Wissenschaftliche Sitzungen der Klassen der Leibniz-Sozietät im Jahre 2011

Nachfolgend werden die im Jahr 2011 stattgefundenen wissenschaftlichen Sitzungen der beiden Klassen der Leibniz-Sozietät zusammen mit den Kurzreferaten und Angaben zu den C.V. der Vortragenden aufgelistet.
Die Namen der Autoren sind mit dem Autorenverzeichnis verlinkt, weiterhin sind Links zu den Publikationen der Leibniz-Sozietät angegeben, falls die Vorträge bereits publiziert wurden.

 

10. Februar 2011

Dirk-Henning Menz
Oculare Endotamponaden – Herausforderung für Chemiker und Pharmazeuten

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, BVV-Saal

Dr. Menz ist Chemiker. Nach dem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (Diplom 1979) arbeitete er im fluorchemischen Arbeitskreis von Prof. Kolditz und ging mit ihm 1980 an das Zentralinstitut für Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR nach Berlin-Adlershof. 1984 wurde er promoviert; 1989 weilte er zu einem Arbeitsaufenthalt bei Prof. v. Schnering am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. 1992 brach er seine Habilitation ab und wechselte in die Privatwirtschaft als Geschäftsführer (seit 1996 geschäftsführender Gesellschafter) der Pharmpur GmbH, die fluororganische Verbindungen herstellt und nach einem selbstentwickelten Hochreinigungsverfahren zum Einsatz als Pharmazieprodukte geeignet macht.

Der Vortrag ist ein Praxisbericht, aufbauend auf den Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre bei der Herstellung von okularen Endotamponaden. Während dieser Zeit wurden aus den in den 1980er Jahren entwickelten Produkten Standards, die die ophthalmischen Operationen revolutionierten und heute nicht mehr wegzudenken sind. Zur Herstellung okularer Endotamponaden gehören die Synthese und die Hochreinigung von Perfluorcarbonen, teilfluorierten Verbindungen und Silikonöl. Das Produktportfolio umfasst außerdem Substanzen zum Anfärben von Geweben in vivo und verschiedenen Viskoelastika. Die Herausforderung bei der Herstellung dieser Produkte besteht darin, höchste chemische Reinheit, Biokompatibilität, Sterilität und Funktionalität gleichermaßen zu sichern. Im Vortrag werden ausgehend von den praktischen Erfahrungen die chemischen und pharmazeutischen Herausforderungen bei der Produktion und Anwendung dieser Produkte dargestellt, der derzeitige Stand der Entwicklung analysiert und daraus Entwicklungsperspektiven aufgezeigt. Bei jährlich mehr als 100.000 vitreoretinalen Operationen werden die Produkte eingesetzt. Die Weiterentwicklung der okularen Endotamponaden gewinnt im Kontext der alternden Gesellschaft ständig an Bedeutung.
Irene Dölling
Pierre Bourdieus Praxeologie – Anregungen für eine kritische Gesellschaftsanalyse

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 226
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 51; 01.06.11 

Frau Prof. Dölling (68) ist Kulturwissenschaftlerin und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1995. Sie studierte Philosophie und Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, war dort anschließend im Institut für Kulturtheorie und Ästhetik beschäftigt; seit 1985 Professorin für Kulturtheorie. Von 1994 bis 2008 Professorin für Soziologie der Geschlechterverhältnisse an der Universität Potsdam.

SoziologInnen haben in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen zu Veränderungen in der fordistischen Trias von Arbeitsmarkt, Sozialstaat und Familie vorgelegt, die auf eine grundlegende Transformation kapitalistischer Gesellschaften hinweisen und aus dem Beobachtbaren allgemein auf Entwicklungen in Arbeitsorganisation, Zeitregimen, Institutionen oder Normen geschlossen. Weniger untersucht ist, wie die von diesen Veränderungen betroffenen AkteurInnen praktisch mit ihnen umgehen, welche Handlungsstrategien und Sinngebungen sie dabei produzieren und so Neues hervorbringen. Eine praxeologische Forschungsperspektive ist notwendig, um dieser Dimension der Erzeugung des Sozialen auf die Spur zu kommen. Pierre Bourdieus Soziologie der Praxis ist ein konzeptionelles Angebot, das im Vortrag diskutiert wird.
10. März 2011

 

Wolfgang Mehr (Frankfurt/Oder)
Si-basierte Hochgeschwindigkeits-Elektronik zwischen GHz- und THz-Technologie und Anwendungen in der drahtlosen Kommunikation, Biomedizin und Luft- und Raumfahrt

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät;
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, BVV-Saal

 

Dr. Volkmar Schöneburg (Potsdam)
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die deutsche Sicherungsverwahrung

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 226

Dr. Schöneburg (52) ist Rechtswissenschaftler und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1996. Nach der Promotion (1987) an der Berliner Humboldt-Universität war er bis 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Universität. Seit November 2009 ist er Justizminister des Landes Brandenburg.

