Nekrolog auf unser Mitglied Rainer Mackensen

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr  Mitglied,
den Soziologen

Prof. Dr. Rainer Mackensen

der am  18. Dezember 2018 im Alter von 91 Jahren in Berlin verstorben ist.

 

       Prof. Dr. Rainer Mackensen; Foto: privat

Seit 2003 war Rainer Mackensen Mitglied der Leibniz-Sozietät.

Rainer Mackensen wurde am 8. Juni 1927 in Greifswald geboren. Nach dem Schulbesuch in Riga, Berlin und Posen studierte er an den Universitäten von Göttingen und Tübingen. 1955 promovierte er an der Universität Tübingen im Fach Germanistik über Wolfram von Eschenbachs „Parzival“. Danach arbeitete er an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund und habilitierte sich 1967 in Münster nunmehr auf dem Gebiet der Soziologie und Bevölkerungslehre.

1968 wurde er an die Technische Universität Berlin für das Fachgebiet Soziologie berufen und vertrat dieses Fach in Lehre und Forschung erfolgreich bis zu seiner Emeritierung 1992. Da das ursprüngliche Institut für Soziologie der TU infolge der Studentenunruhen aufgelöst wurde, fand sein Lehrstuhl im Institut für Stadt- und Regionalplanung eine neue Heimat; 1978 konnte Mackensen ein neues Institut für Soziologie an der TU Berlin gründen, dem er bis zu seiner Emeritierung vorstand.

Seine Arbeitsgebiete über die Emeritierung hinaus waren Soziologische Theorie, Bevölkerungslehre, Geschichte der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert (insbesondere der Bevölkerungswissenschaft unter dem Nationalsozialismus), Umweltsoziologie, Stadt- und Agglomerationsforschung, Siedlungs- und Landschaftsentwicklung, Kulturelle Integration in Europa.

Zu den grundlegenden Werken  von Mackensen zählen Dynamik der Bevölkerungsentwicklung: Strukturen, Bedingungen, Folgen (1973, mit H. Wewer) ebenso wie Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungstheorie in Geschichte und Gegenwart (1989). – Einen wichtigen Beitrag zur Enthüllung der schändlichen Bevölkerungspolitik der nationalsozialistischen Machthaber in Deutschland lieferten u.a. seine Standardwerke Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik im „Dritten Reich“ (2004) sowie Ursprünge, Arten und Folgen des Konstrukts „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“ (2009). Diese Werke bilden einen grundlegenden Beitrag zur Aufarbeitung des unheilvollen Erbes in der alten Bundesrepublik Deutschland, die angesichts des gegenwärtigen Wiederauflebens revanchistischer Bevölkerungstheorien auch von nicht zu unterschätzender aktueller Bedeutung sind.

Die Festschrift für Rainer Mackensen 1994 Soziale Lage und soziale Beziehungen: Beiträge aus der Soziologie der Bevölkerung und angrenzender Disziplinen umreißt sein  umfangreiches Arbeitsgebiet anschaulich.

Ein Schwerpunktthema seiner Forschungen der letzten Jahrzehnte war die menschengerechte Stadt der Zukunft. Dabei stellte er bereits 1996 fest (und daran hat sich bisher kaum viel geändert): „Die Diskussionen über die mögliche oder wünschbare Entwicklung unserer Städte beherrschen Ratlosigkeit, Vorurteile und Kontroversen“. Bis zuletzt war er bemüht, diese Ratlosigkeit überwinden zu helfen.

Hervorzuheben ist auch seine engagierte politische, öffentliche und organisatorische Arbeit in den ihm so wichtigen Bevölkerungswissenschaften.

Horst Kant; 29.12.18