Empfang zum 80. Geburtstag des Alt-Präsidenten der Leibniz-Sozietät Professor Dr. Dieter B. Herrmann
Am 9. Januar 2019 fand in der Berliner Archenhold-Sternwarte auf Einladung der Stiftung Planetarium Berlin ein Empfang zum 80. Geburtstag von Dieter B. Herrmann statt. Nach einer Gratulationscour der mehr als 160 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Kultur, darunter zahlreichen Mitgliedern der Leibniz-Sozietät, begrüßte der Vorstand der Stiftung und Direktor des Zeiss-Großplanetariums Berlin, Tim Florian Horn, die Festversammlung im Einstein-Saal. Dazu zeigte er historische Bilder und einen kleinen Ausschnitt aus einer der Fernsehsendungen „Astro Live“ mit dem Jubilar als Moderator. Interessant war auch das von Horn präsentierte Protokoll über eine Beratung der Leitungen von Archenhold-Sternwarte und Wilhelm-Förster-Sternwarte vom 22. August 1990. Dabei ging es um erste Schritte einer koordinierten Zusammenarbeit nach dem Fall der Berliner Mauer.
Die Reihe der Grußworte eröffnete Dr. Klaus Lederer, Berlins Senator für Kultur und Europa. In seiner sehr persönlich gehaltenen Rede betonte er besonders die Aktivitäten des Jubilars auf dem Gebiet der Vermittlung von Wissen an breite Bevölkerungskreise: „Genau das tut ein Wissenschaftler, wenn er sich nicht im Elfenbeinturm wohlfühlen und seine wissenschaftliche Reputation pflegen will, sondern wenn ihm die Wissenschaft im Dienste der Gesellschaft und der Bevölkerung am Herzen liegt! Was heute wie neu daherkommt, ist so neu also nicht. Und ich wünschte mir, dass Kunst und Wissenschaft stärker und bewusster zur gegenseitigen Verstärkung in Allianzen gehen würden.“ Beinahe, so berichtete Lederer, wäre er selbst Astronom geworden. „Die Sendung ‚AHA‘ im DDR-Fernsehen war für mich als wissbegierigem Jugendlichen in Frankfurt/Oder ein Pflichttermin. Mit 11 Jahren begann ich mich an der Schulsternwarte in der AG Astronomie und später in der Fachgruppe des Kulturbundes mit dem Universum und den Sternen auseinanderzusetzen. Das war eine ganz aufregende Zeit für mich […] Und so erlebte ich den der Ansteckung anderer Menschen mit seiner Sternenbegeisterung verpflichteten Professor erstmals persönlich […] Als pubertierender Jugendlicher schrieb ich 1987 an Dieter B. Herrmann einen Brief. Er lud mich daraufhin prompt ein, ihn doch einmal in der Sternwarte in Berlin zu besuchen. Das geschah und er nahm sich die Zeit, meine sicherlich nicht besonders sensationellen Fotografien von Mond und Sternen anzuschauen und mich in meiner damaligen Berufsabsicht zu bestärken.“ Die Wende von 1989/90 hätte dann aber mit ihrer „einschneidenden Zäsur […] die irdischen Fragen“ dringlicher werden lassen als die himmlischen. In dieser Zeit hätten der Jubilar und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter die beiden Einrichtungen – Sternwarte und Planetarium – als wichtiges Kulturerbe unserer Stadt vor der Abwicklung bewahrt.