Seit 1933 ist das deutsche Strafrecht durch eine „Zweispurigkeit“ im Rechtsfolgensystem geprägt. Auf der einen Seite stehen die Strafen (Freiheits-, Geldstrafe), die nach Tatschwere und Tatschuld bemessen werden, und auf der anderen Seite finden sich die Maßregeln der Besserung und Sicherung. Die härteste Maßregel ist die Sicherungsverwahrung. Sie ermöglicht, einen Straftäter aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose auch nach Verbüßung seiner Strafe bis zu seinem Lebensende in Haft zu behalten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Urteilen seit Dezember 2009 bestimmte Seiten der Sicherungsverwahrung als unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention charakterisiert. Dies wiederum zwang die deutsche Politik zu einer Neugestaltung der Sicherungsverwahrung. Mit dieser Neugestaltung und ihren Auswirkungen für das Land Brandenburg setzt sich der Vortragende kritisch auseinander.

14. April 2011

Heinz-Jürgen Rothe
Das Wort-AssoziationsExperiment als wissensdiagnostische Methode

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät;
4. Vortrag in der Reihe „Menschliche Informationsverarbeitung “ zu Ehren von Friedhart Klix
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, SVV-Saal
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 52; 15.07.11

 

Aus Anlass des 80. Geburtstages von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Friedhart Klix (1927-2004) hat die Klasse für Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin 2007 mit dieser Vortragsreihe begonnen. Dazu ist jährlich ein Vortrag vorgesehen.
Das wissenschaftliche Werk des Psychologen Friedhart Klix spannt einen Bogen von der Analyse elementarer Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung bis hin zur Untersuchung komplexer Prozesse des Sprachverstehens. Mit seinen Forschungen schuf er bleibende Brücken zwischen der Psychologie und anderen Disziplinen, insbesondere der Mathematik, Physik, Biologie und Philosophie.
Friedhart Klix war langjähriger Direktor des Instituts für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin und gehörte bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1992 der Universität an. Er war Mitglied der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, der Akademia Europaea in London, der Finnischen Akademie der Wissenschaften, der Amerikanischen Akademie in New York, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Deutschen Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Leibniz-Sozietät. Von 1980 bis 1984 war er Präsident der Internationalen Gesellschaft für Psychologie.

Prof. Rothe (64) ist Arbeitspsychologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2009. Nach dem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) arbeitete er zunächst als Wissenschaftlicher Assistent unter Leitung von F. Klix im Bereich Grundlagen der Kybernetik am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der DDR und ab 1973 unter Leitung von K.-P. Timpe im Lehrbereich Arbeits- und Ingenieurpsychologie der Sektion Psychologie der HUB. Arbeitsschwerpunkt war die menschliche Informationsverarbeitung bei der Mensch-Maschine-Interaktion. 1977 wurde er mit einer Arbeit über Analysen der Informationsaufnahme in simulierten Leitständen promoviert. Nach einer zweijährigen Beratertätigkeit an der Psychologischen Fakultät der Universität Havanna (1983-1985) konzentrierte sich seine wissenschaftliche Arbeit auf methodische Zugänge zur Erfassung und Repräsentation von Expertenwissen im Vorfeld der Entwicklung wissensbasierter Systeme. 1991 habilitierte er sich an der Universität Kassel. Nach Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Kassel, Leipzig und Trier wechselte er 1995 an das neu gegründete Institut für Psychologie der Universität Potsdam. Neben der Fortsetzung seiner Arbeiten zur Diagnose berufsspezifischen Wissens bei Arbeitspersonen hat er sich an den von A.-M. Metz geleiteten Forschungsarbeiten zur Analyse psychischer Belastungen in Arbeitsprozessen und zum betrieblichen Gesundheitsmanagement beteiligt.

