Wissenschaftliches Symposium über Walter Kirsche und die Lebensvielfalt im Dahmeland

Wissenschaftliches Symposium über Walter Kirsche und die Lebensvielfalt im Dahmeland am 1. September 2018 im Haus der Natur in Potsdam

Der Berliner Anatom Prof. Dr. med. habil. Walter Kirsche (* 1920 in Neuoelsnitz am Erzgebirge, † 2008 in Pätz im Dahmeland) stand im Zentrum eines wissenschaftlichen Symposiums, das die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin gemeinsam mit dem Landesamt für Umwelt Brandenburg, dem Naturpark Dahme-Heideseen, der Natur + Text GmbH Rangsdorf, dem Alumni-Club der Charité, dem Naturkundemuseum Potsdam und dem Förderverein Haus der Natur in Potsdam veranstaltete.

Walter Kirsche (© Aufnahme Klaus Sonnenberg, NABU Dahmeland) richtete Ende der 1950er Jahre in seinem Garten in Pätz ein großes Freigehege für europäische Landschildkröten ein und gab über die Jahre mehr als 1.000 nachgezogene Jungtiere an Tierfreunde ab. Seine Erfahrungen über Biologie, Pflege, Zucht und Schutz der stark gefährdeten Tiere fasste er 1997 in einer viel beachteten Monographie zusammen.

Walter Kirsche war ein vielseitig interessierter und engagierter Mediziner und Naturforscher. Als Hochschullehrer (1951) und Institutsdirektor (1966–80) der Humboldt-Universität, Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1969) und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle/Saale (1970), aber auch als Naturschutzbeauftragter in Pätz und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde war er in vielen Bereichen tätig und setzte vielfältige Akzente. Dementsprechend reich ist sein geistiges Erbe.

Wie Ekkehard Höxtermann (MLS, Natur + Text, Rangsdorf) in seinem Eröffnungsvortrag darlegte, befasste sich Walter Kirsche in seinen Forschungen hauptsächlich mit dem zellulären Aufbau der Nervenfasern und Fragen der Regeneration und Transplantation im Zentralnervensystem. Er trug entscheidend zur Anerkennung der Neuronentheorie bei und dehnte schon bald seine hirnanatomischen Arbeiten vom Menschen auf andere Säuger, auf Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische aus, um aus vergleichenden Studien des Nervensystems aller Wirbeltierklassen auf den gemeinsamen „Bauplan“ des Hirns und die Entstehung und Leistung seiner Teile zu schließen. Als einen der führenden deutschen Hirnforscher wollten Oskar (1870–1959) und Cécile Vogt (1875–1962) ihn 1958 an ihr privates Hirnforschungsinstitut in Neustadt im Schwarzwald ziehen.

Wie bei den Vogts arbeitete auch Walter Kirsche eng mit seiner Frau Karla (1925–2006) zusammen. Für ihre vergleichenden Tierstudien züchteten sie in ihrem großen Anwesen in Pätz Schildkröten und Papageien und gehörten zu den ersten, die für die stark gefährdeten europäischen Landschildkröten eine Erhaltungszucht aufbauten. Die hirnanatomischen Arbeiten an Wirbeltieren waren auch der Schlüssel ihres Eintretens für den Tierschutz, legte die Kenntnis der Hirnarchitektur der Tiere doch auch bestimmte geistige Fähigkeiten und Gefühle nahe.

Doz. i. R. Dr. med. Gisela Große (Alumni-Club der Charité) würdigte in persönlichen Erinnerungen Walter Kirsche als einen akademischen Lehrer, der in einem umfassenden, klassischen Sinne den Menschen als Teil des Naturganzen begriff und sein Wirken am Anatomischen Institut der Charité in einen untrennbaren Zusammenhang mit naturhistorischen und ethischen Betrachtungen stellte. Wie sich auch Klaus Sonnenberg (Schulzendorf) erinnerte, gehörte es für die Kirsches zur „sittlichen Norm“ des Menschen, Verantwortung für „die Vielfalt und Schönheit der gesamten belebten und unbelebten Welt“ zu tragen, was sich nicht zuletzt an ihrem weiten, naturnahen Garten am Pätzer Vordersee zeigte, der zu einem Refugium bedrohter Tier- und Pflanzenarten wurde.

Die Wiese mit ihren artenreichen Lebensräumen wurde 1990 zum Flächennaturdenkmal erklärt und wird heute vom Naturschutzbund (NABU) gepflegt. Die naturkundlichen Sammlungen übernahm der 1998 gegründete Naturpark Dahme-Heideseen. Das 20-jährige Bestehen des Naturparks bildete denn auch den Anlass für das Symposium über Walter Kirsche und die Lebensvielfalt im Dahmeland. Den Anstoß dazu gab der stellvertretende Leiter des Naturparks Hans Sonnenberg, der durch einen schweren Unfall leider an einer persönlichen Teilnahme gehindert war.

In seinen nachgelassenen „Lebenserinnerungen“ von 1995 schilderte Walter Kirsche den „Zauber der märkischen Landschaft“ mit ihrer reichen Tier- und Pflanzenwelt, wie sie 1947 anzutreffen war, mit der Vernichtung von Grünland aber zunehmend verschwand. Diesem Artenschwund, seinen Ursachen und dem Schutz gefährdeter Lebensräume galt dann auch die Mehrzahl der Vorträge, die sich – mit Blick auf besondere Interessen Kirsches – mit den europäischen Landschildkröten (Mario Herz, Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, AG Schildkröten), den Kreuzkröten der Pätzer Kiesgrube (Thomas Bangel, NABU Dahmeland, Probiotope e.V.), den Schmetterlingen im Dahmeland (Dr. Jörg Gelbrecht, NABU Brandenburg, Landesfachausschuss Entomologie) und den Hirschkäfern in der Dubrow (Hannes Hause, Naturwacht im Naturpark Dahme-Heideseen) befassten. Das Symposium wurde als Teil des Bildungsprogramms „Natur und Umwelt“ von der Abteilung Naturschutz des Landesamtes für Umwelt Brandenburg großzügig unterstützt.

Im Rahmen der Tagung wurde zudem eine Sonderausstellung „Vom Glück, die Natur zu entdecken“ im Naturkundemuseums Potsdam über naturkundliche Funde und Sammlungen Walter Kirsches und damit verbundene Erlebnismöglichkeiten im Naturpark Dahme-Heideseen eröffnet. Die vom Leiter des Naturparks Gunnar Heyne sowie dem Leiter des Naturkundemuseums Dr. Jobst Pfaender und seinem Mitarbeiter Dr. Dirk Berger organisierte Ausstellung kann noch bis zum 25. August 2019 besucht werden.

Die Vorträge des Symposiums und eine Dokumentation der Ausstellung werden in einen Gedenkband einfließen, den die Basilisken-Presse Rangsdorf – mit Unterstützung der Leibniz-Sozietät – in ihrer Reihe „Biologiehistorische Symposien“ zum 100. Geburtstag Walter Kirsches im Juni 2020 vorlegen wird.

Ekkehard Höxtermann