„Die Energiewende 2.0: Essentielle wissenschaftlich-technische, soziale und politische Herausforderungen“

Mitglieder des Podiums (v.l.) Lutz-Günther Fleischer (MLS), Norbert Mertzsch (MLS), Dr. Bodo Wolf, Dr. Ernst-Peter Jeremias, Dipl-Ing. Ulrich Meyer, Dr. Rainer Land; im Hintergrund am Rednerpult: Präsident Gerhard Banse bei der Begrüßung.- Foto: P. Knoll

„Die Energiewende 2.0: Essentielle wissenschaftlich-technische, soziale und politische Herausforderungen“ lautete das Thema der Plenarsitzung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin im April 2018. Sie fand als gemeinsame öffentliche Disputatio mit dem Verein Brandenburgischer Ingenieure und Wirtschaftler e.V. (VBIW) statt und wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung finanziell gefördert.

An der Plenarsitzung im Rathaus Tiergarten nahmen fast 50 Interessierte teil. Neben den Mitgliedern der Sozietät und des VBIW gehörten zum Auditorium Vertreter der interessierten Öffentlichkeit.

Gesprächsteilnehmer der Disputatio waren Professor Dr. Gerhard Banse (Präsident der Leibniz-Sozietät), Professor Dr. Lutz-Günther Fleischer (Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften der Leibniz-Sozietät), Dr. sc. oec. Rainer Land (Thünen-Institut für Regionalentwicklung e.V. Bollewick). Dr. Ernst-Peter Jeremias (Geschäftsführer tetra ingenieure GmbH, Neuruppin), Dipl.-Ing. Ulrich Meyer (Energieeffizienzberater, vormals Teamleiter Energie der Zukunftsagentur Brandenburg), Dr. rer. nat. Norbert Mertzsch (Vorsitzender des Vereins Brandenburgischer Ingenieure und Wirtschaftler e. V.) und Dr. Bodo Wolf (Geschäftsführer bw.-energiesysteme GmbH, Bad Saarow).

In der öffentlichen Podiums- und einer sich organisch anschließenden Plenardiskussion zu den benannten Problemen der Energiewende in Deutschland erörterten die kompetenten Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik den gegenwärtigen Stand sowie ausschlaggebende Problemstrukturen inter-, multi- und transdisziplinär und charakterisierten entscheidende gesellschaftliche und spezifische Herausforderungen bei der – als „Gemeinschaftswerk“ deklarierten und nur so erfolgversprechend wahrzunehmenden – komplexen Transformation des sozio-technischen Systems (Energiewende 2.0). Auf der Grundlage kurzer Stellungnahmen – unterstützt von einigen schriftlich verfassten, vorab publizierten und den Veranstaltungsteilnehmern ausgehändigten Thesen und Ausführungen der Proponenten, die im Diskurs zudem als Opponenten auftraten – wurde die Debatte zunächst im Expertenkreis des Podiums und anschließend mit dem Auditorium geführt.

Die gewählte Form hat sich grundsätzlich bewährt, nicht zuletzt, weil sie der Multi- und Transdisziplinarität des hoch komplexen Problemgefüges entgegenkommt sowie Rationalität und Emotionalität zu verbinden gestattet.

Nach der Einführung in Problematik durch den Präsidenten der Leibniz-Sozietät, Herrn Prof. Dr. Gerhard Banse, übernahm der Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften, Herr Prof. Dr. Lutz-Günther Fleischer die Leitung des Disputation.

Zunächst erhielt jeder Gesprächsteilnehmer Gelegenheit seine Thesen, die den Teilnehmern der Veranstaltung schriftlich vorlagen, kurz vorzustellen. Dabei wurde der Stand der Energiewende und die mit ihr verbundenen Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt.