Von Aristoteles über die britischen Empiristen des 18. Jh. bis zu den Gedächtnispsychologen des 20. Jh. lässt sich eine Forschungslinie über das Speichern und Erinnern von Wissen im menschlichen Gedächtnis verfolgen, in deren Zentrum die Assoziation als Verknüpfung individueller Erfahrungen steht. Im sog. Wort-Assoziations-Experiment wird eine Person aufgefordert, bezogen auf ein ihr vorgegebenes Reizwort, weitere Wörter zu nennen, die ihr einfallen. Im Ergebnis liegt keine zufällige Folge beliebiger Wörter vor, sondern eine Wörterkette, die Informationen über Inhalt und Struktur des individuellen Gedächtnisses enthält.
Im Vortrag wird zunächst auf der Basis der Forschungen von F. Klix in die Wissenspsychologie eingeführt, zwischen Wörtern und Begriffen differenziert und eine mögliche assoziative Struktur unseres Gedächtnisses erläutert. Nach einer kurzen Diskussion der Relevanz von Wissensanalysen für die Lösung aktueller Probleme in der Arbeitswelt wird das Wort-Assoziations-Experiment als Instrument für derartige Analysen eingeordnet. Im Mittelpunkt stehen dann Ergebnisse der vom Referenten durchgeführten bzw. angeleiteten empirischen Studien über Assoziationen von Arbeitspersonen verschiedener Berufsgruppen bezüglich ihres fachspezifischen Wissens. Im Vergleich mit den Ergebnissen eines weiteren wissensanalytischen Instruments, des sog. Struktur-Lege-Tests, wird herausgearbeitet, dass bereits die Anzahl assoziierter Sachverhalte eine valide Kenngröße des individuellen Wissensbesitzes darstellt, die ökonomisch ermittelbar ist und zur Lösung praktischer Fragestellungen genutzt werden kann.

 

Helga Picht
Koreanische Literatur – was ist das?

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 226
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 51; 01.06.11 

Frau Prof. Picht ging nach dem Studium der Koreanistik und Japanologie an der Humboldt-Universität Berlin (HUB) 1960 für zwei Jahre zu einem Forschungsstudium an die Universität Phjongjang, dem sich ein halbjährliches Dolmetscherpraktikum an der Botschaft der DDR in Phjongjang anschloss. Seitdem ist sie bis 1992 immer wieder nebenbei als Dolmetscherin für Koreanisch tätig gewesen. 1964 – 1978 war sie Assistentin und Oberassistentin für Koreanistik an der HUB, unterbrochen durch zweijährige Tätigkeit als Kultur- und Wissenschaftssekretärin an der Botschaft der DDR in Phjongjang. Nach der Habilitation (1977) wurde sie an der HUB Dozentin für Koreanistik, leitete 1980 – 1990 die Abteilung Korea der Sektion Asienwissenschaften und wurde 1986 als Ordentlicher Professor für Koreanistik berufen. 1990 wurde an der HUB das Korea-Institut gegründet, dessen Direktorin sie bis zum Ausscheiden aus dem Hochschuldienst 1992 war. Seitdem konzentriert sie sich auf das Übersetzen moderner koreanischer Literatur, saß 1990 – 2006 der Deutsch-Koreanischen Kulturgesellschaft vor und war 1990 – 2000 Vizepräsidentin der International Society for Korean Studies (ISKS), die sie seitdem weiter berät. Auch in der Lehre ist sie weiterhin tätig: 1992 – 1995 als Lehrbeauftragte der HUB für Geschichte der koreanischen Philosophie und aktuelle Probleme Koreas sowie seit 2008 mit Gastvorlesungen bei den Koreanischen Studien an der FU Berlin. Ihre Publikationsliste umfasst 21 wissenschaftliche Arbeiten zur koreanischen Literatur und 6 literarische Übersetzungen, dazu 10 Herausgeberschaften mit Übersetzungen, Vor- oder Nachwörtern bzw. Glossaren.

Folgende zwei Probleme wird die Vortragende behandeln:
1. Die historisch und politisch bedingte Vielgestaltigkeit der koreanischen Literatur (Nord- und südkoreanische Literatur, koreanische Literatur in China, Japan, Sowjetunion/Russland und anderen Ländern. Frage: Deutschland? Dazu auch die Frage: Was ist eine Nationalliteratur, welche Kriterien sind zu beachten, um Werke in diesem Begriff zusammenzufassen? Vorgestellt werden Ergebnisse aus ca. 50jähriger Lehr- und Forschungstätigkeit sowie aus ca. 30jähriger Übersetzungstätigkeit, z. B. Übersetzung des bedeutendsten Romanzyklus’ des 20. Jh. in Südkorea: Pak Kyongni: Land (10 von 21 Bänden übersetzt).
2. Kann das literarische Schaffen gespaltener Länder bei der gegenseitigen Verständigung zwischen den Bürgern beider Staaten helfen oder nicht? Erfahrungen, die sie selbst nach der Vereinigung Deutschlands gewonnen hat, im Vergleich zu 20jähriger vergleichender Forschung zu Geschichte und Gegenwart der nord- und südkoreanischen Literatur, die sie seit 1990 auf internationalen Konferenzen der Koreanisten in Europa, Ostasien und den USA zur Diskussion zu stellen versucht.

