Nekrolog auf unser Mitglied Dr. Horst Kant
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. trauert um ihr Mitglied, den Physiker und Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Kant, der am 25. Dezember 2023 in Berlin verstorben ist
Horst Kant wurde am 22. März 1946 in Berlin geboren. Von 1960 bis 1964 besuchte er die Heinrich-Hertz-Oberschule in Berlin, die wegen ihres zusätzlichen Angebots in den Fächern Mathematik und Physik bekannt war. Nach dem Abitur studierte er von 1964 bis 1969 an der Humboldt-Universität zu Berlin Physik und schloss das Studium mit dem Diplom ab. Anschließend studierte er Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte, in jenen Jahren ein aufstrebendes Fach in der DDR, an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte 1973 auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte. Von 1973 bis 1978 arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent bzw. Oberassistent an der Humboldt-Universität, u. a. war er beim Prorektor für Naturwissenschaften und Technik, dem Physiker Joachim Auth (1930-2011), tätig. Von 1978 bis 1991 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR im Bereich Wissenschaftsgeschichte, der seit 1973 von Hubert Laitko aufgebaut wurde. Nach der „Abwicklung“ des Instituts gemäß Artikel 38 Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik war Horst Kant von 1992 bis 1995 am Forschungsschwerpunkt Wissenschaftsgeschichte und -theorie der Förderungsgesellschaft Wissenschaftliche Neuvorhaben mbH. in Berlin tätig. Von 1995 bis zum Eintritt in den sogenannten Ruhestand im Jahr 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am 1994 gegründeten Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin-Dahlem, danach blieb er dem MPIWG als Visiting Emeritus Scholar verbunden. Hier untersuchte Horst Kant weiterhin Probleme der Geschichte der Physik und der Naturwissenschaften vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, speziell Fragen der Sozial-, Institutionen- und Personengeschichte. Schwerpunkte seiner Forschungen waren die Geschichte der Radioaktivität und der Kernenergie, die Physikgeschichte in der Sowjetunion und die Berliner Physikgeschichte sowie die Geschichte der physikalischen Forschungen in Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft/Max-Planck-Gesellschaft. 1978 hatte Horst Kant zusammen mit Dieter Hoffmann eine Arbeitsgruppe zur Physikgeschichte in der Physikalischen Gesellschaft der DDR gegründet, die er bis 1990 leitete. Diese Arbeitsgruppe blieb auch nach Aufnahme in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) bestehen, deren Mitglied Horst Kant wurde. Außerdem war er Mitglied der Gesellschaft für die Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik (GWMT) sowie der Gesellschaft für Wissenschaftsforschung Berlin.
Wissenschaftliche Leistung und Produktivität von Horst Kant kommen in seinen zahlreichen Publikationen zum Ausdruck, die auf Basis tiefgründiger Recherchen entstanden. In den 1980er Jahren erschienen in der Biographien-Reihe des B. G. Teubner Verlag Leipzig seine Bücher über die Naturwissenschaftler Gabriel Daniel Fahrenheit, René-Antoine Ferchault und Anders Celsius, über Alfred Nobel sowie die Physiker J. Robert Oppenheimer und Abram F. Joffe. In späteren Buchbeiträgen behandelte er Themen der Geschichte der Kernphysik und Kernenergie. Detailliert recherchierte er die Geschichte des Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Instituts für Chemie, das auch Otto-Hahn-Institut genannt wurde, von 1912 bis 1946 in Berlin-Dahlem beheimatet war und in dem Lise Meitner ihre physikalisch-radioaktive Abteilung von 1917 bis zur Flucht 1938 leitete. Gemeinsam mit Carsten Reinhardt gab Horst Kant 2012 das Buch „100 Jahre Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Institut für Chemie“ heraus (erschienen in der Reihe des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft).
Horst Kant war Jahrzehnte mit seiner Frau Jutta verheiratet, gemeinsam hatten sie einen Sohn Michael, die zwei Enkelinnen Sophie und Lina sowie Urenkelin Paula.
2014 wurde Horst Kant Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. Sie wurde seine neue intellektuelle Heimat, in der er wissenschaftlich und organisatorisch aktiv mitarbeitete. Seit 2016 stellvertretender Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften engagierte er sich unermüdlich. Er organisierte Veranstaltungen, hielt Vorträge und publizierte in den Zeitschriften unserer Gelehrtengesellschaft. Noch bis Mai 2023 war er an der Fertigstellung der Chronik „30 Jahre Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ beteiligt (Band 75 der Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften).
Die Leibniz-Sozietät verliert mit Horst Kant ein ehrenvolles Mitglied. Die Mitglieder der Leibniz-Sozietät werden ihm ein bleibendes Andenken bewahren. Den Hinterbliebenen bekunden wir unser tief empfundenes Beileid.
Gerhard Pfaff, Annette Vogt und Hubert Laitko