Aus technikphilosophischer Sicht wies Professor Banse insbesondere darauf hin, dass die Energiewende nicht nur technikbasiert (Energiewende 1.0) zu betrachten ist. Der Blick ist auf bzw. für das Notwendige in seiner Komplexität und Vernetztheit zu richten (Energiewende 2.0), um ineffektive Lösungen zu verhindern. Die Technik generell und die Energetik speziell umfasst sowohl die technischen Sachsysteme selbst („Artefakte“) als auch die Entstehungszusammenhänge (das „Gemacht-Sein“) und die Verwendungszusammenhänge (das „Verwendet-Werden“). Technik ist einbezogen in menschliche Aktionen und Praktiken (Mittel für Ziele/Zwecke, „Realisierung“ von Regeln). Sozio-technische Systeme sind (in eine vielfältige und heterogene „Umwelt“) „eingebettete“ Systeme. „Die „Nützlichkeit von Technik ist immer auch etwas kulturell Interpretiertes“; Technische Sachsysteme haben neben ihrem Funktionswert („Mittel“ für …) stets auch einen „symbolischen“ Wert.

Professor Fleischer überschrieb seine Thesen „Auf das dynamische organische Ganze kommt es an“. Es umfasst die, in einem solchen (im weitesten Wortsinn) „Organismus“ obwaltenden kooperativen Wirkungsbeziehungen, die bedingte und unbedingte Steuerung und Regelung sowie die variablen Wahrscheinlichkeiten der sie wandelnden komplexen Prozesse, die typischen Kausalitätsketten in ihren wesentlichen Ursache-Wirkungs-Bezügen sowie das interne und externe Gefüge determinierender Einflüsse sowie die – ebenfalls ambivalenten – Ergebnisse, einschließlich einer Sektorkopplung1 als minimale Integration (ESI). Inter- und transdisziplinär müssen in diesem Sinn die naturwissenschaftliche, technikwissenschaftliche, sozial- sowie kulturwissenschaftliche Expertise und das prädikatenlogische „Wenn-Dann-Konditional“ vollständiger erschlossen werden. Er stellte fest, dass die staatlichen Ziele hinsichtlich der qualitativen Umgestaltung der Energetik und des durchgreifenden Klimaschutzes über konkrete Maßnahmen deutlich hinter den objektiven Erfordernissen und Erwartungen zurückbleiben. In Anbetracht dieser Herausforderungen wird ein grundsätzliches Umdenken in der Energiepolitik gefordert. Dies wird von einigen Protagonisten und Institutionen bewusst mit dem Qualitätssignum Energiewende 2.0 für das konsequent anzustrebende sozio-technische System apostrophiert.

Dr. Jeremias wies in seinen einführenden Worten darauf hin, dass für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit von energetischen Maßnahmen die Bilanzkreise (häufig vorsätzlich) zu eng gewählt werden. Im Ergebnis werden externe und mittelbare Kosten für fossile Brennstoffe nicht oder ungenügend berücksichtigt. Das ist dringend korrekturbedürftig, wenn Ziel-Mittel-Relationen den Realitäten näherkommen sollen und gerechtfertigte Schlussfolgerungen gezogen werden sollen.

Dr. Land zeigte auf, dass durch gesetzliche Neuregelungen zur Energiewende die Chancen auf eine bürgernahe, teilhabeorientierte Energiewende vertan werden. Es ging nie um eine vollständig dezentrale Gestaltung, sondern immer um einen neuen Mix dezentraler und zentraler Komponenten. Über 100 Dörfer, vor allem deren Bürgermeister und Gemeindevertreter Mecklenburg-Vorpommerns, aber auch engagierte Bürger, einige Landwirte und Unternehmer, wollten von 2009 bis 2015 das EEG nutzen, um eine neue wirtschaftliche Grundlage gerade für periphere und einkommensschwache ländliche Räume zu erschließen und die Teilhabe die Bürger besonders mit kleinen und mittleren Einkommen möglich zu machen. Fast 10 Jahre später muss man den Traum als geplatzt und die Bewegung als im Wesentlichen gescheitert betrachten. Gründe für das Scheitern sind insbesondere die Rücknahme der EEG-Förderung für Biomasse und erschwerte Bedingungen für kleine lokale Akteure durch Ausschreibungsverfahren etc. pp. sowie das Fehlen der gemeinwohlorientierten Gestaltung der Rahmenbedingungen, insbesondere der Entscheidung über Standorte für Windkraftanlagen.

