Neue Publikation unseres Mitglieds Andrea Komlosy
Im Promedia Verlag Wien ist ein neues Buch von Andrea Komlosy (MLS) mit dem Thema
Grenzen.
Räumliche und soziale Trennlinien im Zeitenlauf
erschienen.
Menschliches Leben findet in Territorien statt. Ihre Territorialität kennzeichnet und prägt Menschen. Hier kennen sie sich aus, entwickeln sich, unterscheiden sich und schützen sich durch das Einrichten von Grenzen – oder auch durch deren Öffnung oder gar Beseitigung. Welche Bedeutung Grenzen haben und welche Praktiken mit ihnen verbunden werden, passt sich den Bedürfnissen von Herrschafts- und Wirtschaftsweisen an. Grenzen können also durchaus unterschiedlich wahrgenommen werden.
Andrea Komlosy gibt in ihrem Buch eine beeindruckende Darstellung des Zustandekommens von Grenzen und des Umgehens mit ihnen, vor allem im mittleren und westlichen Europa seit dem Mittelalter.
(Wolfdietrich Hartung)
Der Verlag Promedia schreibt dazu auf seiner Webseite:
” Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs triumphierte die Ideologie der Grenzenlosigkeit. Systembarrieren waren gefallen. Innerhalb des EU-Schengenraumes wurden die Binnengrenzen aufgehoben. Es schien, als würde es demnächst keine Grenzen auf der Welt mehr geben.
Doch bald kippte die Euphorie um die proklamierte Grenzenlosigkeit. Sie machte dem Ruf nach Wiedererrichtung von Grenzen Platz: gegenüber MigrantInnen, gegenüber chinesischen Firmenübernahmen, gegenüber einer Islamisierung der europäischen Gesellschaft und vielen anderen „fremden“ Einflüssen. ….
Vor diesem Hintergrund vertieft sich der Riss auch in den Wohlfahrtsgesellschaften Westeuropas. Quer durch alle weltanschaulichen Lager bricht ein Konflikt zwischen zwei Fraktionen auf: „Grenzen zu“, verlangen die einen, „No border“, skandieren die anderen. Hinter den unterschiedlichen Ideologien verbergen sich handfeste Interessen: Von Unternehmerseite wird die Deregulierung des Arbeitsmarktes begrüßt; die neue Mittelschicht freut sich über die Multikulturalisierung der Gastronomie und die kostengünstige Verfügbarkeit häuslicher Dienste; die alte Arbeiterklasse, die von der Konkurrenz am Arbeitsmarkt bedroht ist, hofft, dass höhere Grenzzäune die Unerwünschten abhalten.
Ob fremdenfeindlich oder fremdenfreundlich, beide Lager weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie instrumentalisieren die Grenze in Hinblick darauf, wie sie – durch Befestigung oder durch Abbau – dem Wohlergehen der eigenen Gruppe in der Gesellschaft bzw. der jeweiligen Vision davon nutzt. Andrea Komlosy schreibt dagegen an, die Grenze zum Wunschbild oder Feindbild zu stilisieren. Ein historischer Blick auf die Entwicklung von Grenzen hilft dabei, ihren wechselhaften Gebrauch im Laufe der Geschichte aufzuzeigen.”
Im Ausblick heißt es:
„Grenzen wurden in diesem Buch aus einer europäischen Perspektive behandelt.
Die Autorin hat sich gleichwohl bemüht, die historischen Einflüsse aus
außereuropäischen Weltregionen sowie die Folgen der europäischen Expansion
als wesentliche Grundlagen für die Herausbildung moderner imperialer
oder kolonialer (west-)europäischer Staatlichkeit darzustellen – ebenso wie
die internationale Ordnung, die diese europäische bzw. westliche Ordnung
absichert. Ein zentrales Anliegen war es insbesondere, dem universalistischen
eurozentrischen Anspruch entgegenzutreten, demgemäß dieser Typus von
Staat und diese Ordnung wert- und interessenneutrale Institutionen wären,
die erstens alternativlos und zweitens dem Wohl der Weltgesellschaft dienlich
wären. Die Auseinandersetzung mit Grenzen ist nicht nur Thema, sondern
auch eine Methode zum Erkennen globaler Ungleichheit, die nach dem Ende
der Kolonialära in der Schieflage der internationalen Beziehungen fortlebt.“ (S. 232)