Professor Dr. Gerhard Banse, Präsident der Leibniz-Sozietät, ging in seinem Grußwort auf die Biographie des Jubilars ein und betonte besonders dessen Forschungsaktivitäten: „Intensiv, akribisch und nachhaltig hat sich unser Jubilar mit eigenen Arbeiten hoffnungstragenden Gebieten der Astronomie, deren Geschichte und der Geschichte der Wissenschaft auf einem hohem multidisziplinären Anspruchsniveau zugewandt. Zahlreiche Wortmeldungen zu bedeutsamen Geschehnissen und zu weltanschaulichen Problemen der Astrowissenschaften vervollständigen bis ins Heute das vielseitige Bild seines wissenschaftlichen, wissenschaftsgeschichtlichen und wissenschaftlich-weltanschaulichen Wirkens.“ Ebenso hob er die Tätigkeit des Jubilars als Mitglied des Präsidiums der DDR-Urania und ihrer zentralen Sektion Astronomie hervor, die sich bis heute in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Berliner Urania fortsetze. Danach ging Banse auf Herrmanns Wirken als Präsident der Leibniz-Sozietät von 2006 bis 2012 näher ein: „Er hat in einer schwierigen Entwicklungsphase die Verantwortung übernommen, mit uneigennützigen Gleichgesinnten um neue organisatorische Lösungen gerungen und sich erfolgreich um den Erhalt sowie die Erweiterung der hochqualifizierten Mitgliedschaft bemüht. Auf seine Initiative gehen u.a. zurück
- die Kooperationsvereinbarung mit der Mazedonischen Akademie der Wissenschaften und Künste, am 08. November 2007 in Skopje abgeschlossen, auf deren Grundlage bislang fünf gemeinsame Kolloquien stattgefunden haben und vier zweisprachige Protokollbände erschienen sind;
- die ganztägige gemeinsam Sitzung von Plenum und Klassen der Leibniz-Sozietät am 8. März 2007 anlässlich des Druckes der „Opera didactica omnia“ des Johann Amos Comenius vor 350 Jahren, auf der auch der Botschafter der Tschechischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland das Wort ergriff;
- die Festsitzung des Plenums der Leibniz-Sozietät am 7. April 2011 anlässlich „50 Jahre bemannte Weltraumfahrt“ mit der Vorstellung des neugewählten Ehrenmitgliedes der Leibniz-Sozietät, dem Forschungskosmonauten Dr. Sigmund Jähn.“
Die Vorstandsvorsitzende der Urania, Gabriele Thöne, bekannte sich zur Suche nach Wahrheit als einer zentralen Aufgabe, auch in der Vermittlung. Dazu brauche es „Brückenbauer“. Zu ihnen „zählen Menschen wie dereinst Alexander von Humboldt, in Folge die Gründer der Urania Berlin, die Astronomen Meyer und Foerster und – hier und heute – Dieter B. Hermann. Diese Brückenbauer verstehen nämlich, dass insbesondere neben der sozialen Teilhabe gerade auch die Teilhabe an der wissenschaftlichen Erkenntnis ein ganz wichtiger Bestandteil menschlicher Würde ist und dass gleichzeitig nur im steten Dialog Verständnis, Förderung, Wohlstand und Zukunft entstehen und nachhaltig erwachsen kann. Es ist deshalb für mich, die ich die Ehre habe, den Vorstandsvorsitz in der Urania Berlin inne zu haben, ja geradezu eine Sinnlogik, dass Dieter B. Herrmann als Physiker, Astronom und Brückenbauer im Vorstand der Urania Berlin ist. Ein Mensch mit Weitblick in das Universum, authentisch, der nie die Bodenhaftung, den Kontakt zu den Mitmenschen, zur Gesellschaft verliert. Ein Mensch, der uns bei ständigem Perspektivwechsel mitnimmt auf die spannendste Reise, die Menschen unternehmen können, nämlich die über den eigenen Horizont hinaus. […] Denn wir wollen uns gemeinsam mit dem Urania-Team, mit Ihnen allen und insbesondere mit Menschen wie Dieter B. Herrmann im Vorstand unermüdlich auf die Suche nach dem „Nordstern der Wahrheit“ in diesen Bereichen begeben, und zwar jeden Tag.“
Der Leiter der Sternwarte, Dr. habil. Felix Lühning , ging in seinem nachfolgenden Kurzvortrag der Frage nach „Warum betreiben wir Astronomiegeschichte?“. Anknüpfend an Leopold Rankes klassischen Ansatz „Wir wollen zeigen, wie es eigentlich gewesen“ und vor allem warum, sei der tiefste Sinn der Geschichtsforschung, die Wahrheit zu finden, wobei es nicht ausbleiben könne, dass liebgewordene Bilder korrigiert und Sehweisen geändert werden müssten. Zumal in einer Zeit, in der wir erleben, wie platte Lügen – als Fakten verkauft – wieder salonfähig werden, komme es darauf an, authentische Geschichtsbilder aus den Quellen zu entwerfen und auch als „pädagogischen roten Faden“ zu nutzen, um Astronomie verstehen zu lernen. Die Ausführungen Lühnings gipfelten in der Forderung, „ein zweites Zeitalter der Aufklärung einzuleiten“.
