Gerade erschienen: Aktuelle Publikation unseres Mitglieds Viktor Jakupec

Rethinking Multilateralism in Foreign Aid. Beyond the Neoliberal Hegemony

Viktor Jakupec, Max Kelly, Jonathan Makuwira (eds.)

London: Routledge 2020, 304 S.; eBook ISBN 9780367853808; DOI https://doi.org/10.4324/9780367853808

Manche Publikationen treffen intuitiv/zufällig, aber zielsicher eine aktuelle Thematik, die sie in der Konsequenz zu wichtigen Informationsquellen und Impulsgebern werden lässt. Lange bevor das Corona-Virus den Himmel der Weltwirtschaft verfinstert hat, sind die Herausgeber Viktor Jakupec, Max Kelly und Jonathan Makuwira sowie ihre kompetenten Autoren einem historischen Phänomen nachgegangen, das inhaltlich zukünftig hohe Bedeutung erlangen wird.

Contents                       Über das Buch                          Seite 1

Unter dem Titel

Rethinkig Multimaterialism in Foreign Aid: Beyond the Neoliberal Hegemony

veröffentlicht die internationale Autorengruppe eine kritische Langzeitanalyse von wirtschaftlich-finanziellen (eher öffentlich verdeckten) Konzepten der Entwicklungshilfe nach dem Zweiten Weltkrieg.

Aktuell – wo die gravierenden Folgen der Corona-Pandemie sich schon abzeichnen – wird politisch häufig darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser globalen Gesundheitsproblematik gravierender sein werden als die historisch bekannten Vorgänge der Weltwirtschaftskrise und vor allem der Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat das Corona 19-Virus bereits – entsprechend dieser Einschätzung – als „Kriegsvorgang“ klassifiziert. Es wird notwendig sein, nach dem Abklingen der gesundheitlich-medizinischen Problemlage in der Weltpolitik wieder mit  „neuen Entwicklungshilfen“ aktiv zu werden. Da ist ein Nachdenken und Diskutieren von Grundlinien helfender Strategien unter Kontrastierung vorhandener Erfahrungen hochgradig notwendig.

Die Beiträge der englischsprachigen Publikation thematisieren zunächst vor allem die Entscheidungen und das Vorgehen des „Westens“ nach dem Kriegsende und in den 75 Jahren der bisherigen angewandten Entwicklungshilfe-Strategien. Es wird ausführlich dargestellt, wie westliche Institutionen die Entwicklungshilfe historisch dominiert haben. Diese zunächst deskriptiven Berichterstattungen über die Ansätze und Wirkungen der vorrangig praktizierten „neoliberalen multilateralen Entwicklungshilfe“ werden sodann unter Akzentuierung von  aktuellen Gegenpositionen kritisch befragt. Die Haltungen und Ansätze der neuen „Supermacht China“ und die quertreibenden Einflüsse des national sich schrittweise stärkenden Rechtspopulismus bleiben nicht ohne Auswirkungen. Dazu positionieren sich einige Autoren dieses künftig noch wichtigeren Politikfeldes mit neuen Ideen und Ansätzen. Große Unsicherheiten werden – nachvollziehbar in den fluktuierenden, überhaupt nicht grundlegend basierten – Interventionen des gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten gesehen. In der Konsequenz ergibt sich derzeit ein noch schleichender, aber verstärkender Vertrauensschwund in die bestehenden Institutionen der westlichen Entwicklungshilfe. Deren multilaterale neoliberalen Konzepte und Handlungsstrategien sind zwar noch amerikanisch dominiert, verlieren aber zunehmend weltweit an Akzeptanz. Vor allem sind es auch die Entwicklungsbanken, die mit ihrer regionalen Geldpolitik alternative Handlungsstränge öffnen und die Abhängigkeit von westlichen Hilfsquellen unterlaufen.

Es bleibt abzuwarten und kritisch zu beobachten, wie sich „Entwicklungshilfe nach Corona“ neu strukturiert. Eine unveränderte Fortsetzung traditioneller Ansätze verbietet sich und ist folglich auch nicht zu erwarten. „Wir kehren nach Corona zurück zur Normalität – aber es wird eine veränderte neue Normalität sein“, sagt zum Beispiel der deutsche Finanzminister. Es werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit Schwerpunktverschiebungen ergeben, die ein neues Koordinatensystem für globale Entwicklungshilfe herausfordern.

Die vorliegende Publikation unseres Mitgliedes Viktor Jakupec und seiner Mitherausgeber Max Kelly und Jonathan Makuwira liefert uns Rüstzeug für eine analytische Begleitung der zu erwartenden wirtschaftspolitischen Diskussionen. Eine rundum empfehlenswerte Literatur für zukunftsorientierte globale Fragestellungen!

Peter Hübner