Dr. Mertzsch ging in seinem Beitrag auf die historische Dimension der Energiewende und die Ambivalenz der Einkommensenergien ein. Zu allen zivilisationsgeschichtlichen Zeiten waren die individuellen sowie die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsweisen von der Struktur und Leistungsfähigkeit ihres mehr oder minder komplexen Energiesystems abhängig, formierte die Energetik typische und maßgebliche Grundlagen jedweder Existenz und Evolution der menschlichen Gesellschaft sowie deren sozialer Strukturen.

Dipl.-Ing. Meyer zeigte insbesondere Möglichkeiten zur Verbesserung der Akzeptanz von Windkraftanlagen in den Kommunen und bei den Bürgern auf. Die Akzeptanz der Bürger für den weiteren Ausbau von WKA im Binnenland zu erreichen ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Zu groß ist die Angst vor einer Wertminderung der eigenen Wohngrundstücke sowie gesundheitlich nachteiligen Folgen Überdies ging er auf die Probleme der Energieeffizienz ein. Er fordert die Entwicklung von Finanzierungsmodellen für die Energiewende, die über das EEG und die Netzentgelte hinausgehen, die die Lasten gleichmäßig verteilen sowie Bürger und Kommunen wirtschaftlich partizipieren lassen.

Dr. Wolf verwies darauf, dass für die Energiewende die ‚Energielehre‘ zur Gestaltung einer solaren Stoff- und Energiewirtschaft fortgeschrieben werden muss. Das Markenzeichen dieser solaren Stoff- und Energiewirtschaft ist eine effektive Energieversorgung ohne stoffliche und thermische Belastung der Biosphäre. Damit gehorcht die solare Stoff- und Energiewirtschaft der optimalen Anpassung des Menschen an die Natur. Auch in dem neuen Energiesystem wird Wasserdampf ein bevorzugtes Arbeitsmittel bleiben. Dr. Wolf unterbreitete zudem einen, in seinen Thesen ausführlich erläuterten Vorschlag zur Präzisierung der Klimamodelle, der einer gesonderten Diskussion bedarf.

In der Diskussion wurden nachfolgende Konstellationen, Probleme bzw. Lösungsvorschläge thematisiert:

  • Mit der Energiewende in Deutschland setzt die Energiepolitik als essentieller Teil einer zumindest deklarierten „nachhaltigen Gesellschaftspolitik“ in dem bisher unzureichend koordinierten dynamischen Mix aus Primärenergieträgern (traditionellen Vermögens- und Einkommensenergieträgern2) verstärkt auf erneuerbare und sich erneuernde Energieträger sowie einen ordnungspolitisch ordinierten speziellen technologischen Fortschritt.
  • Der Ausbau der EET ist der bisher einzige, klar erfolgreiche Teil des Energiewende-Konzepts, wenn die Wertung nur die rein quantitativen energetischen Aspekte erfasst.  
JAHR 2000 2005 2010 2015 2016
Bruttostromerzeugung
Anteil in %
6,6 10,1 16,7 28,9 29,0
Gebrauchsenergieverbrauch
Anteil in %
2,2 4,1 6,6 7,0 7,2
Primärenergieverbrauch
Anteil in %
2,9 5.3 9,9 12,4 12,6

Abb. 1: Anteile der Einkommensenergieträger (EET, EE, RET) in Prozent an der Bruttostromerzeugung, dem End-/Gebrauchsenergieverbrauch und dem Primärenergieverbrauch. igene Darstellung nach Statistisches Bundesamt (2017): https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/Energie/Energie.html

