Bericht über das Symposium „Technologie und nachhaltige Entwicklung“

Der Arbeitskreis Allgemeine Technologie der Leibniz-Sozietät widmet sich seit 2001 verschiedenen Facetten und Fragestellungen einer Allgemeinen Technologie, vor allem in Form von Symposien. Die bisherigen Symposien waren folgenden Schwerpunkten gewidmet:

  • Allgemeine Technologie – Vergangenheit und Gegenwart (2001);
  • Fortschritte bei der Herausbildung der Allgemeinen Technologie (2004);
  • Allgemeine Technologie – verallgemeinertes Fachwissen und konkretisiertes Orientierungswissen zur Technologie (2007);
  • Ambivalenzen von Technologien – Chancen, Gefahren, Missbrauch (2010);
  • Technik – Sicherheit – Techniksicherheit (2012);
  • Technologiewandel in der Wissensgesellschaft – qualitative und quantitative Veränderungen – (2014).

Das siebte Symposium am 13. Mai 2016 behandelte im Rahmen eines Ehrenkolloquiums anlässlich des 80. Geburtstages von Ernst-Otto Reher die Thematik „Technologie und nachhaltige Entwicklung“. Das Wirken des Arbeitskreises ist sehr eng mit dem Namen Ernst-Otto Reher verbunden. So auch das aktuelle Symposium, welches aufgrund der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit und Technik für den gesellschaftlichen Wandel vielfältige Fragen aufwirft.

In seiner Eröffnungsrede verwies der Präsident der Leibniz-Sozietät, Gerhard Banse darauf: „Angesichts der Bedeutung des Technischen für gesellschaftlichen Wandel ist Nachhaltigkeit deshalb auch im Zusammenhang mit der Technik und ihrer Entwicklung einzufordern. Einerseits muss dazu dieses Prinzip zunächst im Prozess des Entwurfs, der Konzipierung, der Gestaltung und der Fertigung technischer Lösungen und sodann im Verwendungshandeln einen angemessenen Platz haben. Andererseits sind nach dem Potenzial technologischer Lösungen für nachhaltige Entwicklung sowie nach den Bedingungen, unter denen sich dieses Potenzial realisieren lässt, zu fragen“. Diese und weitere Facetten des Zusammenhangs zwischen nachhaltiger Entwicklung und Technikentwicklung waren Gegenstand des Symposiums. Gerhard Banse würdigte in seinen Eröffnungsbeitrag auch die Arbeit des Arbeitskreises. Dazu zitierte er vom I. Symposium: „Die Vortragenden waren bemüht, aus ihren speziellen Fachgebieten heraus an allgemeintechnologischen Überlegungen wie sie von Johann Beckmann bzw. von Horst Wolffgramm, Günter Ropohl, Josef Hölzl, Günter Spur u.a. bisher vorgezeichnet wurden, anzuschließen und durch Beiträge auf verschiedenen Hierarchieebenen zu konkretisieren“ (Banse/Reher 2002, S. 14). Zum Jubilar führte er aus: „Besondere danken wir Dir für die Mitwirkung in der Leitung des Arbeitskreises ‚Allgemeine Technologie‘ unserer Sozietät, der wesentlich zur deren theoretischer Begründung und Fundierung als Wissenschaft in statu nascendi beitrug sowie immer wieder überzeugend mit bislang sechs eintägigen Symposien zu aktuellen Themenkomplexen öffentlichkeitswirksam hervortritt.“

E.-O. Reher 2016, Foto: H. Hübner
E.-O. Reher 2016, Foto: H. Hübner

Im Einleitungsreferat „Technologie und nachhaltige Entwicklung“ gingen Gerhard Banse und Ernst-Otto Reher vom Verständnis nachhaltiger Entwicklung aus, wie sie 1987 im Bericht der Brundlandt-Kommission „Our Common Future“ gegeben worden war: ‚nachhaltige‘) Entwicklung ist eine Entwicklung, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Mit „Nachhaltigkeit“ ist eine zeitgemäße Zielvorstellung („Maxime“, „Leitbild“, „regulatorische Idee“) gegeben, denn angesichts der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der gegenwärtigen, auf enormer Naturausbeutung und Umweltbelastung basierenden Lebensart eines Teils der Menschheit einerseits und den bereits heute absehbaren Erfordernissen für die Sicherung der Existenz- und Entwicklungsbedingungen künftiger Generationen andererseits sind Konzepte notwendig, die sowohl politisches wie wissenschaftliches, sowohl individuelles wie gesellschaftliches Handeln in seiner „Zukunftsfähigkeit“ orientieren und befördern können. Bei der Konkretisierung des in zahlreichen nationalen und internationalen Dokumenten verankerten Leitbildes „Nachhaltigkeit / nachhaltige Entwicklung“ in den verschiedenen Politikfeldern und bei der Frage nach konkreten Zielen, Strategien oder Handlungsprioritäten gehen jedoch die Vorstellungen der am Diskurs Beteiligten auseinander. Der Konsens in Bezug auf das allgemeine Leitbild weicht sofort der kontroversen Diskussion, wenn es um Operationalisierungen und Konkretisierungen geht. Das betrifft bereits die Frage, in welchen „Dimensionen“ (vor allem ökologisch, ökonomisch, sozial und institutionell-politisch) Nachhaltigkeit konkret zu fassen und wie das Verhältnis dieser Dimensionen untereinander zu verstehen sein soll. Dafür wurde von den Vortragenden ein sogenanntes „Nachhaltigkeitsdreieck“ eingeführt. Für die Technik- und Technologie-Forschung wurden folgende Bereiche genannt:

