Bericht zum Kolloquium der Leibniz-Sozietät anlässlich des 250. Geburtstages Alexander von Humboldts

Am 10. Oktober 2019 veranstaltete die Leibniz-Sozietät das Kolloquium „Mosaicum zum Denken, Wollen und Wirken Alexander von Humboldts“.

Präsident Rainer E. Zimmermann bei seiner Eröffnung

 

Im Plenarsaal des Rathauses Berlin-Tiergarten begrüßte der Präsident der Leibniz-Sozietät Rainer E. Zimmermann über 60 Mitglieder und Freunde der Sozietät. In seiner Eröffnung ging der Präsident auf die außergewöhnliche Lebensleistung Alexander von Humboldts ein und hob dabei den Gedanken von der „makroregionalen Wissenschaft“ in Verbindung mit einer umfassenden „Interdisziplinarität“ in seinen Ausführungen besonders hervor. Er stellte damit den Bezug zwischen dem Wirken Alexander von Humboldts im 18. Und 19. Jahrhundert und dessen heutiger Aktualität her.

 

Nach der Eröffnung folgten im Verlauf des Kolloquiums acht Fachvorträge, die von Lutz-Günther Fleischer, Gerhard Pfaff und Ekkehard Höxtermann moderiert wurden.

 

 

Petra Gentz-Werner (Berlin):
Maler und Zeichner als Chronisten der Natur? Zur Zusammenarbeit Alexander von Humboldts mit bildenden Künstlern

Die Vortragende stellte die Frage in den Mittelpunkt, welche Bedeutung Humboldt Illustrationen beimaß und wie diese entstanden. Dabei wurde herausgearbeitet, wie Humboldt bei der Herausgabe seines Reisewerks mit namhaften Malern seiner Zeit zusammenarbeitete. Fragen wie die, ob die Künstler für Humboldt Chronisten im Sinne von Abbildungen der Realität waren oder aber künstlerische Gestaltungsfreiheit hatten, wurden anhand von Beispielen erläutert und beantwortet.

Hans-Otto Dill (MLS):
Alexander von Humboldt und die Methodologie der Sozial-und Geisteswissenschaften

 In seinem Beitrag analysierte Hans-Otto Dill den Beginn des Antagonismus zwischen Natur und Kultur am Anfang des 19. Jahrhunderts anhand des von Alexander von Humboldt vorgenommenen Vergleichs zwischen dem wirtschaftlich fortgeschrittenen frühkapitalistischen Westeuropa und dem vormodernen Lateinamerika. Dabei wurde herausgearbeitet, dass Humboldt nicht nur das damalige Verhältnis zwischen Westeuropa und seinen Kolonien, sondern auch die sich verändernden Geld- und Kapitalverhältnisse genau analysiert und erkannt hatte.

Dagmar Hülsenberg (Ilmenau):
Alexander von Humboldts nahezu unbekannte Einflussnahme auf die Herstellung von Porzellan

Der Vortrag zeigte auf, wie sich Alexander von Humboldt in den Jahren 1792-1795 auftragsgemäß mit der Herstellung von Porzellan beschäftigte. An die erste Inspektion einer Porzellanmanufaktur in Bruckberg im Jahr 1792 schlossen sich während seiner Tätigkeit als leitender Bergbeamter in den an Preußen gefallenen fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth bis 1795 weitere Untersuchungen zur Porzellanherstellung an. Wesentliche Beiträge leistete Humboldt in dieser Zeit bei der Verbesserung des Produktionsprozesses, bei der Weiterentwicklung der Ofentechnik sowie bei der Gründung der Porzellanmanufaktur Tettau.

 

Peter Kühn (Berlin):
Alexander von Humboldt und die innere Wärme der Erde

Der Vortrag behandelte das Interesse Alexander von Humboldts an der möglichst genauen Messung physikalischer Daten, speziell von Temperaturen mit den gegen Ende des 18. Jahrhunderts verfügbaren Thermometern. Humboldt nahm als erster Wissenschaftler geothermische Messungen in einem Bergwerk vor und untersuchte parallel dazu die Welt „unterirdischer Pflanzen“. Später gelang es ihm, erste Gesetzmäßigkeiten der Temperaturverteilung auf der Erde zu erkennen. Hierzu untersuchte er die Temperaturabhängigkeit von der Höhe und von allen ihm zugänglichen Tiefen (in Seen, Meeren, Tunneln und Bergwerken).

