Bericht über das Ehrenkolloquium für Wolfdietrich Hartung
Am 15. Februar 2024 fand im Historischen Ratssaal im Rathaus Friedrichshagen, ein Kolloquium zu Ehren unseres Mitglieds Wolfdietrich Hartung, der am 25. Februar 2023 seinen 90. Geburtstag beging, statt. Die Präsidentin begrüßte zu Beginn des Kolloquium die dreißig Anwesenden, darunter auch Familienangehörige und ehemalige Studierende des Jubilars. Sie würdigte Wolfdietrich Hartung als einen Wissenschaftler, der drei Gesellschaftssysteme kennengelernt und mindestens ebenso viel Paradigmenwechsel in der Sprachwissenschaft erlebt hat. Paradigmenwechsel war metaphorisch gemeint, denn natürlich gab es Kontinuitäten in seinen wissenschaftlichen Anschauungen, zu denen mindestens die Orientierung an der sprachlichen Realität und die Exaktheit seines Arbeitens gehören. Wolfdietrich Hartung faszinierte die gesellschaftliche Dimension von Sprache und Kommunikation. In den siebziger Jahren begann er am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft mit dem Aufbau eines Bereichs, der gesellschaftsbezogene linguistische Disziplinen wie Soziolinguistik, Stilistik, Gesprächs- und Konversationsanalyse und auch Fragen der Textorganisation beinhaltete. Seit 1996 ist er Mitglied der Leibniz-Sozietät, die ihm zu großem Dank verpflichtet ist. Er redigierte die Bände 51 bis 132 der Sitzungsberichte. Die Wirkung der Publikationen unserer Sozietät nach außen war Wolfdietrich Hartung stets sehr wichtig. Dazu gehört auch ihre Veröffentlichung im digitalen Format, über das Leser erreicht werden können. Ihm ist die Einführung von Leibniz Online zu verdanken, einer Zeitschrift, in der jederzeit Artikel publiziert werden können. Von 2005 bis 2017 hat er dann auch Leibniz Online bearbeitet. Doch seine wissenschaftliche Arbeit während seiner Zugehörigkeit zur Leibniz-Sozietät wurde auch nicht vergessen, denn er hat gut reflektierte und innovative Ergebnisse seiner Forschung vorgelegt.
Die Laudatio wurde von Norbert Dittmar, emeritierter Professor am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, gehalten. Er würdigte die wissenschaftlichen Leistungen von Wolfdietrich Hartung, den er sieht vielen Jahren kennt.
Danach sprach Clemens Knobloch, emeritierter Professor und Mitglied des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1187 „Medien der Kooperation“ an der Universität Siegen zur Begriffsgeschichte von „Kommunikation“ Ähnlich wie in der BRD beginnt auch in der DDR die Begriffskonjunktur von Kommunikation als Leitbegriff der Humanwissenschaften in den frühen 1970er Jahren. Und sie hat, wie das von Wolfdietrich Hartung und anderen (1974) veranstaltete Grundlagenwerk Sprachliche Kommunikation und Gesellschaft belegt, durchaus auch (aber keineswegs nur) andere Wurzeln als die westdeutsche Konjunktur. Zu den markanten Eigenheiten der-Konjunktur des Kommunikationsbegriffs in der DDR dürfte die breite und fruchtbare Rezeption der Traditionen gehören, die unter den Namen „Kulturhistorische Schule“ und „Tätigkeitstheorie“ auf Lew S. Wygotski, den Pionier der frühen sowjetischen Psychologie, zurückführen. Diese Tradition fehlt weitgehend in Westdeutschland. Sie kehrt dorthin, wenn überhaupt, erst später auf Umwegen über die USA zurück in den wirkmächtigen Bestand der Strömungen: und zwar über „neo-wygotskianische“ Bewegungen, etwa bei Jerome Bruner, James Wertsch, Michael Tomasello, Ein weiterer wichtige Unterschied zwischen BRD- und DDR-Traditionen in Sachen Kommunikation besteht darin, dass Kommunikation als gesellschaftskonstitutiver Grundbegriff in der DDR überwiegend abgelehnt wurde.
An die Vorträge schloss sich eine rege und fundierte Diskussion an. Abschließend dankte Wolfdietrich Hartung sehr bewegt für das für ihn veranstaltete Kolloquium.
Die gehaltenen Vorträge werden zusammen mit den Vorträgen eines weiteren Ehrenkolloquiums in den Sitzungsberichten der Leibniz-Sozietät veröffentlicht.
Gerda Haller
Beitragsbild oben: Blick aufs Podium v.l.n.r. : G.Haßler; N.Dittmar; W.Hartung; C.Knobloch (Foto: Hobohm)