  • Erkundung naturwissenschaftlicher Wirkprinzipien der Stoff- und Energiewandlung und ihre technologische Nutzung (z.B. Bionik);
  • Erforschung, Gestaltung, Bau technologischer Artefakte, die die Nachhaltigkeitsdimensionen erfüllen;
  • technologische Prozessgestaltung und -durchführung nach den Nachhaltigkeitsdimensionen;
  • Rohstoff- und Energie-Nutzung aus regenerierbaren Ressourcen;
  • konvergente Technologien entwickeln und gestalten (komplexe Produkte aus ihnen planen)
  • bekannte Artefakte und Prozesse einer Analyse nach Nachhaltigkeitsdimensionen unterziehen und verändern (Prozessanalyse).

Die nachfolgenden Vorträge konkretisierten diesen „Maßnahmeplan“ in unterschiedlichster Weise.

In der ersten Session widmete sich Johannes Briesovsky (Merseburg) Fragen der Resonanzpulsationstechnik und deren Einsatz in verfahrenstechnischen Prozessen mit festen oder fluiden Grenzschichten (Fluid-Fluid- und Fest-Fluid-Systemen). Anschließend erörterte Kerstin Becker (Neuruppin; gemeinsam vorbereitet mit Ernst-Peter Jeremias, ebenfalls Neuruppin), wie unter Nachhaltigkeitsaspekten eine zukunftssichernde Energieversorgung von Städten und Gemeinden ausgestaltet sein kann und welche aktuellen Probleme bestehen. Eine zentrale These lautete, dass die zentrale Erzeugung und Verteilung von Wärmenutzenergie für eine zukunftsorientierte, nachhaltige Energieversorgung unverzichtbar ist. Im dritten Beitrag führte Christian Kohlert (Montabaur) eine Analyse von Nachhaltigkeitsgedanken am Beispiel von Kunststoffverpackungen aus. Dabei wurden neueste Daten in Ihrer historischen Entwicklung betrachtet und Unterschiede der amerikanischen und europäischen Nachhaltigkeitswerte dargestellt. Im Anschluss an diesen Vortrag fand eine rege Diskussion statt.

Zu Beginn der zweiten Session behandelte Marek Hauptmann (Dresden) im gemeinsam mit Jens-Peter Majschak (Dresden) vorbereiteten Vortrag „Die Rolle der Nachhaltigkeit in der Konsumgüterproduktion, ihre Einschätzung und Kommunikation und Nutzung am Beispiel der Verpackungstechnik“ ausführlich unterschiedlichste Aspekte der Bewertung von Verpackungsmaterialien. Es schloss sich der Vortrag „Technologische Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung“ von Norbert Mertzsch (Rheinsberg) und Bernd Thomas (Beeskow) an, in dem deutlich gemacht wurde, dass, um die Entwicklungsziele für die Energieversorgung im Rahmen der Klimapolitik Deutschlands bis 2050 zu erreichen, noch große technologische Herausforderungen zu meistern sind. Für die chemische Industrie gehören Ressourcenknappheit und Klimawandel zu den großen Herausforderungen für die nachhaltige Gestaltung. Gerhard Öhlmann (Berlin) hat in seinem Vortrag aufgezeigt, welche Effizienztechnologien es momentan auf Basis von Methan und Kohlenstoffdioxid gibt. Es wurde verdeutlicht, warum und unter welchen Voraussetzungen die rein thermische Spaltung des Methans in Wasserstoff und Kohlenstoff ein realistischer Weg sein kann, wenngleich auch von der erfolgreichen Forschung bis zur Entwicklung einer Pilot- oder Demonstrationsanlage noch einige Hürden zu überwinden sind.

In der dritten Session wurden neben einer ausführlichen Behandlung der Möglichkeiten atomarer und nuklearer Prozesse zu einer künftigen kohlenstofffreien Energiewirtschaft durch Dieter Seeliger (Dresden) Aspekte einer nachhaltigen Bildung im Rahmen der UN Dekade Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung durch Benjamin Apelojg und Ulf Holzendorf (beide Potsdam) sowie deren curriculare Verankerung im Rahmenlehrplan als Basiskonzept durch Vizepräsident Bernd Meier (ebenfalls Potsdam) behandelt.

Zum Abschluss der Tagung fand zu Ehren von Ernst-Otto Reher ein kleiner Imbiss und gemeinsamer Gedankenaustausch statt, welcher die erfolgreiche Tagung abrundete.

Zum Symposium, von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, finanziell gefördert, wurde – wie stets – ein informatives Material vorbereitet. Die zeitnahe Publikation der Beiträge in den „Sitzungsberichten der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ ist vorgesehen.

Benjamin Apelojg

Literatur
Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät, Bd. 50, Jg. 2001, H. 7

Banse, G.; Reher, E.-O. (2002): Einleitung. In: Banse, G.; Reher, E.-O. (Hg.): Allgemeine Technologie. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Berlin, S. 11-16

Symposiumsmaterial