Plenarsitzung am 8. Juni 2017

 

Sigmund Jähn im Gespräch mit Lutz-Günther Fleischer in der Leibniz-Sozietät am 8. Juni 2017 (Foto Werner Kriesel)
Sigmund Jähn im Gespräch mit Lutz-Günther Fleischer in der Leibniz-Sozietät am 8. Juni 2017 (Foto Werner Kriesel)

Im Mittelpunkt der Sitzung stand der Vortrag von Dr. Sigmund Jähn, Ehrenmitglied der Leibniz-Sozietät, zum Thema „Deutsche Beiträge zur Raketenentwicklung und zur bemannten Raumfahrt“. Die Plenarsitzung am 08.06.2017 fand zeitlich etwa in der Mitte zwischen zwei Jubiläen statt, an denen die Gelehrtengesellschaft keinesfalls vorübergehen kann. Am 13. Februar 2017 feierte der Kosmonaut a.D. Sigmund Jähn seinen 80. Geburtstag. Die Leibniz-Sozietät hatte ihn 2011 anlässlich des Beginns der bemannten Weltraumfahrt vor 50 Jahren (Weltraumflug von Jurij Gagarin) zu ihrem Ehrenmitglied gewählt. An seinem Ehrentag im Februar hat er eine Fülle von Gratulationen erhalten, unter ihnen die des Präsidiums der Leibniz-Sozietät. Am 4. Oktober 2017 wird die Welt den Beginn der Weltraumfahrt vor 60 Jahren feiern.  Der Start des ersten künstlichen Erdsatelliten, von „Sputnik 1“, war der Beginn einer neuen Epoche, das absolut dominierende Ereignis im Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957/58, des im 20. Jahrhundert größten und bedeutendsten wissenschaftlichen Gemeinschaftsunternehmens mit weltweiter Beteiligung.

Der Bericht über die Plenarsitzung soll kein Fachbericht über den Vortrag unseres Ehrenmitgliedes sein. Vielmehr soll er die Eindrücke wiedergeben, die diese Plenarsitzung bei den Teilnehmern hinterlassen hat. Sigmund Jähn hatte in seinem Vortrag drei Schwerpunkte behandelt:

  1. die Idee – formuliert durch Hermann Oberth, später in einem Fachbuch dargelegt (das der Autor persönlich in Moskau für S. Jähn widmete; es erschien sogar eine russische Ausgabe des Buches): die Faszination Raumfahrt entstand,
  1. die Entwicklung von Raketen durch Wernher von Braun für militärische Zwecke (Aggregat A4 bzw. V2) und deren Nachnutzung sowohl in den USA (Spezialisten von Peenemünde über Bleicherode/Südharz im Frühjahr 1945 nach Huntsville/Alabama) und auch in der UdSSR (Bau von A4-Raketen in Bleicherode für die UdSSR von Mitte 1945 bis Oktober 1946 unter Leitung von S. P. Koroljow, dem späteren Chefkonstrukteur der sowjetischen Raumfahrt),
  1. der erste Deutsche im Weltraum – einer der ersten Beiträge gegen die nationale Aneignung des Weltraums durch die Weltmächte und für die friedliche Erschließung des Weltraumes für die gesamte Menschheit durch alle daran interessierten Nationen; seine nachfolgenden Aktivitäten in dieser Richtung.

Im Vortrag konnte man spüren: Es redete die Persönlichkeit, deren Leben durch den Einsatz im Weltraum entscheidend verändert wurde. Er propagierte seine grundlegende Erkenntnis: Eine Übersiedlung der Menschheit von der Erde weg auf andere Himmelskörper kann es niemals geben. Die Erdoberfläche, gegenüber dem Weltraum abgeschirmt durch die Erdatmosphäre und die Magnetosphäre, ist und bleibt auf immer der einzige Lebensraum, der für die Menschheit verfügbar ist.

Dem Vortrag folgte eine angeregte Diskussion zu allen angeschnittenen Fragen, insbesondere mit den beiden Schwerpunkten:

– Was hat die Faszination Raumfahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgelöst: die damalige Technik-Euphorie?

– Die Erkenntnis der Weltraumforschung unterstreicht die Forderung, dass es für die Menschheit absolut vorrangig ist, ihren Lebensraum nicht selbst zu zerstören.

Auch wurde in die Zukunft diskutiert, etwa mit der Fragestellung nach alternativen Raketenantrieben unter Nutzung von Atomtechniken. Vorbehaltlich geheimer Militärforschungen sind bislang aber keine entsprechenden Lösungen bekannt, und solche wurden zugleich als  sehr unwahrscheinlich eingeschätzt.

In der Diskussion sprach zudem als Gast Dipl.-Ing. Peter Georgino vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Er ist Leiter des DLR-Standortes Berlin mit Neustrelitz und Dresden und der DLR-Technik. Herr Georgino begann seine Laufbahn in den Weltraumwissenschaften 1972 in Berlin-Adlershof im damaligen Institut für Elektronik der Akademie der Wissenschaften der DDR, dem späteren Institut für Kosmosforschung. Er war als Experte für den Bau weltraumgeeigneter Geräte an der Entwicklung und Fertigung der Multispektralkamera MKF-6 im VEB Kombinat Carl Zeiß Jena beteiligt, des Großgerätes, dessen Einsatz während seines Weltraumfluges im August/September 1978 zu den wichtigsten Aufgaben des Forschungskosmonauten Sigmund Jähn gehörte. Herr Georgino gab eine Übersicht über die aktuellen Forschungsarbeiten am DLR-Standort, unterbreitete den Vorschlag, auch eine Sitzung der Leibniz-Sozietät unter Beteiligung von Wissenschaftlern der DLR in den Räumen der DLR in Adlershof durchzuführen. Der Vorschlag wurde mit Dank angenommen.

Insgesamt erbrachte die Plenarsitzung verschiedene Anregungen für die nächsten Vorhaben der Leibniz-Sozietät auf dem Gebiet der Weltraumwissenschaften. Sie werden geprägt sein dadurch, dass im nächsten Jahr sich zum 40. Mal der 3. Weltraumflug im Rahmen des Interkosmos-Programmes für die bemannte Weltraumfahrt jähren wird, also derjenige, bei dem mit Sigmund Jähn der erste Deutsche an einer Mission beteiligt war. Das Präsidium hat bereits beschlossen, dass sich die Leibniz-Sozietät zu dieser ganzen Thematik in der Plenarsitzung am 17. Mai 2018 in akademietypischer Weise zu Wort melden wird. Interessenten an der Mitwirkung werden gebeten, sich umgehend beim Sekretar der Klasse NWTW zu melden.

Lutz-Günther Fleischer,
Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften, Moderator der Plenarsitzung
Heinz Kautzleben,
langjähriger Sprecher des Arbeitskreises Geo-, Montan-, Umwelt- Weltraum- und Astrowissenschaften (GeoMUWA)
Werner Kriesel, MLS