  • Mit Bezug auf die Strategien der Energiewende muss ausdrücklich betont werden, dass es sich um ein Ensemble anwendergerechter Energien (Gebrauchs-/Endenergien) beachtlicher Mengen mit steigender Tendenz handelt (Gebrauchs-/Endenergien: 2007: 8.585 Petajoule [1 PJ = 1015 J]; 2009: 8.714 PJ, 2010: 9.056 PJ, 2016: 9.152 PJ). Sie fungieren wie eine „Drehtür“ zwischen der Primärenergie und der Nutzenergie. Das Statistische Bundesamt gibt für 2010 den Anteil der EET an der Bruttostromerzeugung mit 16,7% (2014 mit 25,9%, 2016 mit 29%) und den am gesamten Endenergieverbrauch 2010 mit 6,6% (2014 mit 6,8%, 2016 mit 7,2%) an.3 Bei einem Anteil der EET an der installierten elektrischen Leistung von 35,2% betrug 2016 ihr Beitrag zur tatsächlichen EE-Bruttoerzeugung in Deutschland nur 17,25%.
  • Gefordert sind mengen- und zeitgerecht die GE elektrische Energie, Träger thermischer Energien in allen Aggregatszuständen (dominierend als flüssige und gasförmige Phasen – Fluida) und chemische Energieträger (Brennstoffe, Kraftstoffe, Treibstoffe agrarischen und/oder fossilen Ursprungs sowie eigens synthetisierte Gase) Der überragende Rang der elektrischen Energie ist unbestritten, was die Bedeutung der anderen angeführten Gebrauchsenergien – insbesondere der thermischen Energie (Wärme) keinesfalls herabsetzen soll und darf. Im Wärmesektor gibt es – gemessen an den objektiven Anforderungen der Energiewende – beträchtliche Realisierungs-Defizite. In Deutschland dominieren unter den EET die Windenergieanlagen und die Photovoltaik während in der globalen Bilanz zum Vergleich die Majorität der „Wasserkraft“-Nutzung (83%) und der marginale Anteil der Photovoltaik auffallen. 2017 wurden 37% des gesamten Bruttostroms aus Kohle gewonnen. Im Jahr 1990 stammten 57% des Stroms aus Braun- und Steinkohle. Auch wenn Kohle 2017 nach wie vor der wichtigste Energieträger war, nimmt die Bedeutung der Einkommensenergieträger immer weiter zu: Während 1990 nur knapp 4% des gesamten Stroms aus EET stammten, waren es 2017 bereits 33%. Die Kernenergetik verlor zeitlich parallel erheblich an Relevanz: Wurden 1990 noch 28% des gesamten Bruttostroms aus Kernenergie gewonnen, sank der Anteil bis 2017 auf 12%.
  • Die staatlichen Ziele hinsichtlich der qualitativen Umgestaltung der Energetik und des durchgreifenden Klimaschutzes sind zwar ambitioniert, konkrete Maßnahmen zu deren Realisierung bleiben jedoch deutlich hinter den objektiven Erfordernissen und Erwartungen zurück. Dynamische, dennoch ausreichend geschlossene und gesamtgesellschaftlich akzeptierte Konzepte zur weitsichtigen problembewussten Planung und vertrauenswürdigen Führung sowie Organisationsmodelle zum umfassenden und zuverlässigen Management dieses – nach Meinung einiger Protagonisten revolutionärenTransformationsprozesses zur in Deutschland angestrebten nachhaltigen Gesellschaft mit einem dazu adäquaten Energiesystem, sind lediglich in Ansätzen vorhanden und noch erheblich entwicklungsbedürftig.Gefordert ist tatsächlich ein umfassendes Kompendium sozio-technischer, sozio-ökonomischer bis sozio-kultureller Bewertungs-Kriterien und deren gesellschaftliche „Gewichtung“.–   Zahlreiche Einwände betreffen die ökonomischen Perspektiven der Energiewende im Fokus der Ordnungspolitik und damit in einem Spannungsfeld. Die steuernden und regelnden Märkte sowie die Governance der Energiewende stehen in dialektischen Widersprüchen: bedingen einander, verlangen – unter den essentiellen Anforderungen der Bezahlbarkeit der Energie, der Zuverlässigkeit und der Sicherheit der fortschreitend digitalisierten Infrastruktur – nach einem entwicklungsstimulierenden Marktdesign sowie nach „intelligenten“ Regulierungsmechanismen. Volkswirtschaftliche Belange spielen bisher in den öffentlichen Diskussionen zur Energiewende eine untergeordnete Rolle.
  • In mannigfaltigen Wechselwirkungen und enger Verflechtung der gesellschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Entwicklung unterliegt das tendenziell nachhaltigere Energiesystem in seiner sektoralen und Makrostruktur einem schrittweisen, selbstinduzierten und selbstinstruierenden Wandel, zugleich definieren Wissenschaftsstrategien und konkurrierenden Intentionen verschiedener Politik-Felder das Geschehen.
  • Wiederholt wurde – angesichts des unzureichenden Standes der Umsetzung der Energiewende – von einem ‚Politikversversagen‘ gesprochen. Auch wenn die „Wenden“ sich meistens als bahnbrechende technisch-technologische Veränderungen erweisen, so lassen sie sich weder hinsichtlich der Mittel noch der Ziele darauf reduzieren. Einen komplexen Schwerpunkt markieren die Kosten und ihre teils sachwidrig motivierten „Zuweisungen“, weil sie im Sozialbereich die problematischsten Folgen zeitigen und die Akzeptanz des deklaratorisch gesellschaftlichen Gemeinschaftswerks gefährden.