 

12. Mai 2011

Otto Eberhard Rössler
Neokosmologie – der stationäre GuillaumeFournier-Chandrasekhar Kosmos

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 52; 15.07.11

Armin Jähne
Der Tod des russischen Hiob (Nikolaus II.)

Vortrag in der Klasse Sozial-und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 52; 15.07.11

 

9. Juni 2011

Ekkehard Haen
Die biologische Zeitstruktur des Menschen

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, SVV-Saal
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 52; 15.07.11 

Prof. Haen (58) ist Psycho- und Klinischer Pharmakologe sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2010. Nach dem Studium der Medizin und der Biochemie in Tübingen, den Promotionen zum Dr. med. (1982) und zum Dr. rer. nat. (1998) sowie der Habilitation (1993) übernahm er 1997 die Lei¬tung der Klini¬schen Pharma¬kologie/Psychopharmakologie an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Regensburg, seit 2007 als Akademischer Direktor. Seine Auslandserfahrungen machte er während der Studienzeit als Fellow in Endo¬crinology an der University of Pennsylvania in Philadel¬phi¬a (USA). Er arbeitet mit in der Arz¬neimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, in zwei Expertenkreisen der Bundesärztekammer sowie in den Wissenschaftlichen Beiräten zweier Fachzeitschriften. 1987 verlieh ihm die Hoe¬chst Foundation ihren Chronobiology Award; 2002 ehrte ihn die Sanofi-Synthelabo Pharma mit ihrem Forschungs- und Entwicklungspreis für die Entwicklung einer elektronischen Datenbank zur Arzneimittel-Interaktion.

Der menschliche Körper hat nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Struktur, in der die einzelnen Lebensprozesse miteinander verknüpft sind. Darin durchdringen und überlagern sich die einzelnen Rhythmen nicht nur entlang hierarchisch strukturierter Achsen, sondern es bestehen auch Querverbindungen zwischen verschiedenen Organsystemen. Es überlagern sich endogene Rhythmen unterschiedlicher Frequenzen miteinander, ebenso endogene Rhythmen mit exogen induzierten Veränderungen (körperliche Aktivität, Wirkung eines Medikamentes). Diese Zeitstruktur ermöglicht es dem Organismus, sich an Veränderungen in den Lebensbedingungen seiner Umgebung anzupassen. „Krankheit“ kann in diesem System durch einseitiges Durchbrechen des rhythmischen Auf und Ab, durch Desynchronisation oder durch Entkopplung von den Zeitgebern entstehen.
Auffällig ist der circadiane (annähernd dem Tageslauf folgende) Rhythmus der Cortisolkonzentration im Blut. Die Nebennierenrinde schüttet dieses körpereigene Glukokortikoid im Tagesverlauf unterschiedlich stark aus: Zwischen Mitternacht und etwa 3 Uhr morgens ist die Cortisolkonzentration im Blut eines gesunden Menschen annähernd Null. Danach steigt sie bis zu einem Maximum in den Vormittagstunden steil an und fällt im Laufe des Nachmittags und Abends langsamer wieder auf den Ausgangswert zurück. Will man erfolgreich mit Glukokortikoid therapieren, so sind drei Faktoren zu beachten: 1. die circadiane Variation der Empfindlichkeit des Körpers für Glukokortikoide, 2. die Höhe der wirksamen Glukokortikoidkonzentration und 3. der Zeitpunkt der erwünschten Wirkung. Die Empfindlichkeit des Körpers für Glukokortikoide verhält sich umgekehrt zur circadianen Cortisolkonzentration: Sie ist gegen Mitternacht am höchsten, in den Morgenstunden am niedrigsten – die erforderliche Glukokortikoiddosis ist um Mitternacht am niedrigsten, in den Vormittagsstunden am höchsten. Rheumapatienten benötigen Glukokortikoide zur Unterdrückung ihrer Morgensteifigkeit vor oder zum morgendlichen Aufstehen. Zu diesem Zeitpunkt – aber eben nur zu diesem – muss die glukokortikoide Aktivität im Körper des Rheumapatienten über ihrem endogenen Wert liegen, wenn eine pharmakologische Wirkung erreicht werden soll.

