Bericht vom Leibniz Tag 2021

Leibniz-Tag 2021

Aus dem Vortrag der Präsidentin zum LT 2021             Der Bericht und die Festrede erscheinen im nächsten Heft von Leibniz-Online.

Der Leibniz-Tag fand in diesem Jahr am 25. November unter den sich zuspitzenden Bedingungen der vierten Welle der Corona-Pandemie statt. Die Präsidentin konnte in ihrem Bericht Bilanz über vielfältige und erfolgreiche Arbeit ziehen. Seit dem letzten Leibniz-Tag im November 2020 wurden elf Plenarsitzungen durchgeführt. Auch die Klassensitzungen wurden nach einer pandemiebedingten Pause kontinuierlich fortgesetzt. Die Arbeitskreise luden zu Veranstaltungen ein, die von ihren Mitgliedern rege besucht wurden, aber auch für Außenstehende interessant waren.

Die Tagungsaktivitäten der Leibniz-Sozietät schlagen sich auch in den Publikationen ihrer Mitglieder nieder. Seit dem letzten Leibniz-Tag erschienen sieben Bände der Abhandlungen und vier Sitzungsberichte. Neben den in gedruckter Form vorliegenden Publikationen geben wir auch eine online Zeitschrift heraus, Leibniz Online, für die jederzeit und auch unabhängig von Tagungen Publikationsvorschläge eingereicht werden können. Wie die Herausgabe einer Zeitschrift funktionieren kann, zeigt die noch junge, 2019 gegründete Zeitschrift Symposium Culture@Kultur, die von Kollegin Dorothée Röseberg und Frau Françoise Knopper vom Institut de Recherche pluridisciplinaire en arts, lettres et langues und der Université Jean Jaurès Toulouse herausgegeben wird. Die Zeitschrift versteht sich als Medium der Vermittlung und des Dialogs zwischen kulturwissenschaftlich arbeitenden und interessierten Forscher*innen verschiedener Disziplinen aus Frankreich und Deutschland sowie darüber hinaus.

Die Präsidentin, Prof. Dr. Gerda Haßler, bei ihrem Bericht (Foto: D.Linke)

Auch im letzten Jahr wurde deutlich, dass die Erwartungen der Mitglieder an die Sozietät immer differenzierter werden, was bei der Unterschiedlichkeit der Einbindung in verschiedene Wissenschaftskulturen, Leistungsformen und Möglichkeiten auch ganz natürlich ist. Dass die Sozietät unter Wahrung ihres Kerns weiterentwickelt werden muss, dass sie Innovationen braucht, ist aber unstrittig. Deshalb hatte die Präsidentin ihren Bericht „Innovation und kulturelles Gedächtnis“ überschrieben. Sie behandelte in ihrem Bericht die folgenden Fragen: Worin besteht das kulturelle Gedächtnis der Leibniz Sozietät, wie weit reicht es zurück, welche Brüche bestehen darin und welche und wie viel Innovation verträgt die Sozietät?

Es kommt uns durchaus zu, auf die Zeit der Gründung der Akademie durch deren geistigen Vater und ersten Präsidenten der Berliner Sozietät, Gottfried Wilhelm Leibniz, zurück zu blicken. Leibniz hatte die Entwicklungen um die Akademiegründungen in Europa rezipiert und mit seinen eigenen Gedanken über einen Zusammenschluss von Gelehrten zur Förderung gemeinsamer Forschungen verknüpft. Er meinte mit dem Prinzip theoria cum praxi und dem bonum commune viel mehr als dass sich Wissenschaftler um die Lösung praktischer Probleme kümmern sollten. Leibniz war nicht nur mit der enzyklopädischen Weite eines europäischen Humanisten zugleich Jurist, Mathematiker, Physiker, Philosoph und vieles andere, sondern er entwickelte ein System, das seinen vielfältigen und zerstreuten Äußerungen zu Grunde liegt und dem sie ihren inneren Zusammenhang verdanken. Grundlage dieser systematischen Kraft ist seine Einsicht in die harmonie universelle, die oft missverstanden wurde, man denke an Voltaires Candide, den Vorwurf des „ruchlosen Optimismus“ bei Schopenhauer oder Franz Mehrings Bezeichnung von Leibniz als „Fürstenknecht“. Die Welt ist für Leibniz eine Art Organismus, in dem ständig neue Kombinationen entstehen, und in dem jede Veränderung eines Teils durch eine darauf abgestimmte Veränderung aller anderen Teile aufgefangen werden kann und muss.

