Bericht zum Vortrag von Prof. Dr. Michael Succow im Plenum am 13. Juni 2024

Bericht zum Plenum der Leibniz-Sozietät am 13. Juni 2024 im Rathaus Berlin-Friedrichshagen

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. veranstaltete ihr Juni-Plenum am 13.06.2024 im Ratssaal des Historischen Rathauses Berlin-Friedrichshagen. Einleitend begrüßte die Präsidentin der Leibniz-Sozietät, Gerda Haßler, die im Ratssaal Teilnehmenden sowie die per Zoom zugeschalteten Kolleginnen, Kollegen und Gäste.

Michael Succow bei seinem Plädoyer als „Anwalt der Moore“ im Plenum der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin am 13. Juni 2024 (Foto Frank Kuchenbuch, Natur+Text Rangsdorf).

Vortragender des Plenums zum Thema „Nasse Moore braucht das Land“ war Prof. Dr. Michael Succow, Emeritus für Geobotanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald. Als Moderator der Veranstaltung agierte Ekkehard Höxtermann (Mitglied der Leibniz-Sozietät).

Michael Succow erörterte in seinem Vortrag die geographische Verbreitung und ökologische Bedeutung der Moorlandschaften, analysierte ihren aktuellen Zustand in Deutschland und zog eine dramatische Verlustbilanz, die strikte, langwierige Gegenmaßnahmen durch Wiedervernässung und Revitalisierung von Mooren erfordern. Im Einzelnen wurden folgende Zusammenhänge, Entwicklungen und Herausforderungen dargelegt:

Zur Verbreitung und Bedeutung der Moore

Deutschland war einst ein Moorland mit einer großen Vielfalt: den Salzmooren an der Küste, den Regenmooren Nordwestdeutschlands, den mächtigen Flusstalmooren im südlichen Ostseeraum, den Mooren der Mittelgebirge, des Alpenvorlandes und Alpenrandes. Die ursprüngliche Moorfläche dürfte mehr als fünf Prozent der Landfläche betragen haben. In den nördlichen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg) waren gar mehr als zehn Prozent der Landfläche mit Mooren bedeckt. Über Jahrtausende erfüllten sie für den Landschaftswasserhaushalt und das Klima wichtige Funktionen.

Im 18. Jh. begannen die Menschen, Moore für Ackerbau und Beweidung zu nutzen und durch Torfabbau und Entwässerung zu zerstören, was insbes. mit der Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jh. zu großflächigen Moorverlusten führte. Wirklich ungestörte Moorlandschaften existieren heute nur noch vereinzelt.

Doch die Moore gehören zu den bedeutendsten CO2-Senken unserer Biosphäre. Das gilt aber nur, solange die Pflanzendecke des Moores Wasserüberschuss aufweist und der sich aufbauende Torfkörper sauerstofffrei bleibt. Jede Form der Entwässerung kehrt dieses Prinzip um! Trockengelegte Moore verursachen in Deutschland 37 Prozent aller landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen, bei einem Anteil von sieben Prozent an der landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Zum aktuellen Zustand der Moore in Deutschland – Eine Verlustbilanz

Von der Gesamtfläche organischer Böden in Deutschland werden derzeit über 90 Prozent weiterhin entwässert und sind mehr oder weniger in Nutzung, nur ca. vier Prozent bilden noch oder wieder Torf! Dabei handelt es sich vor allem um Moore im Voralpenraum, in den Mittelgebirgen und einige große, wiedervernässte Moore in Norddeutschland. Die entwässerten Moore Deutschlands verursachen derzeit jährlich 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, das sind sieben Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland (UBA 2021). Damit erzeugen Moore als relativ kleine Landflächen sehr hohe Emissionen. Besonders augenfällig ist das bei den landwirtschaftlich genutzten Mooren: die Klimafolgekosten der derzeitigen entwässerungsbasierten landwirtschaftlichen Moorbodennutzung in Deutschland belaufen sich auf jährlich 7,2 Milliarden Euro – das entspricht der Netto-­Wertschöpfung der gesamten deutschen Land­wirtschaft im Jahr 2018 (BfN-Skripten 616, 2021).