 

Dorothee Röseberg
Interkulturalitätsdebatte in Europa: Versuch einer Zwischenbilanz

Vortrag in der Klasse Sozial-und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 226

 

8. September 2011

Birgit Kamm
Bioraffinerie-Prinzipien und technologische Umsetzung der Grünen Bioraffinerie

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Psychologie der HUB, Rudower Chaussee 18, Raum 3-208 Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12

Frau Prof. Kamm (49) ist Chemikerin. Nach der Promotion (1991) in Merseburg wurde sie 2001 wissenschaftliche Direktorin des Forschungsinstitutes Bioaktive Poly¬mersysteme (Biopos) e.V. in Teltow. 2005 habilitierte sie sich in Potsdam; 2006 übernahm sie eine Honorarprofessur für Bio-Raffinerietechnik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, und seit 2007 ist sie außerdem Honorarprofessorin für Chemie und Technologie Nachwachsender Rohstoffe an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Ihre Forschungsgegenstände sind Bioraffinerien, Lignocellulose-Konversion, enzymkatalysierte Synthesen, bioaktive Substanzen und bioabbaubare Materialien. Sie ist Mitherausgeberin wegweisender wissenschaftlicher Bücher und wissenschaftlicher Zeitschriften zur Thematik „Bioraffinerie“, Autorin bzw. Mitautorin von 60 wissenschaftlichen Publikationen und hält 15 Patente und Patentanmeldungen.

Gegenwärtig erzeugen Erdöl-Raffinerien sehr effizient eine Vielzahl von Produkten für nahezu alle Le¬bensbereiche. Der fossile Rohstoff steht jedoch nur begrenzt zur Verfügung. Die Entwicklung von vergleichbaren Bioraffinerien wird notwendig, um viele Biomasse-basierte Produkte konkurrenzfähig zu ihren auf fossilen Rohstoffen basierenden Äquivalentprodukten zu machen.
Im Vortrag stellt sie die Prinzipen der Biomasseverarbeitung sowie die internationalen Bioraffineriesysteme und Anlagen vor. Am Beispiel der Grünen Bioraffinerie werden die Primärfraktionierung von Grünen Biomassen sowie die Herstellung von Proteinen, Fermentationsmedien, Futtermitteln und Biogas gezeigt. Die technologische Umsetzung, angedockt an ein Grüngut-Trockenwerk mit einem jährlichen Durchsatz von 20.000 Tonnen Biomasse (Primärraffinerie-Basisstufe) Luzerne und Gras im Havelland (Land Brandenburg), wird präsentiert.

 

Martin Endreß
Neuer Strukturwandel des Öffentlichen?

Vortrag in der Klasse Sozial-und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Psychologie der HUB, Rudower Chaussee 18, Raum 3-201

Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12 

Prof. Endreß (51) ist Soziologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2010. Nach Promotion in Philosophie und Habilitation in Soziologie – beide an der Universität Tübingen – wurde er Professor für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der Universität Wuppertal. Seit 2010 lehrt er Allgemeine Soziologie an der Universität Trier. Zugleich ist er Editor-in-Chief der interdisziplinären Fachzeitschrift „Human Studies. A Journal for Philosophy and the Social Sciences“.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind Soziologische Theorie, Politische Soziologie, Wissenssoziologie sowie Soziologie des Vertrauens. Aus seiner Feder stammen bisher neun Bücher.

Jürgen Habermas‘ Studie über den Strukturwandel der Öffentlichkeit wurde im Herbst 1961 in Druck gegeben. Fünfzig Jahre später bildet dieses Werk weiterhin den primären Bezugspunkt für Öffentlichkeitsstudien jener Beobachter, die sich selbst als demokratisch beschreibende Gesellschaften untersuchen. Der anhaltenden Bedeutung dieser Analyse für das Verständnis von ‚Öffentlichkeit’ gilt das Interesse des Vortrages. Dabei soll sowohl Habermas‘ klassischer Text in seinem analytischen Zuschnitt erneut beleuchtet werden wie andererseits die gegenwärtigen Verschiebungen ‚des Öffentlichen‘ im Kontext bspw. der neuen Karriere populistischer Politikstile, medialer Formate und Internet-basierter Kommunikationen Anlass geben, die Virulenz des Begriffes zu diskutieren. Herausgearbeitet werden soll, welche Reichweite Habermas‘ klassische Öffentlichkeitstheorie für die Analyse aktueller Veränderungen zukommt, welche Grenzen seiner Analyse gegebenenfalls identifizierbar sind und inwiefern etwa von einem neuen Strukturwandel des Öffentlichen gesprochen werden kann.