  • Ausdrücklich thematisierte die Diskussion die Regelungsziele und Regelungs-mechanismen der Energiewende, sowie die teils umstrittenen – obgleich häufig als alternativlos deklarierten – Lösungsvarianten. Es ist problematisch, dass der Strommarkt nahezu total geregelt und damit unflexibel wird, während der energietechnisch und soziökonomisch kaum minder ausschlaggebende ‚Wärmemarkt‘ nahezu ungeregelt bleibt. Beides erweist sich als erheblicher Nachteil für die Gesellschaft und für einige Konsumenten, insbesondere die Privathaushalte sowie das Gewerbe. Es ist ein mehrfach herausforderndes ökonomisch-ökologisches Gebot, die faktisch obwaltende „Stromwende“ umgehend zur tatsächlichen Energiewende mit einer integrierten „Wärmewende“ und einer planmäßig einzuleitenden „Verkehrswende“ zu komplettieren.
  • Der Energiesektor hat bei den Treibhausgasemissionen eine Schlüsselfunktion. Er bewirkt derzeit mehr als 80% der Emissionen in Deutschland. Die Stromerzeugung ist dabei für über 40% der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. Die Minderungspotentiale im Stromsektor sind zudem besonders hoch: Mit einer effizienten Stromnutzung, rationellen Energieumwandlung und einer Energieversorgung, die vollständig auf Einkommensenergieträgern beruht, ist es theoretisch möglich, die Treibhausgasemissionen auf nahezu Null zu senken.
  • Möglichkeiten zur Verbesserung der gesellschaftlichen und individuellen Akzeptanz der Energiewende wurden diskutiert. So sollten die Kommunen wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten z.B. über spezifische Fördermöglichkeiten vor Ort erhalten und bis zur finanziellen Bewältigung befähigt werden. Bürgerinitiativen und beteiligungen beim Umbau der Energiebasis werden zunehmend – zuletzt mit Willensbekundungen und Einigungen der neuen „Groko“ – eingeschränkt oder sogar kaum noch ermöglicht, obwohl die Regierung lange Zeit beteuerte, dass diese Neugestaltung nur mit Bürgerbeteiligungen vor Ort, wie Bürgerwindparks, der Bio-Energiedörferbewegung etc., gelänge. Wahrscheinliche weitere Änderungen des EEG, wesentlich größere Ausschreibungsvolumina, das anvisierte „Zukunftsmodell“ der Liefervereinbarung über den langfristigen direkten Bezugs von Strom aus Einkommensenergieträgern (Power Purchase Agreements) und in die Zukunft verschobene Realisationen von Klima – und Substitutionszielen sprechen für diese These. Das inzwischen verabschiedete EEG 2017 soll die nächste Phase der Energiewende formen.
  • Das Thema Energieeffizienz ist bei der Diskussion der Energiewende weiter zu priorisieren. Erst daraus ergibt sich der zwingend notwendige Umfang des Ausbaus der Einkommensenergien. Die Weiterentwicklung und der Aufbau von Energiespeichern vor allem für „Strom“ (elektrische Energie), „Wärme“ (thermische Energie) und komprimierte Gase (mechanische und stoffliche Energie) sind unentbehrlich für die partielle Entkopplung der Erzeuger von den Verbrauchern, für die speziellen dynamischen Leistungsgleichgewichte zwischen ihnen, d.h., für den Ausgleich des tages- und jahreszeitlich divergierenden Bedarfs und der Erzeugung von Gebrauchsenergien. Lastverschiebungen bieten bei Groß- und Kleinverbraucher eine Ergänzung.
  • Der aktuelle Ansatz zur Elektromobilität ist offensichtlich bereits falsch gewählt. Zunächst sind Mobilitätskonzepte für eine Verkehrswende, mit der Priorität der Verkehrsvermeidung zu entwickeln. Das ist auch die Grundlage für eine vorrangige Entwicklung der erforderlichen Infrastruktur. Erst darauf aufbauend sollte gesehen werden, wie und in welchem Umfang Elektromobilität notwendig und möglich ist. Der Sektor Verkehr ist der dritte große Verbrauchsbereich für Energie in Deutschland.
  • Der Bereitstellung der Vielzahl und Vielfalt notwendiger Rohstoffe für die Energiewende (Stoffstrom-Management) ist verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Stellungnahme der acatech vom Februar 2017 hebt zwar hervor, dass es weltweit genügend Metalle und Energierohstoffe für die Energiewende gibt. „Die Versorgung hängt jedoch davon ab, wie sich die Rohstoffpreise entwickeln, wie transparent und zugänglich die Märkte sind und ob hohe Umwelt‐ und Sozialstandards im Bergbau erzielt werden können“. (vgl. www.acatech.de/…/akademien-veroeffentlichen-stellungnahme-rohstoffe-fuer-die-energiewende…)
  • Die Zukunft der Lausitz könnte mit dem Auslaufen der Kohleförderung im Stoffstrom-Management (Recycling etc.) und der modifizierten Weiternutzung der Kraftwerksstandorte als Energiespeicherstandorte liegen. Die Thematik der bestmöglichen Gestaltung der Energiewende 2.0 (!) bleibt in der objektiv gebotenen inhaltlichen und methodischen Breite nicht nur aktuell, sondern ist angesichts des inzwischen erreichten Entwicklungsniveaus und – mehr noch – wegen der bisher unbewältigten sowie der neuen Herausforderungen ins Zentrum der besonderen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt.   

