Bericht und Video-Mitschnitt der Juni-Sitzung 2020 des Plenums der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin (Videokonferenz) 18. Juni 2020
Die Plenarveranstaltung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften fand am 18. Juni 2020 in Form einer Videokonferenz zum Thema
Coronakrise: Schützenhilfe für einen organisierten Kapitalismus
statt.
Vortragende: Frau Prof. Dr. Andrea Komlosy (MLS, Universität Wien)
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Nach einer Einführung der Klassensekretarin für Sozial- und Geisteswissenschaften, Frau PD Dr. Kerstin Störl, sprach die Referentin, Frau Prof. Dr. Andrea Komlosy (MLS), a. o. Professorin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, zum o. g. Thema. Sie arbeitet zu Fragen ungleicher regionaler Entwicklung im kleinräumigen und weltregionalen Maßstab und ist Vorsitzende des Vereins für Geschichte des Weltsystems und Mitherausgeberin der „Zeitschrift für Weltgeschichte“.
In ihrem Vortrag konstatierte sie, dass das kapitalistische Weltsystem in vieler Hinsicht vor einem Wendepunkt steht. Der von Informations- und Kommunikationstechnologien getragene Konjunkturzyklus der 1990/2000er Jahre befinde sich im Abschwung, die von der US-Hegemonie getragene Weltordnung bröckele und mit der „just in time“-Produktion der globalen Güterketten seien die wirtschaftlichen Zentren nach Ostasien gerückt. Die von der Globalisierung der Kapital-, Waren- und Migrationsströme bewirkte Verunsicherung habe den Ruf nach dem Staat bestärkt und soziale Bewegungen entstehen lassen, die kleinräumiges Wirtschaften, ökologische Kreisläufe und soziale Gerechtigkeit einmahnen.
Frau Komlosy zeigte, dass das Corona-Krisenmanagement die Gelegenheit bietet, dem globalen Kapitalismus einen Weg aus einer zyklischen Krise zu weisen: Medizin-, Pharma- und Biotechnik-Sektor werden zum Träger einer kybernetischen Wende und der menschliche Körper wird zum Geschäftsfeld. Sie diskutierte vor dem Hintergrund von Kondratieff-, Hegemonial- und Evolutionszyklen, wie das Corona-Krisenmanagement die Weichen in Richtung autoritären Kapitalismus stellt.
Das große Interesse an diesem hochaktuellen Thema bestätigte sich durch die Teilnahme von ca. 45 Mitgliedern und Gästen der Leibniz-Sozietät sowie durch zahlreichen Fragen, die in der anschließenden Diskussion gestellt wurden. Der Videomitschnitt des Vortrages einschließlich der Präsentationsfolien ist Hier verfügbar.
Weiterführende Publikationen von Frau Prof. Dr. Andrea Komlosy mit Bezug zum Thema:
- Krisen, lange Wellen und die Weltsystemtheorie, in: Zeitschrift für Weltgeschichte 19.2 (2018), 207-242.
- (Hg.) Global Inequalities in World-Systems Perspective. Theoretical Debates and Methodological Innovations. London – New York 2018: Routledge (mit Manuela Boatcă und Hans-Heinrich Nolte).
- Arbeit 13.-21. Jahrhundert. Eine globalhistorische Perspektive. Wien 2015: Promedia
- Grenzen. Räumliche und soziale Trennlinien im Zeitenlauf. Wien 2018
Kerstin Störl