Effiziente Maßnahmen für eine klimaneutrale Landnutzung

Die Wiedervernässung von Mooren, also die Anhebung der Wasserstände bis zur Geländeoberkante, reduziert die Treibhausgasemissionen erheblich. In einem moorreichen und industriearmen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern bietet die Moorwiedervernässung das Potenzial, bis zu 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Erhalt der Moorböden als Kohlenstoffspeicher und perspektivisch das Wiederherstellen als Kohlenstoffsenken in unserer Kulturlandschaft ist eines der wichtigsten und effizientesten Handlungsfelder im Rahmen eines naturbasierten Klimaschutzes.

Dabei muss uns bewusst sein, dass diese „neuen Moore“ aufgrund der degradierten Oberböden, hoher Nährstofflasten und des gestörten Landschaftswasserhaushalts nicht denen gleichen, die sie vorher waren. Alternative Nutzungsformen für revitalisierte Moore und winterlicher Überstau sind notwendig, um den „Selbst-Oligotrophierungseffekt“ eines wachsenden Moores in einer aktuell überernährten Landschaft zu beschleunigen. Für viele der wiedererstellten semiaquatischen Ökosysteme ist mit dem Ansatz der „Paludikultur“ eine ganze Palette von alternativen Nutzungsformen bei gleichzeitigem Torferhalt bzw.  allmählicher erneuter Torfbildung gegeben, verbunden mit der Hoffnung auf Wiederkehr der einst hier herrschenden Biodiversität.

Agrarpolitische Herausforderungen

Große Aufgaben stehen vor uns, um zu einer „klimaneutralen Landnutzung“ als einzig zukunftsfähiger Form umzusteuern. Wachsende, funktionstüchtige Moore spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Dafür müssen die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden: Die EU­-Agrarförderungen stehen derzeit noch immer ohne Einschränkungen für entwässerte landwirtschaftlich genutzte Moore zur Verfügung. Damit werden öffentliche Gelder für eine Landnutzung bereitgestellt, die hohe gesellschaftliche Kosten verursacht und den europäischen und nationalen Zielen zum Klimaschutz, Gewässerschutz und Biodiversitätserhalt konträr entgegensteht. In vielen Fällen ist die Wertschöpfung auf Moorböden zudem so gering, dass die Bewirtschaftung erst durch die hohen gesellschaftlichen Transferzahlungen wirtschaftlich tragfähig wird. Im Gegensatz dazu werden Paludikulturen durch die aktuellen agrarpolitischen Rahmenbedingungen stark benachteiligt, da sie zumeist nicht als beihilfefähig angesehen werden. In der nächsten Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 wird sich dies zum Glück ändern.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen umgehend so viele Moore wie möglich wiedervernässt werden, soweit dafür noch genügend Wasser verfügbar ist. Neben den verringerten Emissionen, einer hohen Verdunstung und damit Kühlung ist die rasche Besiedelung derartiger Feuchtgebiete durch gefährdete, selten gewordene Tier- und Pflanzenarten zu erwarten. Wiedervernässte Moore haben auch eine wachsende Bedeutung für den naturorientierten Tourismus. In diesem Sinne: Neue, nasse Moore braucht das Land – um die Natur und unserer selbst willen!

Das Auditorium der Plenarsitzung der Leibniz-Sozietät mit Präsidentin Gerda Haßler (Potsdam) und Vizepräsident Wolfgang Methling (Rostock)

Dem überzeugenden Plädoyer von Michael Succow für den Schutz und die Wiederbelebung von Mooren folgte eine angeregte Diskussion, in der es unter anderen um die Wirtschaftlichkeit von Paludikulturen, augenfällige Differenzen von klima- und sozialpolitischen Perspektiven der Landnutzung oder unzureichende Voraussetzungen für den Artenschutz (wie das Manko von Artenkenntnissen im Schulunterricht) ging.

Wesentliche Quellen und weiterführende Hinweise zum Thema finden sich auf der Website der Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur (https://www.succow-stiftung.de/) und in der im März 2024 erschienenen Neuauflage des Buches von Michael Succow und Lebrecht Jeschke über „Deutschlands Moore – Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft“ (https://naturundtext.de/index.php/neuheiten/deutschlands-moore-zweite-auflage).