Bericht zum 2. Workshop “Zur Einstimmung auf die Generalversammlung der IUGG”

Bericht zum 2. Workshop von NKGG, GFZ und Leibniz-Sozietät „Zur Einstimmung auf die Generalversammlung der Internationalen Union für Geodäsie und Geophysik, Juli 2023 in Berlin“ [1]

Generalversammlungen der IUGG finden alle vier Jahre statt. Neben einer Standortbestimmung über den jeweiligen Wissensstand geben sie weitreichende Impulse für zukünftige Forschungen. Die Bundesrepublik Deutschland war das letzte Mal Gastgeber 1983 mit Tagungsort Hamburg (s. Beitragsbild). Zur 28. Generalversammlung der IUGG 2023 in Berlin werden ca. 5000 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erwartet. Zwei unserer Mitglieder sind maßgeblich an der Organisation dieser bedeutenden Veranstaltung beteiligt: Jürgen Müller, Vorsitzender des Nationalkomitees für Geodäsie und Geophysik (NKGG), ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Programmkomitees, und Harald Schuh ist Vorsitzender des Lokalen Organisationskomitees.

Der 2. Workshop zur Einstimmung auf die Generalversammlung fand am 4. November von 14:00 bis 16:30 als Zoom-Veranstaltung statt und wurde von 27 Teilnehmern besucht. Organisiert wurde er von GFZ Potsdam, NKGG und dem Arbeitskreis GeoMUWA der Leibniz-Sozietät. Nach einer Begrüßung durch Jürgen Müller mit einer Kurzcharakterisierung der IUGG würdigte er die Leistungen unseres kürzlich verstorbenen Mitglieds Helmut Moritz in der IAG und IUGG. Er war Anfang der 1980er Jahre Präsident der IAG und leitete von 1991 bis 1995 als Präsident der IUGG maßgeblich die Geschicke dieser nichtstaatlichen internationalen wissenschaftlichen Organisation. Anschließend würdigte Heinz Kautzleben insbesondere Helmut Moritz langjährige Beziehungen zum Zentralinstitut für Physik der Erde (ZIPE) der AdW der DDR und seine Tätigkeit in der Leibniz-Sozietät. Beide Beiträge machten den großen Verlust deutlich, den die Geodäsie und auch die Leibniz-Sozietät durch den Tod von Helmut Moritz erlitten hat [2]. Dietrich Spänkuch stellte danach kurz den Arbeitskreis GeoMUWA vor, der sich über die in der IUGG behandelten Wissenschaftsbereiche hinaus mit den Bereichen Geologische Wissenschaften, Weltraum- und Astrowissenschaften befasst Personell werden die Assoziationen IAG, IAGA, IAMAS, IAPSO und IASPEI der IUGG durch Mitglieder der Leibniz-Sozietät abgedeckt. (Eine historische Übersicht über die gemeinsamen Aktivitäten finden Sie auf der Webseite des Arbeitskreises.)

Der wissenschaftliche Teil des Workshops wurde durch zwei Vorträge ausgefüllt. Im ersten Vortrag „Warum uns das Eis unter den Fingern zerrinnt – Gletschereis und Klimawandel“ gab Prof. Dr. Olaf Eisen (IACS, AWI Bremerhaven) einen Überblick über Ergebnisse und Probleme der Polar- und Gletscherforschung. Die Polargebiete geben durch mehrere Kipppunkte – in der Arktis starker Verlust von arktischem Meereis, verstärktes Abschmelzen des Grönländischen Inlandeises, Auftauen des Permafrostbodens, in der Antarktis beschleunigtes Abschmelzen der Eisschilde der Westantarktis mit dem Thwaites-Gletscher als kritischstem Gebiet und der Ostantarktis – Anlass zu Besorgnis. Die bisherige überdurchschnittliche Erwärmung in der Arktis hat zu einem Aufbrechen des geschlossenen Polarwirbels in eine dipolähnliche Struktur geführt mit dem Resultat eines mäandrierenden Jetstreams in mittleren Breiten und als dessen Folge verstärktem Auftreten von Extremwetterereignissen. Das weltweite Schmelzen des Eises, das beispielhaft für einige Gletscher beschrieben wurde, wird zur kommenden Jahrhundertwende 2100 zu einer Erhöhung des Meeresspiegels führen, von der 630 Millionen Menschen direkt betroffen sein werden. Die weitere Steigungsrate ist recht unsicher, bedingt durch die ungenügende Kenntnis der Eisdynamik und ist auf lange Sicht eine große Bedrohung für die Menschheit. Umfangreiche kostspielige Expeditionen wie die MOSAiC -Expedition (Multi-disciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) in der Arktis und das European Project for Ice Coring in Antarctica (EPICA) in der Antarktis sind für ein besseres Verständnis der Eisdynamik und damit einer verbesserten Prognose des Meeresspiegelanstiegs unbedingt notwendig.