In seinen Dankesworten sagte der Jubilar u.a.: „Für mich ist es eine ganz besondere Genugtuung, dass hier heute auch meine beiden amtierenden Nachfolger, Tim Florian Horn und Felix Lühning, ihre Verbundenheit bekundet haben. Jeder, der aus der DDR kommt und die Wende miterlebt hat, weiß, warum mir dies als eine besondere Gunst erscheint. Sie wurde leider nur den wenigsten zuteil, die damals in der Wissenschaft aktiv gewesen sind und die sie ebenso verdient gehabt hätten. Mit Freude sehe ich darüber hinaus, dass man von den jüngeren Kollegen, die hier unmittelbar in meine Fußstapfen getreten sind, ohne Übertreibung sagen kann: Wir sind Gärtner im gleichen Weinberg, ‚Uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut‘. Die Aufgaben, vor denen wir heute in der populärwissenschaftlichen Bildungsarbeit stehen, sind nämlich denen sehr ähnlich, die damals unser Handeln bestimmten, auch wenn sich die Formen gewandelt haben. Höchstens kann man feststellen: sie sind heute noch aktueller, denn Begeisterung für Wissenschaft und Technik bei jungen Menschen zu entfachen ist mit Blick auf unser Bildungssystem und die m.E. zu schwach vertretenen MINT-Fächer in unseren Schulen eine ständig weiter an Bedeutung gewinnende Herausforderung. Doch bei der Popularisierung der Wissenschaften geht es um noch mehr als nur um diese zweifellos wichtige ökonomisch-praktische Seite, es geht auch um das, was Einstein einmal den ‚philosophischen Geist eines Volkes‘ genannt hat. Der würde geschwächt, wenn die Ergebnisse von Wissenschaft nur einer kleinen Schicht von Privilegierten vorbehalten bliebe, meinte Einstein. Das spüre ich immer wieder, wenn ich mit meinen Vorträgen unterwegs bin und Hörer aus allen Schichten und Altersgruppen mitunter nach dem Vortrag ebenso lange durch Fragen und Kommentare mit mir im Gespräch bleiben wie der Vortrag selbst gedauert hat. Hier zeigt sich, dass Wissenschaft genauso viele geistige Anstöße zu vermitteln vermag, wie die Aufführung eines guten Theaterstücks oder eines Musikwerkes im Konzertsaal. Deshalb sind auch solche Einrichtungen wie diese Sternwarte oder die Planetarien und natürlich die Urania (sowohl in der DDR als auch jetzt die 1888 gegründete Urania Berlin) von immenser Wichtigkeit in unserer Bildungslandschaft. Aus diesem Grund begreife ich die Naturwissenschaften auch als einen Teil der allgemeinen Kultur und widerspreche vehement der Behauptung, dass zwar die Werke van Goghs oder Goethes und Mozarts zum kulturellen Bildungskanon gehören, nicht aber jene von Kepler, Galilei oder Einstein.“
Abschließend lief ein kurzer Film von Eckehard Rothenberg, dem ehemaligen technischen Leiter der Sternwarte, der den Überflug über das Gelände der Sternwarte mit einem Quadrocopter aufgenommen hatte. Der Film ist auf der website des Fördervereins der Archenhold-Sternwarte (www.astw.de) zu sehen.
Der Jubilar überreichte allen Gästen eine kleine Dankesgabe in Form einer neuen Studie „Über die Lebenserwartung von Astronomen“. Die gegenüber der Durchschnittbevölkerung bei Astronomen festgestellte um rund zehn Jahre höhere mittlere Lebenserwartung bewertet die Studie allerdings als Sozialindikator. Sie schließt daher mit der Feststellung: „Wer also gern ein möglichst hohes Lebensalter bei guter Gesundheit erreichen möchte, der braucht nicht eigens zu diesem Zweck die mühsame Laufbahn eines Sternforschers einzuschlagen. Er muss nur der richtigen sozialen Schicht angehören. Ist dies nicht der Fall, würde er es höchstwahrscheinlich auch nicht in den Klub der bedeutenden Astronomen schaffen.“
Sabine Heinz
Fotos: Dietmar Linke