Nekrolog auf unser Mitglied Prof. Dr. Egon Fanghänel

Prof. Dr. Egon Fanghänel
(* 25.06.1935, † 15.11.2023)
Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1996
(Foto: privat)

Am 15. November 2023 verstarb das Mitglied unserer Sozietät Egon Fanghänel, Professor (i.R.) für Organische Chemie an der TH Carl Schorlemmer Leuna-Merseburg, in Halle/Saale.

Egon Fanghänel gehörte national und international zu den namhaften Repräsentanten der organischen Schwefelchemie. Er diplomierte 1958 an der TH Dresden bei H. G. O. Becker und promovierte vier Jahre später mit einer von F. Asinger betreuten Arbeit über Zusammenhänge von Struktur und Eigenschaftsmerkmalen oberflächenaktiver Verbindungen. Egon Fanghänel erhielt nach dem Weggang von F. Asinger an die RWTH Aachen durch dessen Nachfolger R. Mayer die Möglichkeit, sich an der TU Dresden mit einer schwefelorganischen Arbeit zu habilitieren und anschließend die Gelegenheit, einen mehrjährigen Forschungsaufenthalt am Centre de National in Havanna zu absolvieren. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1971 erhielt er einen Ruf als Ordentlicher Professor an die Technische Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg, an der er bis zu deren Abwicklung im Jahre 1993 wirkte. Bedingt durch den mit der Wende verbundenen Elitenaustausch arbeitete er ab 1993 bis 2000 als Oberassistent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Egon Fanghänel war über viele Jahre im Leitungsgremium des Fachbereiches Chemie an der TH Leuna-Merseburg tätig, die er von 1990 bis 1992 auch als Rektor leitete. Zugleich übernahm er wissenschaftsorganisatorische Tätigkeiten in der Chemischen Gesellschaft der DDR, deren Vorsitz er von 1985 – 1988 innehatte, und setzte sich aktiv für den Zusammenschluss mit der Gesellschaft Deutscher Chemiker ein, in deren Vorstand er als ständiger Gast mitarbeitete. 2017 wurde er Ehrenmitglied dieser Gesellschaft.

In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wandte er sich neben Arbeiten zur Chemie heterocyclischer Verbindungen auch anwendungsorientierten Problemen zu. So konnten mit Hilfe von ihm entwickelter schwefelheterocyclischer Verbindungen eine neue Klasse elektrisch leitfähiger Materialien erschlossen und hinsichtlich ihrer Eigenschaftsmerkmale eingehend studiert werden. Diese Materialien sind speziell zur Herstellung von organischen Photoleitern und redoxaktiven Komponenten in organischen Batterien geeignet und initiierten eine Fülle von Arbeiten in anderen Arbeitskreisen.

Egon Fanghänel war ein begnadeter Hochschullehrer, der mit didaktisch gut aufgebauten Vorlesungen und Seminaren seine Studenten für die Wissenschaft begeisterte und zu eigenen wissenschaftlichen Arbeiten motivierte. Er war maßgeblich an der Konzipierung und später als federführender Autor an der Gestaltung des Praktikumsbuches “Organikum” beteiligt, das seit 1962 in bisher 24 Auflagen erschienen ist. Zudem war er federführender Autor des 6. Bandes des “Lehrwerkes Chemie” zum Thema “Chemische Kinetik”, das über viele Jahrzehnte die fachliche Ausbildung der Chemiestudenten an den Hochschulen und Universitäten der DDR prägte. Insgesamt stammen aus seiner Feder über 200 Publikationen, darunter auch 9 Übersichtsbeiträge.

Egon Fanghänel leitete über mehrere Jahrzehnte an der TH Leuna-Merseburg ein von der Filmfabrik Wolfen finanziertes Problemlabor, in dem er mit zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeitern neue fotografische Materialien auf Basis halogensilberfreier lichtempfindlicher Verbindungen entwickelte und hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit untersuchen ließ. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden in über 100 Patenten dokumentiert.

Egon Fanghänel war auch nach Ende seiner akademischen Tätigkeit aktiv. So wirkte er von 2001 – 2014 als wissenschaftlicher Berater im TGZ Bitterfeld-Wolfen, unterstützte hier die Gründung und wissenschaftliche Profilierung neuer mittelständischer Unternehmen im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen und war Initiator der Gründung des Chemiepark Instituts in Bitterfeld, das sich anwendungsorientierter Forschung widmete.

Für seine verdienstvolle Tätigkeit in Wissenschaft und Gesellschaft erhielt Egon Fanghänel hohe Auszeichnungen. 1980 wurde er mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR und im Jahre 1983 mit dem Nationalpreis geehrt. 1981 wurde er Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.

Egon Fanghänel zeichnete sich durch seine Aufgeschlossenheit und sein hohes Verantwortungsbewusstsein aus. Sein offenes Ohr und sein besonnener Rat wurden von Mitarbeitern und Kollegen gleichermaßen geschätzt. Besonders wichtig war ihm seine Familie, die für ihn stets der zentrale Lebensmittelpunkt war. Er arbeitete mit Vergnügen in seinem Garten und war ein begeisterter Bergwanderer.

Mit Egon Fanghänel verlieren wir einen exzellenten Wissenschaftler, einen verlässlichen und stets hilfsbereiten Kollegen, der sich zugleich durch eine breite humanistische Bildung auszeichnete.

Wir verneigen uns vor ihm, in ehrendem Gedenken.

Horst Hennig