Dezember-Sitzung der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften
Am 07. Dezember 2017 führt die Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften ihre öffentliche wissenschaftliche Dezember-Sitzung durch zum Thema
Biomedizinische Grundlagenforschung und Artenschutz – wie kann eine hochbedrohte Tierart vor dem Aussterben gerettet werden?
Vortragende: Katarina Jewgenow (MLS)
Zeit: 10.00 bis 12.00 Uhr
Ort: BVV-Saal
C.V.:
Frau Prof. Jewgenow ist Reproduktionsbiologin und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2016. Nach dem Studium an der Humboldt Universität zu Berlin arbeitete sie 1982 – 1991 in der Forschungsstelle für Wirbeltierforschung der AdW der DDR, dem späteren Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, wo sie seit 1996 die Abteilung Reproduktionsbiologie leitet und 1989 promoviert wurde. Nach der Habilitation (1999, TU München) wurde sie 2000 die Stellvertretende Institutsdirektorin; seit 2009 hat sie eine Apl. Professur inne.
Sie beschäftigt sich vor allem mit Zellphysiologie der weiblichen und männlichen Gameten; mit In-vitro-Reifung und Befruchtung von Säugeroozyten; mit saisonaler Spermatogenese bei Wildtieren; mit Genomkonservierung durch Kryokonservierung; mit nicht-invasivem Monitoring von Hormonen bei Wildtieren sowie mit assistierter Reproduktion/ Reproduktionskontrolle bei Zoo- und Wildtieren. Der Society for Study of Reproduction und der German Society for Reproduction Medicine gehört sie als Mitglied an. Ihre Publikationsliste umfasst außer 6 Buchkapiteln weitere 141 Posten.
Abstract:
Der Erhalt der Biodiversität auf unserem Planeten wurde 2000 durch die Vereinten Nationen als eines von acht UN-Milleniumszielen definiert und steht damit gleichwertig in einer Reihe mit Armutsbekämpfung, Schaffung einer friedlichen Welt, Sicherung der Ernährung und Klimaschutz. Der gegenwärtige Verlust an Biodiversität ist alarmierend. Die Zahl der Tierarten z.B. ging innerhalb der letzten 40 Jahre um 58% zurück.
Für Wildtiere können die anthropogenen Veränderungen ganz unterschiedliche Folgen haben, und die großen Raubtiere sind als Endglieder der Nahrungskette am stärksten betroffen. Von den 36 weltweit vorkommenden Katzenarten stehen 26 als gefährdet oder bedroht auf der Roten Liste der IUCN. Neben der anthropogenen Veränderung der Umwelt trägt der direkten Konflikt mit dem Menschen (z.B. illegale Bejagung, Übergriffe auf Farmtiere, Übertragung von Krankheiten) zum Artenrückgang bei. Dies führt zur Isolierung der Populationen und zur Einschränkung ihrer genetischen Variabilität mit vorhersehbaren Konsequenzen für ihre Existenz („Vortex of extinction“). Wichtige Maßnahmen, Tierarten aus dieser Gefahr zu retten, sind, neben Programmen zur Restauration von Habitaten, spezielle Ex-situ-Zuchtprogramme.
Der in Europa beheimatete Pardelluchs ist die am stärksten bedrohte Katzenart weltweit. Sein Verbreitungsgebiet war auf zwei isolierte Restpopulationen zusammengeschrumpft, deren Größe mit weniger als 200 Individuen bereits unterkritisch für das Überleben der Art war. Deshalb wurden die internationalen Bemühungen zum Schutz und zur Rekonstruktion der Habitate verstärkt und ein wissenschaftliches Erhaltungszuchtprogramm etabliert. Im Rahmen dieses “Iberian Lynx Conservation Breeding Programm” (ILCBP) werden Tiere aus der freien Wildbahn entnommen, um diese in Gefangenschaft für eine Wiederauswilderung zu züchten. Das ILCBP hat 2004 mit 6 Wildfängen begonnen. Mittlerweile leben schon >250 Tiere in vier verschiedenen Zuchtzentren in Spanien und Portugal. Bis 2016 wurden 236 Tiere im Zuchtprogramm geboren und davon 125 ausgewildert. Der freilebende Bestand an Iberischen Luchsen ist somit auf mehr als 400 Tiere angestiegen.
Das ILCBP bietet auch hervorragende Möglichkeiten zur Grundlagenforschung, inklusive der Etablierung von modernen Techniken der assistierten Reproduktion. Im Vortrag wird demonstriert, wie biomedizinische Erkenntnisse zur Verbesserung des Zuchtprogrammes beitragen konnten und wie die Forschung am Luchs auch reproduktionsbiologische Phänomene bei Säugetieren aufdecken konnte.