Nekrolog auf unser Mitglied Werner Scheler
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Pharmakologen und Molekularbiologen
Prof. Dr. Werner Scheler
der am 09. Oktober 2018 im Alter von 95 Jahren verstorben ist.
Am 09. Oktober 2018 verstarb wenige Wochen nach seinem 95. Geburtstag das Gründungsmitglied der Leibniz-Sozietät Werner Scheler. Mit ihm verliert die Leibniz-Sozietät einen international bekannten Pharmakologen, einen engagierten Biomediziner und einen langjährig wissenschaftspolitisch aktiven Kollegen.
Geboren wurde Werner Scheler am 12. September 1923 im oberfränkischen Coburg. Bereits ein Jahr nach seiner Geburt zog die Familie in das thüringische Steinach. Dort verbrachte er seine Kindheit. Als 17-jähriger wurde er zum Militärdienst einberufen und erlebte das Kriegsende in einem Behelfslazarett in Oberbayern. Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit als Werkzeugmacher bewarb er sich 1946 an der Arbeiter- und Bauern Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und studierte dort anschließend Humanmedizin. 1951 erfolgte der Abschluss mit dem Staatsexamen und der Promotion zum Dr. med.
Seine anschließende wissenschaftliche Laufbahn war ab 1951 eng mit der Berliner Pharmakologie unter seinem akademischen Lehrer Friedrich Jung verbunden. In Jung´s Akademie-Institut in Berlin-Buch begründete er sein späteres Arbeitsgebiet – die Analyse funktionell wichtiger Fähigkeiten der Hämoproteine. Diese stark biophysikalisch orientierten Arbeiten verband er mit rezeptorpharmakologischen Betrachtungen und legte so den Grundstein für seine umfangreichen allgemeinpharmakologischen Veröffentlichungen.
Nach seinem Wechsel 1959 an die Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität profilierte er das dortige Pharmakologische Institut zu einer international anerkannten Stätte in Forschung und Lehre. Beispielhaft für diese wissenschaftlich fruchtbare Zeit steht sein Lehrbuch „Grundlagen der Allgemeinen Pharmakologie“, welches in 11 Auflagen erschien und in 111 worldcat Bibliotheken weltweit zu finden ist.
Die Rückkehr Werner Schelers 1971 von Greifswald nach Berlin-Buch fiel in die bewegte Zeit der Akademiereform. Als Direktor des neu zu konstituierenden Forschungszentrums für Molekularbiologie und Medizin (FZMM) gelang es Werner Scheler in Berlin-Buch, die drei Zentralinstitute der Akademie der Wissenschaften (AdW) zu konfigurieren und gemeinsam mit den übrigen biologisch-medizinischen AdW-Instituten ein leistungsfähiges Forschungszentrum aufzubauen. Dabei galt sein Augenmerk sowohl der Grundlagenforschung als auch der Zusammenarbeit mit der Industrie. Trotz ökonomischer Schwierigkeiten konnte er in seiner 8-jährigen Tätigkeit als FZMM-Direktor eine Reihe von Investitionen beginnen oder abschließen.
1979 wählte das Plenum der Akademiemitglieder Werner Scheler zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR. Die nun folgenden 11 Jahre seiner Präsidentschaft waren eingebettet in die sozialökonomischen Strukturen und Prozesse in der DDR sowie die politische Entwicklung in Europa. Die AdW erfuhr in dieser Zeit hohe gesellschaftliche Anerkennung, wurde aber andererseits zunehmend in die Innen- und Außenpolitik der Partei- und Staatsführung eingebunden; mit daraus folgenden Konsequenzen für die akademische Freiheit. Als ein Resultat der politischen Veränderungen in der DDR, wurde er am 29. Juni 1990 durch den Ministerpräsidenten der DDR als Präsident der AdW entpflichtet.
Danach hatte er keine Möglichkeit seine experimentellen Arbeiten fortzusetzen. Veranlasst durch die „Abwicklung“ der Akademie der Wissenschaften der DDR nach dem 03. Oktober 1990 und die damit verbundene politische Diskreditierung der DDR-Wissenschaft, wandte er sich der Geschichte der DDR-Akademie in der Zeit zwischen 1945 und 1990 zu. Diese Arbeiten fanden im Jahre 2000 ihren Niederschlag in der Monografie „Von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin zur Akademie der Wissenschaften der DDR – Abriss der Genese und Transformation der Akademie“.
Im Anschluss daran sichtete er den Nachlass seines Lehrers Friedrich Jung und publizierte über die Geschichte der Berliner Pharmakologie und das Leben und Wirken von Jung.
Als Mitglied der aus der Akademie der Wissenschaften der DDR hervorgegangenen Leibniz-Sozietät e. V., veröffentlichte er mehrere Beiträge über die Forschungsorganisation der DDR sowie über die Entwicklung und die Tätigkeit der AdW.
Werner Scheler war seit1973 ordentliches Mitglied der AdW der DDR, seit 1977 Mitglied der Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie auswärtiges Mitglied der tschechoslowakischen, bulgarischen und russischen Akademie der Wissenschaften.
Zum Dr. med. h. c. wurde er von den Universitäten in Vilnius und Greifswald ernannt.
An Auszeichnungen wurden ihm u. a. verliehen: Verdienter Arzt des Volkes (1966), Nationalpreis für Wissenschaft und Technik II. Klasse (1970), Hervorragender Wissenschaftler des Volkes (1988).
Werner Scheler bleibt in unserer Erinnerung als ein international anerkannter Kollege, der bis zuletzt in der und für die Wissenschaft lebte, sich umfangreich wissenschaftspolitisch engagierte und dessen Leben eng mit der Entstehung und der Geschichte der DDR verbunden bleibt.
MLS Peter Oehme, Summt 17. Oktober 2018