolgte die Urkundenübergabe an die sechzehn neu zugewählten Mitglieder der Sozietät. Die anwesenden Mitglieder legten kurz dar, wie sie ihre Kompetenzen in die Sozietät einbringen können.
Zum Abschluss des Vormittags wurden die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats und die beiden Co-Vorsitzenden, Prof. Dr. Rolf Hecker und Prof. Dr. Viktoria Weber, berufen.
Nach der Mittagspause stellte die Präsidentin den Festredner, Herrn Prof. Dr. Ralf Herbrich vor, der seit seiner Promotion an der TU Berlin im Jahr 2000 auf eine beeindruckende Karriere im Bereich der Grundlagenforschung in Großbritannien, den USA und Deutschland sowie sehr erfolgreiche Tätigkeit in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz in Unternehmen wie Zalando und Amazon zurückblicken kann und Professor für Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit sowie Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts Potsdam ist. Herr Herbrich hielt einen Vortrag zur künstlichen Intelligenz (KI). In der Forschung im Bereich der KI wird allmählich ein Wendepunkt erreicht, an dem die Vorhersagegenauigkeit nicht mehr das entscheidende Erfolgskriterium ist, sondern die Menge an Daten, Rechenleistung und letztlich Energie zum begrenzenden Faktor für künftige KI-Algorithmen wird. Die tiefgreifenden Auswirkungen dieses Wandels auf Aspekte des maschinellen Lernens auf Systemebene, auf Methodenebene und auf Theorieebene wurden erörtert und über Forschungsprobleme in jedem dieser drei Bereiche berichtet.
Nach dem Festvortrag erfolgten die Auszeichnungen. Die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Medaille erhielt Dr. Heinrich Niemann für sein Lebenswerk als politisch engagierter Mediziner. Die Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille wurde dem Strukturgeologen und Tektonophysiker Prof. Dr. Reinhard O. Greiling für sein besonderes Engagement bei der Organisation von Vorträgen und Veranstaltungen unserer Gelehrtengesellschaft, insbesondere in der Veranstaltungsreihe zu kritischen Rohstoffen, und als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats verliehen. Der Bibliotheks- und Informationswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm erhielt die Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille für seinen großen Einsatz bei der Redaktion und Gestaltung der Homepage der Sozietät. Der Samuel-Mitja-Rapoport-Kooperationspreises ging an Prof. Dr. Siegfried Piotrowski für die Deutsche Gesellschaft für Kybernetik für seine Leistungen als Organisator von gemeinsamen Tagungen mit der Leibniz-Sozietät sowie als Herausgeber der entsprechenden Tagungsbände. Da Herr Piotrowski nicht anwesend sein konnte, nahm Kollege Klaus Fuchs-Kittowski den Preis stellvertretend für ihn entgegen.
Zum Abschluss des Leibniz-Tages gab es einen Umtrunk in der Eingangshalle der Archenhold-Sternwarte.
Foto-Impressionen vom Leibniz-Tag: