Tagungsbericht: Bildung auf Distanz
Tagung „Bildung auf Distanz: (Medien-) Technologie, Politik und Lebenswelten in aktuellen Lernprozessen“ des Arbeitskreises Pädagogik der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin in Kooperation mit dem International Network on Cultural Diversity and New Media (CultMedia) – Bericht
Der Arbeitskreis „Pädagogik“ der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften widmete sich in Kooperation mit dem International Network on Cultural Diversity and New Media (CultMedia) im Rahmen der gemeinsamen Tagung der Bildung in Zeiten einer mediatisierten und digitalisierten Kultur.
So bestehen in Schulen gegenwärtig hohe Erwartungen an den Einsatz digitaler Technologien in der Bildung, an digitale Endgeräte und an Lern-Apps zur Vermittlung von Fachinhalten sowie zur Einführung einfacher programmierbarer Geräte, wie z.B. Calliope, die im Rahmen der Covid-19-Pandemie in den vergangenen eineinhalb Jahren noch deutlicher hervorgetreten sind. Dabei stellte sich die Covid-19-Pandemie seit Frühjahr/Sommer 2020 als ‚Stresstest‘ für die Digitalisierung im Bildungswesen heraus. Probleme zeigen sich insbesondere im Hinblick auf individuelle Kompetenzen der Lernenden und Lehrkräfte, die Voraussetzung für den Einsatz digitaler Medien in der Schule sind sowie hinsichtlich sozialer Ungleichheiten, die mit der Digitalisierung verbunden sind. In diesem Zusammenhang wird fortwährend über den Beitrag zur Bildung von Kompetenzen im Umgang mit digitaler Technik diskutiert. Dem gegenüber sind zugleich kritische Einschätzungen und realistische Perspektiven aus der Bildungspraxis zu den Grenzen der digitalen Bildung zahlreich.
Die Tagung wurde am 14. September 2021 in einem digitalen Format durchgeführt. An der internationalen Tagung beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter der Fachgebiete Technik, Kultur- und Sprachwissenschaft, Fachkommunikation und Kommunikationswissenschaft, Linguistik, Betriebswirtschaftslehre, Technikdidaktik, Geografie, soziale Arbeit, Erziehungswissenschaft sowie Allgemeine Didaktik, Pädagogik, Soziologie sowie Didaktik der Sozialwissenschaften, Philosophie und Ethik aus Deutschland, Österreich, Polen, Spanien, Tschechien, Australien und der Dominikanischen Republik.
Entsprechend der Forschungstradition des Arbeitskreises Pädagogik und des CultMedia-Netzwerkes wurde der Digitalisierung im Bildungssystem im Rahmen der mit einem ganzheitlichen Blick begegnet, bei dem medientechnische und technologische Aspekte einerseits, aber auch kulturelle und soziale Aspekte sowie wechselseitige Beeinflussungen zwischen diesen Aspekten berücksichtigt wurden. Entsprechend wurden auch kulturelle Blickweisen auf Technologie in die Analyse einbezogen. Dies ermöglichte es, kulturelle Wahrnehmungs- und Handlungsformen von und mit Medientechnologien, z.B. technikeuphorische und -pessimistische Sichtweisen, kulturelle Utopien, nationaltypische Bildungspolitiken sowie spezifische Bildungskulturen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Entsprechend standen folgende Aspekte im Vordergrund der Tagung:
- Medientechnologie als Mittel und Inhalt der Bildung;
- Politik als Treiber und Einschränkung der digitalen Bildung;
- Bildung für digitalisierte Lebenswelten;
- Zukunft der Bildung und ihrer Institutionen in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung.
In seinen Eröffnungsworten wies Björn Egbert (MLS) nach der Begrüßung der 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Corona-bedingten Herausforderungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagung hin und verdeutlichte, dass diese ganz im Sinne des Tagungsthemas in digitaler Form stattfinde, was wiederum der Teilnahme internationaler Vortragender und einer geneigten Zuhörerschaft dienlich war. Die Zielstellung der Tagung wurde von ihm in den Zusammenhang mit vorangegangenen Veranstaltungen gestellt und es wurde deutlich gemacht, dass die Thematik nicht neu, sondern lediglich durch die Covid-19-Pandemie verstärkt sei. Im Anschluss erfolgte die Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Leitung des CultMedia-Netzwerkes (Julius Erdmann, Sonja Ruda und Mariusz Wojewoda).
In der ersten Keynote „Schulische Ordnung, Temporalität und sinnliche Wahrnehmung in der digitalen Lehre“ beschäftigte sich Maria Schlechter mit dem Kommunikations(zeit)raum Schule – also damit, wie sich schulische Ordnung im Zusammentreffen von institutionell ausgewählten Akteuren, an einem Ort innerhalb eines Schulgebäudes, zu Unterrichts- und Pausenzeiten konstituiert. Dabei verdeutlichte sie die zumindest zeitweise Umstellung des Unterrichts auf digitales Lernen und Lehren im Zuge der Covid-19-Pandemie und betrachtete diese als soziologisches Krisenexperiment, in welchem durch den Wegfall der Kopräsenz, welche Schule seit jeher prägt, der Zusammenhang zwischen schulischer Ordnung, Temporalität und sinnlicher Wahrnehmung deutlich wird.
Anschließend wurde die Tagung auf Grund der hohen Anzahl an Redebeiträgen in jeweils zwei parallelen Panels zu den Themen „Didaktische Planungen“ und „Kompetenzen in der digitalen Welt“ sowie anschließend „Ethische Reflexionen“ und „Lernen auf Distanz – Tools“ fortgeführt. An die Vorträge schlossen sich Nachfragen und reflexive Diskussion zu zahlreichen der vorgetragenen Themen an.
In der zweiten Keynote zum Thema „Ist Fernbildung die Zukunft der Bildung? Fernbildung und Erfahrung der Coronavirus-Pandemie“ legten Helena Ciążela und Andrzej Ciążela eine Perspektive der polnischen Hochschulbildung dar. Sie verdeutlichten einerseits die Positionen der Befürworter der digitalen Bildung und zugleich eine kritische Auseinandersetzung. Auch in diesem Beitrag wurde die Corona-Pandemie als sogenanntes Experiment zur Entwicklung von digitalem Unterricht reflektiert.
Es schlossen sich wiederum jeweils zwei parallele Panels an, in denen „Standpunkte“ und „Effekte in der Hochschulbildung“ sowie „Bildungsforschung“ und „Periphere Effekte“ dargelegt und anschließend diskutiert wurden.
Den inhaltlichen Abschluss der Tagung bildete die dritte Keynote, in der Gerhard Banse (MLS) das Thema „Fernlernen – e-Learning – Home-Schooling: Reflexionen über technikbasierte Lehr-Lern-Arrangements in kritischer Absicht“ diskutierte. Der Beitrag kennzeichnete eine präzise Zusammenführung der in den vorangegangenen Panels dargelegten Einzelperspektiven, indem Gerhard Banse deutlich machte, dass man im Rahmen der Covid-19-Pandemie auf nationale Erfahrungen sowie zugleich auf wissenschaftliche Einsichten hätte zurückgreifen können. Der Ausgangspunkt des Beitrages bestand in der Darstellung von Publikationen des CultMedia-Netzwerks aus den Jahren 2007 und 2009, in denen bereits die Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt und Einsatzbedingungen gekennzeichnet wurden, um eine digitale Bildung erfolgreich implementieren zu können. Zugleich wurden Barrieren, Hemmnisse usw. sichtbar gemacht, die als Aufforderung für weitere Denkbemühungen zu verstehen sind.
Im weiteren Verlauf der Tagung folgten der Bericht aus den Panels und eine Generaldiskussion, in der ein intensiver und multiperspektivischer Erfahrungsaustausch sowie tiefgründiger Diskurs vollzogen wurde. Überdies wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgeschlagen, das Thema im kommenden Jahr in Polen fortzuführen. In einem gemeinsamen Schlusswort dankten Julius Erdmann und Björn Egbert allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Interesse und ihre Beiträge zum Gelingen der Tagung.
Die zeitnahe Publikation der Beiträge in der Schriftenreihe e-Culture des trafo-Wissenschaftsverlags Berlin ist vorgesehen.
Julius Erdmann & Björn Egbert
Weitere Informationen zu den Beiträgen der Tagung (Titel, Vortragende sowie Abstracts) und zum Programm erhalten Sie unter folgendem Link: https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/gsp-sachunterricht/Cultmedia_2021_Online_Programm_final.pdf