Nekrolog auf unser Mitglied Zhores Ivanovitsch Alferov
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Physiker
Prof. Dr. Zhores Ivanovitsch Alferov
der am 01. März 2019 im Alter von 89 Jahren verstorben ist.
Zhores Alferov stammt aus einer ursprünglich proletarischen Familie. Sein Vater war Docker, Fabrikarbeiter, Regimentskommandeur in der Roten Armee, später Fabrikdirektor. Schon die beiden Vornamen der Kinder Zhores (benannt nach Jean Jaurés und Marx, seines älteren Bruders (gefallen im 2. Weltkrieg), deuten auf die weltanschauliche Position der Eltern hin.
Zhores, der in Witebsk (heute Weißrussland) geboren wurde, besuchte die 11-Klassenschule in Minsk, die er 1947 mit der Goldmedaille beendete. Er lernte leicht und gerne und geriet als Schüler, welch glücklicher Umstand, unter den prägenden Einfluss seines pädagogisch geschickten und wissenschaftlich denkenden Physiklehrers. Nach der Schule ging er an das Leningrader Technologische Institut (LETI), wo er sich im 3. Studienjahr verstärkt der Arbeit im Labor für Vakuumsprozesse und der Halbleitertechnik zuwandte. Sein Studium schloß er im Dezember 1952 ab. Er verblieb am Institut und arbeitete unter V. M. Tuschkewitsch in einem Team junger Wissenschaftler mit, deren Aufgabe die Entwicklung von Germaniumdioden und Trioden auf p-n Knotenpunkten war (Transistoren). Die in täglicher Laborarbeit verlaufenden Untersuchungen zu den technologischen Prinzipien und Parametern der Transistorelektronik brachten Alferov auf den Gedanken, sich auf der Basis der gewonnenen technologischen Erkenntnisse auch mit der dazu gehörenden Grundlagenforschung zu befassen. In dieser Zeit wirkte er an der Entwicklung eines speziellen Halbleitergeräts für das erste sowjetische Atom-U-Boot mit. 1961 promovierte er und verteidigte 1970 erfolgreich seine Dissertation zum Doktor der Wissenschaften über Heteroübergänge in Halbleitern vor. 1972 wurde er zum Professor ernannt.
1967 besuchte er die STL-Labore in Harlow (Großbritannien), wo in eine andere Richtung als in Leningrad geforscht wurde. Es folgten eine Vortragsreise 1969 in die USA und 1970/1971 ein sechsmonatiger Studienaufenthalt im Labor für Halbleitertechnik an der University of Illinois. In den Jahren 1968 und 1969 hatte das Team, das unter der Leitung von Alferov forschte, bahnbrechend neue Ideen zur Steuerung von Elektronen und Lichtströmen auf der Basis des Galliumarsenid-Aluminium-Systems praktisch umgesetzt, wodurch es gelang, die Vorteile der Heterostruktur-Anwendungen in Geräten wie Laser, Solarzellen, Transistoren und Thyristoren zu nutzen. 1971 erhielt er die Gold-Medaille des US-amerikanischen Franklin-Instituts für seine Leistungen in der DHS-Laser-Forschung. Von 1990 an beschäftigte er sich vorrangig mit den Eigenschaften von Nanostrukturen niedriger Dimension, d. h. mit Quantendrähten und Quantenpunkten.
1987 wurde Alferov zum Direktor des Joffe-Instituts gewählt. 1988 wurde er auswärtiges Mitglied der AdW der DDR, 1989 Präsident des Leningrader Zentrums der ADW der der UdSSR, 1990 Vizepräsident der ADW der UdSSR und 2007 Mitglied der Leibniz-Sozietät, um nur diese Zugehörigkeiten neben der Mitgliedschaft an anderen Akademien und Gelehrtengesellschaften zu nennen. 1984 wurde Alferov mit dem Staatspreis der UdSSR und 1996 mit dem Joffe-Preis ausgezeichnet. Im Jahre 2000 erhielt er gemeinsam mit Herbert Kroemer die eine Hälfte des Nobelpreises für Physik, konkret für die Entwicklung von Halbleiter-Heterostrukturen für Hochgeschwindigkeits- und Optoelektronik. Die andere Hälfte wurd Jack S. Kilby zugesprochen. Alferov, so heißt es, sei stolz darauf gewesen, dass er noch weit vor der Verleihung des Nobelpreises Mitglied der AdW der DDR wurde.
Die heute weit verbreiteten Halbleiterlaser, die heute in allen Scannern, CD-Spielern und Laserdruckern arbeiten, und die auch eine wichtige Basis heutiger Informationstechnologien geworden sind, beruhen auf den von Alferov entwickelten Verfahren
Er verfasste mehr als 500 wissenschaftliche Arbeiten, drei Monographien und konnte 50 Erfindungen auf der Habenseite seines ungemein schöpferischen Wissenschaftlerlebens verbuchen.
Politisch immer schon aktiv, war Alferov seit 1995 Mitglied der russischen Staatsduma, zuerst für „Unser Haus Russland“, dann ab 1999 für die Kommunistische Partei Russlands, ohne ihr jedoch anzugehören.
Hermann Grimmeis, Mitglied der Schwedischen AdW und unserer Sozietät zugehörig, sagte über Zhores Alferov: „Ohne Alferov wäre es nicht möglich, alle Informationen von Satelliten auf die Erde zu übertragen oder so viele Telefonleitungen zwischen den Städten zu haben“.
Die Leibniz-Sozietät wird diesem außergewöhnlichen Wissenschaftler ein stetes Andenken bewahren und sich seiner mit Stolz erinnern.
Armin Jähne