 

13. Oktober 2011

Reinhard Rummel
Das Schwerefeld der Erde aus den Messdaten der Satellitenmission GOCE

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, BVV-Saal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12 

Prof. Rummel (65) ist Geodät und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2007. Nach dem Studium des Vermessungswesens an der TU München wurde er 1974 an der TH Darmstadt promoviert und war danach zwei Jahre lang Post-Doc an der Ohio State University. Es folgten vier Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 1980 bis 1993 war er Professor für Physikalische Geodäsie der Technischen Universität Delft, bevor er auf die Professur an der TU München berufen wurde. Hier hatte er bis Januar 2010 den Lehrstuhl für Astronomische und Physikalische Geodäsie inne; nun ist er Mitglied des Institute for Advanced Study der TU München.
Er ist einer der Initiatoren der ESA-Satellitenmission GOCE und Koordinator eines europäischen Konsortiums, das sich der wissenschaftlichen Aufbereitung der Daten dieser Mission widmet. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die Gravitationsfeldbestimmung mit Satelliten und deren Anwendung in den Geowissenschaften.

GOCE ist ein erdwissenschaftlicher Satellit der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Er ist seit März 2009 in einer Erdumlaufbahn und vermisst das Gravitationsfeld und die Figur der Erde mit bisher unerreichter Genauigkeit. Erstmals wird dabei das Prinzip der Gravitationsgradiometrie im Weltraum eingesetzt. Es beruht auf der Messung von extrem kleinen Differenzen der auf sechs Testmassen im Satelliten wirkenden Erdanziehung. Der Satellit kreist in einer Höhe von nur 265 km um die Erde; auch dies ist eine Neuheit.
Mit GOCE werden nun die Zirkulationssysteme der Weltmeere und ihre Veränderungen vom Weltraum aus erfasst. Ein wichtiges Thema in der Klimadebatte sind dabei eventuelle Veränderungen des Masse- und Temperaturtransports in den Ozeanen. Für den Geophysiker eröffnet GOCE einen Blick ins Erdinnere. GOCE ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Dynamik unseres Planeten. GPS-Nutzern in Wissenschaft und Ingenieurwesen können nun weltweit und in sich konsistent Meereshöhen mit Zentimetergenauigkeit zur Verfügung gestellt werden.

Eckart Mehls
Weiße Flecken getilgt – Probleme gelöst? Zur Arbeit der russländisch-polnischen Gruppe zu schwierigen Problemen der Geschichte russländisch-polnischer Beziehungen und den bisherigen Ergebnissen ihres Wirkens.

Vortrag in der Klasse Sozial-und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, Balkonsaal
Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12 

Prof. Mehls ist Historiker. Nach dem Studium der Geschichte und Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin wurde er 1959 zunächst Lehrer an der Erweiterten Oberschule in Wolgast, ging aber schon 1961 nach Berlin zurück, um bis 1979 in der Universitätsleitung im Bereich der internationalen Beziehungen zu arbeiten (ab 1969 als Direktor für internationale Beziehungen). Nach Promotion 1968 und nach planmäßiger Aspirantur 1979-1982 habilitierte er sich und wurde an der Sektion Geschichte Oberassistent (1982-1983), Dozent (1983-1986) und a.o. Professor für Geschichte des sozialistischen Weltsystems/neuere Geschichte Osteuropas (1986 – 1993).
1993 “betriebsbedingt” aus der Humboldt-Universität entlassen, setzte er nach Arbeitslosigkeit und Frühverrentung seine Publikations- und Vortragstätigkeit zur Geschichte Osteuropas fort. Sein Interesse gilt besonders der Geschichte Polens und Tschechiens sowie den staatlichen Beziehungen osteuropäischer Länder. Nach wie vor nimmt er an wissenschaftlichen Veranstaltungen in Polen, Tschechien und Bulgarien aktiv teil.

Der Vortrag behandelt die Arbeit und die bisherigen Ergebnisse der im Jahr 2005 gebildeten polnisch-russischen Gruppe für die sich aus der Geschichte der polnisch-russischen Beziehungen ergebenden schwierigen Probleme. Die Gruppe wurde mit dem Ziel gebildet, die durch historisch bedingte Probleme belasteten Beziehungen zwischen Russland und Polen zu verbessern und zu normalisieren. Die in mehrjähriger Arbeit erfolgte Aufarbeitung der neuesten Geschichte der Beziehungen hat zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt. Allerdings bleibt festzustellen, dass bei Weitem nicht alle Probleme gelöst werden konnten, zumal die Wissenschaft allein die hochgesteckten Ziele nicht zu erreichen vermag. Gefragt ist in erster Linie die Politik beider Staaten, für deren Wirken jedoch mit den 2010 vorgelegten Ergebnissen wichtige Grundlagen und Orientierungen geschaffen werden konnten.