Anschließend referierte Dr. Thomas Plenefisch (IASPEI, BGR Hannover) über „Natürliche und induzierte Seismizität in Deutschland – ein Überblick“. Nun ist Deutschland in komfortabler Entfernung von Plattenrändern kein Hotspot von Erdbeben. Dennoch treten in Deutschland Erdbeben mit Stärken größer als 4 der Richter-Skala ein- bis zweimal pro Tag auf. Gespürt werden Erdbeben bei günstigen Bedingungen ab der Stärke 1,7. Das letzte schwerere natürliche Erdbeben in Deutschland ereignete sich mit einer Stärke von 5,9 im April 1992 im Rheinland mit einem geschätzten Schaden von 250 Millionen DM. Beben der Stärke 6,1 treten etwa alle einhundert Jahre auf. Erhöhte Erdbebengefahr besteht in der Kölner Bucht, auf der Schwäbischen Alb und im Vogtland, bedingt durch Fernwirkungen der nordwärts wandernden Afrikanischen Kontinentalplatte. In Norddeutschland sind natürliche Beben nicht zu erwarten. Induzierte, durch menschliche Aktivitäten verursachte Beben sind wesentlich schwächer als tektonische Beben, können gelegentlich aber auch Stärken bis 4 erreichen wie das im Februar 2008 im Saarland registrierte Beben, das durch den Steinkohlebergbau ausgelöst worden war.

Zum Abschluss gab Harald Schuh eine Übersicht und einige organisatorische Details zur Durchführung der Generalversammlung bekannt. Diese findet vom 12. bis 19. Juli im City Cube in Berlin statt. Die offizielle Eröffnungsfeier ist am 13. Juli. Während der Konferenz werden bis zu 30 Parallelveranstaltungen zeitgleich stattfinden. Nur die Hauptvorträge können als Hybridveranstaltung angeboten werden. Zusätzlich steht genügend Raum für Posterpräsentationen zur Verfügung. Das geodätische und geophysikalische Forschungspotential der Region wird sich hier präsentieren. Auch die Leibniz-Sozietät wird sich mit einem eigenen Stand oder Gemeinschaftsstand zusammen mit anderen regionalen Geoeinrichtungen beteiligen. Die fachnahen Mitglieder der Leibniz-Sozietät sind aufgerufen, sich aktiv mit eigenen Beiträgen an der IUGG 2023 zu beteiligen. Wenn überhaupt, wird nur ein reduziertes Kulturprogramm angeboten.

Dietrich Spänkuch

[1] Die Internationale Union für Geodäsie und Geophysik (International Union of Geodesy and Geophysics (IUGG)), Mitglied des International Science Council (ISC), wurde 1919 gegründet zwecks Förderung und Koordinierung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erdwissenschaften. Sie ist entsprechend ihrer zugehörigen wissenschaftlichen Disziplinen in acht Assoziationen untergliedert, und zwar in die

  • International Association of Cryospheric Sciences (IACS),
  • International Association of Geodesy (IAG),
  • International Association of Geomagnetism and Aeronomy (IAGA),
  • International Association of Hydrological Sciences (IAHS),
  • International Association of Meteorology and Atmospheric Sciences (IAMAS),
  • International Association for the Physical Sciences of the Oceans (IAPSO),
  • International Association of Seismology and Physics of the Earth’s Interior (IASPEI),
  • International Association of Volcanology and Chemistry of the Earth’s Interior (IAVCEI).

[2] Eine ausführliche Würdigung von Helmut Moritz wurde von unserem Mitglied Hans Sünkel kürzlich auf unserer Webseite veröffentlicht.