Theoria cum praxi heißt im Leibnizschen Sinne nicht nur, dass experimentelle Praxis in der Forschung und Theorie eine Einheit bilden, sondern dieses Motto, das er seiner Akademiegründung ins Wappen geschrieben hat, bedeutet auch Einheit von natürlicher Welt und moralischem gesellschaftlichem Verhalten. Das commune bonum lässt sich als politisch-metaphysische Ausprägung des Leibnizschen Modells auffassen und es wird durch die vernünftige Abstimmung der individuellen Interessen aufeinander hergestellt. Dabei wird die Aufspaltung der Ratio in wissenschaftliche Ra­tionalität und Ethik zunehmend zum Problem, das Leibniz durch die Wiedergewinnung einer Einheit zu lösen versuchte.

Angeregte Gespräche auf dem Leibniz-Tag 2021 (Foto: D.Linke)

Im weiteren Verlauf ihrer Rede betrachtete die Präsidentin die weitere, von zahlreichen Brüchen und Innovationen gekennzeichnete Entwicklung der Berliner Akademie bis zum Befehl 187 der sowjetischen Militäradministration zur Eröffnung der Deutschen Akademie der Wissenschaften, der am 1. Juli 1946, genau am 300. Geburtstag von Leibniz, erging.

2023 wird sich die Gründung der Leibniz-Sozietät als eingetragener Verein, der sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuwendungen finanziert, zum 30. Mal jähren. Das sollte uns Anlass sein, nicht nur an die mutige Tat der Gründung zu erinnern, sondern insbesondere die Entwicklung unserer Sozietät in den letzten 30 Jahren zu reflektieren. Im Mittelpunkt sollte dabei stehen, wie sich die Gegenstände, Methoden und Kontexte der Forschung entwickelt haben. Durch die Beschäftigung mit der 30-jährigen Geschichte der Leibniz-Sozietät können wir unser kulturelles Gedächtnis lebendig machen und es für Innovationen in der Zukunft nutzen.

(Die Präsentationsfolien der Präsidentin finden Sie hier.)

Der Festredner des Leibniztages 2021, Prof. Dr. Hans-Jürgen Garstka (Foto: D.Linke)

Eine der Richtungen der Innovation ist die Digitalisierung, die uns große Möglichkeiten bringt, vielleicht aber auch etwas Bedrohliches an sich hat. Die Festrede war diesem Thema gewidmet. Kollege Hansjürgen Garstka sprach zum Thema Digitalisierung der Gesellschaft – grenzenloser Fortschritt oder Bedrohung der Grundrechte? Nach einer Betrachtung des Begriffs der „Digitalisierung“ zeigte er an einzelnen Entwicklungsstufen des Einsatzes digitaler Informationstechnik, dass diese stets von Diskussionen über die Bedrohung von Grundrechten geprägt waren: Beginnend von den ersten Computern, die zunächst nur der Bewältigung schwieriger Rechenoperationen dienten, bis hin zum derzeitigen Stand der weltweiten Vernetzung und der Entwicklung intelligenter Systeme.

Prof. Dr. Dorothée Röseberg empfängt die Jablonski Medaille (Foto: D.Linke)

Der Leibniz-Tag war auch die Gelegenheit, Kollegen auszuzeichnen und ihnen für die geleistete Arbeit zu danken. Prof. Dr. Werner Kalweit wurde mit der Ehrenurkunde aus Anlass des 50. Jubiläums seiner Zuwahl zur Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin geehrt. Prof. Dr. Detlev Ganten wurde die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Medaille für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Medizin und seinen persönlichen Einsatz für die Entwicklung der Wissenschaftslandschaft nach der deutschen Einheit verliehen. Die Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille erhielten der Thermodynamiker Dr. Rainer Feistel, der interdisziplinär arbeitende Mikroelek­troniker Professor Dr.-Ing. Bernd Junghans und die romanistische Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Dorothée Röseberg.

Übergabe des Kooperationspreises an Françoise Knopper (Foto: D.Linke)

Mit dem Samuel-Mitja-Rapoport-Kooperationspreis wurden Georg B. Kaiser und die von ihm geleitete BMB-BuchManufactur sowie das Institut de Recherches Pluridisciplinaires en Arts, Langues et Littératures (IRPALL) der Universität Jean-Jaurès, Toulouse, Frankreich, dessen Vertreterin Françoise Knopper den Preis entgegennahm, geehrt. Leider konnten einige der Geehrten aufgrund der Pandemiebedingungen und wegen Verpflichtungen an anderen Orten nicht am Leibniz-Tag teilnehmen.

Dr. Michael Schippan, MLS