 

Erik W. Grafarend
Von A. Einstein über H. Weyl und E. Cartan zur Quantengravitation

Wissenschaftliche Mitteilung in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, BVV-Saal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 54; 15.03.12 

 

 

10. November 2011

Norbert Langhoff
Röntgenoptische Systeme und ihre Anwendung in der Röntgen-Stoff- und Strukturanalytik.

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, BVV-Saal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 54; 15.03.12 

Prof. Langhoff (75) ist Technikwissenschaftler. Er wurde 1990 zum Korrespondierenden Mitglied der 1700 von Leibniz in Berlin begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.
Nach dem Studium an der Technischen Universität Ilmenau arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Gerätebau der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1970-91 war er Direktor des ZWG (Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau) der Akademie.1974 wurde er zum Dr.-Ing. promoviert; 1985 habilitierte er sich und wurde zum Professor für technische Physik berufen.
1990 gründete er mit 2 weiteren Partnern die ISTC (Industrial, Science and Technology Consult) GmbH. Von 1993-2010 war er geschäftsführender Gesellschafter der IfG (Institute for Scientific Instruments) GmbH. Die Kernkompetenzen dieses Instituts umfassen röntgenanalytische Methoden für die Stoff- und Strukturanalytik, speziell röntgenoptische Systeme. Außerdem ist er Mitgründer und gegenwärtig Vorsitzender des IAP (Institut für angewandte Photonik e.V.).
Norbert Langhoff gehört zu den Gründungsmitgliedern des Kompetenznetzes OpTec Berlin-Brandenburg (OpTecBB e.V.), dessen Vorstand er mehrere Jahre angehörte. Auf seine Initiative geht die Gründung der VDI-Bezirkssektion Adlershof zurück, deren Ehrenvorsitzender er ist.

Röntgenstrahlung ist wie sichtbares Licht ein Teil des elektromagnetischen Spektrums. Infolge seiner um den Faktor 1000 kleineren Wellenlänge (A-Bereich) gestaltet sich aber die Manipulation von Röntgenlicht sehr viel komplizierter. Viele Jahrzehnte war man der Überzeugung, dass sich Röntgenlicht nicht fokussieren, parallelisieren oder monochromatisieren ließe. Inzwischen ist es aber gelungen, durch Nutzung von physikalischen Effekten – wie der Wellenbeugung oder äußerer Totalreflexion – Röntgenlicht für unterschiedliche Anwendungen in der Medizin und Analytik bezüglich seiner Eigenschaften zu optimieren. Mit Hilfe von speziellen röntgenoptischen Systemen kann man z. B. aus einem breiten Röntgenspektrum den Teil herausfiltern, der in der Mammografie den entscheidenden Anteil an der Bildgewinnung hat, den Kontrast verbessert und die Strahlenbelastung des Gewebes erheblich minimiert.
Durch den Einsatz von Röntgenkapillaroptiken wurde es möglich, in der Analytik die Strahlenverluste zwischen Quelle und Probe entscheidend zu verringern, so dass Kleinleistungs-Röntgenröhren eingesetzt werden können. Dies war der entscheidende Schritt, Spektrometer kompakt aufbauen zu können, die sich in eine technologische Produktionslinie integrieren lassen und sich so für eine prozessnahe Analytik eignen. Ohne diese Technik wäre die Produktion photovoltaischer Dünnschichtelemente nicht denkbar.

 

Wolfgang Weiß
Demographie zwischen theoretischem Anspruch, Institutionalisierung und gefälligem Missbrauch

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, Balkonsaal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12 

 

08. Dezember.2011

Herbert W. Roesky
Interstellare Moleküle

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, BVV-Saal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 54; 15.03.12 

Prof. Roesky (76) ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2003. Nach Studium und Promotion (1963) war er zwei Jahre lang Postdoktorand bei der Firma DuPont, Wilmington, USA. Nach der Habilitation (1967) wurde er Dozent, später Professor für Anorganische Chemie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Seit 1980 ist er Direktor am Institut für Anorganische Chemie der Georg-August-Universität Göttingen, seit 2002 Präsident der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Er ist ferner Mitglied der Akademie der Naturforscher “Leopoldina”, Korrespondierendes Mitglied der Oesterreichischen Akademie der Wissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften. An internationalen Ehrungen sind hervorzuheben der Fluorine Award und der Inorganic Award der American Chemical Society, das Centennial Lectureship der britischen Royal Society sowie der französische Prix de la maison de la chimie.