Eine fundamentale Schlussfolgerung besteht darin, mit der Bezeichnung Energiewende 2.0 die soziotechnische Systemkomponente mit allen Voraussetzungen und Ergebnissen zu exponieren (vgl. „Schwerpunkt: Energiewende 2.0 – vom technischen zum soziotechnischen System?“. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, Jg. 22, Nr. 2, S. 11–62. – URL: http://www.tatupjournal.de/downloads/2013/tatup132.pdf).

Die Diskussion belegte erneut die hohe – nur teilweise ‚organisierte‘ – Komplexität der Energiewende, der man mit den üblichen exponierten Beschreibungen von Ausbauzielen für Einkommensenergien nicht einmal in erster Näherung gerecht wird. Dieser Sachverhalt wurde in der Debatte mit der Metapher beschrieben: „Die Energiewende ist so komplex, dass sie eigentlich von Philosophen gesteuert werden müsste.“

Professor Dr. Lutz-Günther Fleischer (MLS)                                 Dr. Norbert Mertzsch (MLS / VBIW)

 

1 Integrated energy systems (ESI): insbesondere Hybridnetze sektorgekoppelte Energiesysteme; Smart energy systems komplett integrierte Systeme.ESI meint eine ganzheitliche Sicht auf alle Energiesysteme sowie deren gekoppelte Nutzung Es vernetzt die verschiedensten Energieformen – elektrische, thermische, stofflichen, mechanische – und die Energiesektoren untereinander  sowie mit anderen materiellen oder institutionellen Strukturen, die das Funktionieren einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft begünstigen: Infrastrukturen wie Wasserwirtschaft, Transport und Datennetze …

2 Der Begriff Einkommensenergieträger(EET, RET, EE) präzisiert unter dem Gesichtspunkt ihrer Genesis und deren originärer Merkmale die universelle Kategorie Energie. Er beschreibt jene, Energie enthaltenden und übertragenden Stoffe, Impulse, Strahlungen und Felder, die in einem bestimmten Zeitintervall einem Bilanzraum zufließen oder/und in ihm transformiert werden. Nur in diesem Sinn sind sie erneuerbare bzw. sich selbst erneuernde Energieträger. Dem stehen hinsichtlich ihres Ursprungs und Charakters die Vermögensenergieträger wesentlich enger limitierte, prinzipiell erschöpfbare natürliche Ressourcen – gegenüber.

3 Vgl. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/Energ