Biesdorfer Gespräche: Bericht zum Vortrag von Dr. Jens Peter von Kries
„Chemische Biologie & Arzneimittelsuche mit Hochdurchsatz-Screening. Leibniz und die automatisierte Analyse. Virchow und die Erkennung morphologischer Muster kranker Zellen“
Am 25. November 2022 fand auf Einladung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin im Schloss Biesdorf eine Abendveranstaltung mit einem Vortrag von Dr. Jens Peter von Kries zum Thema „Chemische Biologie & Arzneimittelsuche mit Hochdurchsatz-Screening. Leibniz und die automatisierte Analyse. Virchow und die Erkennung morphologischer Muster kranker Zellen“ statt. Gemeinsam mit der Leibniz-Sozietät hatten die Berliner Medizinische Gesellschaft e.V., der Campus Berlin-Buch GmbH und das Schloss Biesdorf zu dieser Veranstaltung eingeladen.
Im Vortragssaal des Schlosses Biesdorf in Berlin eröffnete die Präsidentin der Leibniz-Sozietät Gerda Haßler die Veranstaltung und begrüßte die Anwesenden. Dabei ging sie zunächst auf einige der vorangegangenen Veranstaltungen der Leibniz-Sozietät zu medizinischen Themen im Schloss Biesdorf ein, so auf die Jahrestagung der Leibniz-Sozietät 2019 zum Thema „Virusinfektionen – alte und neue Erreger sowie Wege der Impfprophylaxe“ sowie auf den Vortrag von Wolf-Dieter Ludwig 2021 zum Thema „Medikamentöse Therapie von COVID-19 und Impfstoffe gegen SARS-CoV-2: Erwartungen, aktuelle Ergebnisse und Unsicherheiten“. Danach stellte sie den Referenten des Abends, Jens Peter von Kries, vor. Jens Peter von Kries leitet seit 2004 die Screening Unit der Technologieplattform für Chemische Biologie des Leibniz-Forschungs-institutes für Molekulare Pharmakologie (FMP) und des Max-Delbrück-Centrums in Berlin-Buch. Die Screening Unit unterstützte und unterstützt mehr als 400 Forschungsprojekte von Akademien und mittelständischen Unternehmen bei der Wirkstoffsuche im Hochdurchsatz sowie mit genomweiten Genfunktionsstudien. Aktuell führt die Unit Virchows Konzept der Zellpathologie mit modernsten automatisierten Mikroskopen und computergestützter künstlicher Intelligenz fort.
In seinem Vortrag ging Jens Peter von Kries zunächst auf aktuelle Forschungsarbeiten der Screening Unit im FMP ein, bei denen morphologische Änderungen von Zellen in Reaktion auf die spezifische Störung einzelner Zellfunktionen durch chemische Substanzen oder durch die Blockade von individuellen Genfunktionen durch RNA-Interferenz oder CRISPR Cas9 (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) untersucht werden. Hierbei werden mit automatisierten Mikroskopen nach der Fluoreszenzmarkierung von Zellstrukturen 500 bis 3.000 Morphologie-Parameter für jede einzelne Zelle erfasst. Die Idee hierfür lieferte vor 160 Jahren Rudolf Virchow mit seiner Zellpathologie, die spezifische Muster für bestimmte Störungen bzw. Krankheiten postulierte. Die Screening Unit führt dieses Konzept mit modernsten Geräten und computergestützten Analysen zur Identifizierung von Zellfunktionsstörungen fort. Hierbei werden Referenzsubstanzen mit bekannter Wirkung und die zu analysierenden Proben zur Kartierung des Ergebnisraumes eingesetzt. In diesem Zusammenhang würdigte der Referent auch Gottfried Wilhelm Leibniz, der durch die binäre Darstellung sämtlicher Dezimalzahlen durch Null- und Eins-Werte den Grundstein zur Entwicklung digitaler Systeme und somit zur Automatisierung legte.
Der Vortrag präsentierte im weiteren Verlauf die Funktion eines akademischen Labors zur Unterstützung von Hochdurchsatz-Screens mit „state-of-the-art“-Ausstattung, die automatisierte Analyse mit computergestützten Analyse-Pipelines und ausgewählte Ergebnisse von Forschungsprojekten zur Chemischen Biologie. Dabei wurden in verständlicher Form Methoden und Wege zur Wirkstofffindung dargestellt. Beispielhaft wurde auf die Identifizierung von Wirkstoffen eingegangen, die die Entstehung von Tumoren oder die Metastasierung von Krebszellen blockieren können. Der Vortrag ging schließlich auch auf identifizierte und inzwischen zugelassene Arzneistoffe ein, die die Gefäßbildung normalisieren können.
Die von Gerhard Pfaff (Mitglied der Leibniz-Sozietät) nach dem Vortrag geleitete anregende Diskussion machte deutlich, dass die Ausführungen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltung mit großem Interesse verfolgt wurden. Im Mittelpunkt standen Fragen zur Auffindung neuer medizinischer Wirkstoffe und zur Methodik des Hochdurchsatz-Screenings. In einem Schlusswort fasste Peter Oehme (Mitglied der Leibniz-Sozietät) wesentliche Aussagen des Vortrags und der Diskussion zusammen. Dabei ging er vor allem auf die Anforderungen bei zukünftigen Entwicklungen von Wirkstoffen ein.
Es ist vorgesehen, den Vortrag von Jens Peter von Kries in Form einer Publikation in Leibniz Online zu veröffentlichen und die Inhalte damit einem noch breiteren Kreis von Interessenten zur Verfügung zu stellen.
Gerhard Pfaff