Karl-Heinz Bernhardt (MLS):
Alexander von Humboldts Wirken für die Klimatologie aus heutiger Sicht

Schwerpunkte des Beitrags waren: Humboldts Begriffsbestimmung des Klimas durch seine Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, die Einführung der isothermen Linien mit der erstmaligen Darstellung der (semi)globalen Verteilung der Jahresmitteltemperaturen an der Erdoberfläche nach Messdaten sowie ein erster Überblick über die Komponenten des Klimasystems einschließlich der Biosphäre und unter besonderer Berücksichtigung des Ozeans. Menschliche Einflüsse auf das regionale Klima, die Humboldt mehrfach warnend beschrieb, sah er in erster Linie als Folge von anthropogenen Veränderungen der Erdoberfläche, insbesondere durch Waldrodung, Ackerbau und Trockenlegung. Abschließend ging der Vortragende ein auf die Anregungen Humboldts zur Errichtung des Preußischen Meteorologischen Instituts sowie eines meteorologischen Messnetzes in Russland.

Lutz-Günther Fleischer (MLS):
Die Naturwissenschaften als Quell und Mittel der Welterkenntnis sowie des Weltverständnisses in Alexander von Humboldts dynamischer Wissenschaftskonzeption und in der Gegenwart

Der Vortragende zeigte auf, dass die Darstellung von Naturphänomenen in Wissenschaft und Kunst im Mittelpunkt ganz unterschiedlicher Aktivitäten Alexander von Humboldts stand. Humboldt begriff und interpretierte die Natur als Einheit aller Erscheinungen und Prozesse, der unbelebten Materie wie auch der mannigfaltigen Lebewesen. Der Beitrag stellte dabei charakteristische Merkmale heraus, prägende Eigenheiten, die rezente Wissenschaftsentwicklung fördernde Momente sowie die Aktualität und die Zukunftsträchtigkeit der dynamischen Humboldt´schen Wissenschaftskonzeption. Zudem wurden Humboldts revolutionäre Auffassungen und seine innovative ganzheitliche Methodologie an ausgewählten Problemen erörtert. Schließlich stellte der Vortragende einige orientierende Leitlinien und Grundgedanken vor, die das wissenschaftliche Konzept Humboldts in Verbindung mit dessen Auffassungen zur Wissenschaftspraxis und seinem Weltbild anschaulich demonstrieren.

Axel Müller (Oslo), Henrik Friis (London) & Ralf Thomas Schmitt (Berlin):
Alexander von Humboldt – ein Protagonist der Erstellung und Förderung wissenschaftlicher Sammlungen für die öffentliche Bildung und Forschung

Alexander von Humboldt, der sein Leben lang von der Natur fasziniert war, sammelte bereits als Kind Gesteine, Minerale und Pflanzen. Dieses Interesse, so machte es der von Axel Müller gehaltene Vortrag deutlich, fand seinen Ausdruck auch und besonders auf Humboldts Reisen nach Lateinamerika und Russland. Humboldt interessierten von Anfang an auch die globalen Zusammenhänge, was z. B. in den Vergleichen der Gebirgsketten der Anden und des Urals zum Ausdruck kam. Er legte später selbst keine eigenen Sammlungen mehr an, stellte aber sein gesammeltes Material genauso wie seine vielfältigen Geschenke staatlichen Institutionen zu Verfügung, damit diese Objekte für Forschung und öffentliche Bildung genutzt werden konnten. Humboldt kann damit als Pionier der Erstellung und Nutzung wissenschaftlicher Sammlungen angesehen werden.

Ralf Thomas Schmitt  (Berlin) & Ferdinand Damaschun (Berlin):
Alexander von Humboldt: Minerale und Gesteine im Museum für Naturkunde Berlin

Der von Ralf Thomas Schmitt gehaltene abschließende Vortrag des Kolloquiums beschäftigte sich mit Humboldts Interesse an Mineralen und Gesteinen. Viele der von ihm gesammelten Exponate gab er an das Preußische Königliche Mineralienkabinett weiter, einem Vorläufer des heutigen Museums für Naturkunde Berlin. Mehr als 1.100 Minerale und Gesteine von bzw. im Kontext zu Humboldt sind so in die Museumssammlung gelangt. Im Unterschied zu seinen botanischen Proben wurden diese Objekte in der Vergangenheit in der Forschung und der Fachliteratur kaum beachtet. Eine zusammenfassende Darstellung fehlte bisher ganz. Erst durch die in den letzten 25 Jahren vorangetriebene digitale Inventarisierung der Mineralogischen Sammlung konnte ein Überblick über die auf Humboldt zurückgehenden Minerale und Gesteine erhalten werden.

Blick in das Auditorium

Es ist vorgesehen, die Vorträge gegenwartsnah in einem Band der „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ zu publizieren.

Gerhard Pfaff
Fotos: Dietmar Linke, außer Bild von Petra Gentz-Werner (privat)