In den vergangenen Jahrzehnten hat man im interstellaren Raum etwa 180 Moleküle spektroskopisch nachweisen können. Dabei handelt es sich um Verbindungen, die auf der Erde nahezu unbekannt sind. Es ist deshalb für den forschenden Chemiker von großem Interesse, ob es gelingt, diese Species auch im Laboratorium herzustellen, zu charakterisieren und eventuell in eine stabile Form zu überführen.
In diesem Zusammenhang wird über die Darstellung von Silicium-haltigen Verbindungen berichtet, in denen Silicium in formal niedrigen Oxidationsstufen vorliegt. Diese Verbindungen sind sehr empfindlich gegenüber Luft und Wasser, lassen sich jedoch durch geeignete Liganden stabilisieren und können deshalb als wichtige Zwischenstufen isoliert und vollständig charakterisiert werden. Auch für den industriellen Chemiker sind diese Systeme interessant, weil neue Reagenzien entstehen, die vielfältige Reaktionen ermöglichen.

 

Erich Hahn
Georg Lukács. Kontinuitäten, Wandlungen, Brüche.

Vortrag in der Klasse Sozial-und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Rathaus Tiergarten, Mathilde-Jacob-Platz 1, 10551 Berlin, Balkonsaal Zusammenfassung in Leibniz-Intern Nr. 53; 15.01.12 

Prof. Hahn (81) ist Philosoph. Er wurde 1974 zum Korrespondierenden, 1980 zum Ordentlichen Mitglied der 1700 von Leibniz in Berlin begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.
Nach dem Studium der Geschichte und Philosophie, nach Promotion und Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin war er von 1966 bis 1990 am Institut bzw. der Akademie für Gesellschaftswissenschaften tätig, zunächst als Leiter der Abteilung für soziologische Forschung und seit 1971 als Direktor des Instituts für Philosophie. Schwerpunkte seiner Forschung und Publikation sind Fragen der marxistischen Geschichtsauffassung, der Soziologie und der Ideologietheorie. Publikationen von ihm sind in 15 Sprachen übersetzt worden.
Von 1972 bis 1990 war er Co-Vorsitzender der Gemeinsamen Kommission von Philosophen der DDR und der UdSSR, 1970 – 1974 Vertreter der DDR im Council der „International Sociological Association“. Von 1973 bis 1988 vertrat er die Vereinigung der philosophischen Institutionen der DDR in der Generalversammlung der „Federation internationale des sociétés de philosophie“. Seit 1990 ist er Rentner. Er gehört der Internationalen Georg-Lukács-Gesellschaft und der Marx-Engels-Stiftung an.

Der Vortrag nimmt zu der Kontroverse Stellung, ob im Werk von Lukács Kontinuität oder Diskontinuität vorherrschend sind.
Die Auffassung wird vertreten, dass dieses umfangreiche Werk – vor allem seit den frühen zwanziger Jahren – eine an der marxistischen Weltanschauung orientierte übergreifende Kontinuität aufweist, die moralische, wissenschaftliche und politisch-ideologische Komponenten einschließt. Dabei handelt es sich nicht um eine starre Leitlinie, sondern um eine angesichts wechselnder historischer Herausforderungen bemerkenswerte Folgerichtigkeit von Positionen auf der Basis einer grundlegenden Haltung. ‚Übergreifend’ meint zudem, dass sich diese Kontinuität über Wendungen, Brüche und Korrekturen vollzieht.
Den Grundstein für diese Haltung legte die intellektuelle Entwicklung von Lukács bis zum Beginn der zwanziger Jahre. In dieser Zeit setzte er sich mit dem Neokantianismus und mit Hegel auseinander. Die Erfahrung des ersten Weltkrieges und der Krise der ungarischen Gesellschaft verstärkten die Aneignung des Marxismus und die Hinwendung zu politischer Aktivität. Die „Entwicklung zum Kommunisten“ sieht Lukács kurz vor seinem Tod 1971 als die „größte Wendung“ in seinem Leben an.
Zur Erläuterung der oben genannte Auffassung werden einerseits stichpunktartig einige theoretische Konstanten gezeigt, die immer wieder in das Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses geraten.
Andererseits wird der Blick auf hervorstechende Ereignisse und Situationen in den zwanziger, dreißiger und fünfziger Jahren gelenkt, die das Ineinandergreifen von Kontinuität und Konflikt im Wirken von Lukács belegen.