Nekrolog auf unser Mitglied Professor Dr. Rudolf Schubert

Prof. Dr. Rudolf Schubert, MLS (1927-2022) Foto: privat
Prof. Dr. Rudolf Schubert, MLS (1927-2022) Foto: privat

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Botaniker und Ökologen Prof. Dr. Rudolf Schubert,

der am 3. Dezember 2022 im Alter von 95 Jahren in Halle (Saale) verstorben ist.

Rudolf Schubert wurde am 26. August 1927 in Kobitzschwalde bei Plauen (Vogtland) geboren. Von 1934 bis 1939 besuchte er die Volksschule in Rößnitz (Vogtland) und anschließend das Gymnasium für Jungen, damals „Deutschritterschule“, in Plauen bis zum Abitur 1946. Allerdings war seine Schulzeit ab September 1943 durch den Einsatz als Luftwaffenhelfer bei Dessau, einen Arbeitsdienst in Prag sowie die Einberufung zur Marine nach Strahlsund-Dänholm und zur Infanterie nach Wolpertswende am Bodensee unterbrochen. Erst nach französischer und amerikanischer Gefangenschaft kam er zurück nach Kobitzschwalde und konnte 1946 sein Abitur ablegen. Noch im selben Jahr wurde Rudolf Schubert an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg immatrikuliert und studierte dort bis 1950 mit dem Abschluss des Staatsexamens für Lehrer der Oberschulen. 1952 folgte die Promotion zum Dr. rer. nat. mit einer Arbeit zum Thema „Schwermetallpflanzengesellschaften Mitteldeutschlands“. 1959 habilitierte er mit der Schrift „Zwergstrauchreiche, azidiphile Pflanzengesellschaften Mitteldeutschlands“. Die Umschreibung zum Dr. sc. nat. erfolgte 1971 durch die Martin-Luther-Universität.

Der berufliche Werdegang von Rudolf Schubert begann mit der Tätigkeit als Hilfsassistent von 1950 bis 1951 an der Universität Halle-Wittenberg, gefolgt von Aspiranturen zwischen 1951 und 1953 an den Universitäten in Halle, Greifswald und Potsdam. Ab 1953 war er in Halle tätig, zunächst als Oberassistent, dann von 1954 bis 1959 als Wahrnehmungsdozent, von 1959 bis 1964 als Dozent, von 1964 bis 1969 als Professor mit Lehrauftrag und schließlich ab 1969 als Ordentlicher Professor. Von 1971 bis 1975 war er amtierender Direktor der Sektion Biowissenschaften an der Universität Halle-Wittenberg und von 1974 bis 1977 sowie von 1982 bis 1986 Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Von 1975 bis 1991 war er Leiter des Instituts/Wissenschaftsbereichs Geobotanik und Botanischer Garten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im September 1991 erfolgte die Emeritierung. Zusätzlich zu den Funktionen an seiner Universität war er von 1971 bis 1990 Leiter der Hauptforschungsrichtung Ökologie der DDR, von 1982 bis 1987 Vorsitzender des Nationalkomitees der DDR für das internationale Forschungsvorhaben “Man and Biosphere” bei der Akademie der Wissenschaften der DDR im Rahmen der UNO (SCOPE) sowie von 1984 bis 1990 Leiter der Sektion Landeskultur und Naturschutz der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (bis 1991 Leiter der dortigen Arbeitsgruppe für Vegetationskunde).

Über Jahrzehnte prägte Rudolf Schubert das wissenschaftliche Profil des heutigen Bereichs für Geobotanik am Institut für Biologie der Universität Halle-Wittenberg. Klarheit, Bestimmtheit, und Weltoffenheit prägten seinen Führungsstil. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter förderte und unterstützte er in vielfältiger Art und Weise. Unter teilweise schwierigen Bedingungen gelang es ihm über viele Jahre, die wissenschaftliche Arbeit in seinem Bereich auf sehr hohem Niveau zu halten und internationale Anerkennung zu erringen. Für zahlreiche in Halle durchgeführte internationale Symposien und Tagungen war Rudolf Schubert Hauptverantwortlicher. Er pflegte umfangreiche persönliche Kontakte weltweit, welche er auf ausgedehnten Reisen vertiefen konnte. Auf vielen dieser Reisen war er auch als Sammler tätig.

Rudolf Schuberts Berufung als Professor erfolgte für Botanik, allerdings waren seine Interessen und Forschungen viel breiter und umfassten Bioindikation, Floristik, Geobotanik, Natur- und Umweltschutz, Ökologie, Taxonomie höherer und niederer Pflanzen und Vegetationskunde. Spezielles Interesse hatte er von Anbeginn seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an Kryptogamen, vor allem an Moosen und Flechten. Zahlreiche Moos- und Flechtenkollektionen, die heute im Herbarium (HAL) der Universität Halle-Wittenberg hinterlegt sind, gehen auf ihn zurück. Sein Interesse an Kryptogamen und seine stetige Förderung dieses Forschungszweiges verschafften der Universität Halle-Wittenberg einen bis heute erhaltenen weltweit guten Ruf in der Kryptogamenforschung und Mykologie. Zahlreiche Publikationen zeugen von seinen wissenschaftlichen Aktivitäten und seinen hervorragenden fachlichen Kenntnissen. Zu den von ihm publizierten Büchern gehören „Lehrbuch der Ökologie“ (1984), „Bioindikation in terrestrischen Ökosystemen“ (1985) sowie „Prodromus der Pflanzengesellschaften Sachsen-Anhalts (2001). Die intensive internationale Zusammenarbeit und Publikationstätigkeit auf dem Gebiet der Vegetationsforschung mit der mongolischen Akademie der Wissenschaften führte 2012 zur Verleihung der Ehrendoktorwürde durch diese Einrichtung.

Rudolf Schubert war während seiner gesamten beruflichen Karriere in der universitären Lehre eingebunden. Er war bekannt und beliebt für strukturierte, gute Vorlesungen und andere Lehrveranstaltungen zu Themen wie Taxonomie der Niederen und Höheren Pflanzen, Einführung in die Geobiologie, Ökosysteme der Erde, Synökologie, Ökologie und Landeskultur sowie globale Probleme des Umweltschutzes. Aber auch Pflanzenbestimmungsübungen, Kryptogamenkurse zum Bestimmen von Moosen und Flechten und botanische Exkursionen wurden von ihm angeboten. Als Hochschullehrer betreute er eine Vielzahl von Qualifikationsarbeiten seiner Studierenden, von Staatsexamensarbeiten, über Diplom-Arbeiten bis hin zu Promotionen und Habilitationen. Die Liste der von ihm betreuten Absolventinnen und Absolventen ist lang und liest sich wie das „Who’s Who“ der ostdeutschen Botaniker und Botanikerinnen (darunter 45 Dissertationen zum Dr. rer. nat. und 15 Habilitationsschriften).

Seit 1952 war Rudolf Schubert mit Dr. Waldtraut Schubert verheiratet, die 2021 im Alter von 92 Jahren verstarb. Wie er war auch sie eine leidenschaftliche Biologin und vor allem Botanikerin. Gemeinsam hatten sie zwei Kinder, Dr. phil. Halka Vogt, geb. Schubert (*1958) und Prof. Dr. rer. nat. habil. Hendrik Schubert (*1960), sowie 8 Enkel- und 12 Urenkelkinder.

1978 wurde Rudolf Schubert Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR und 1989 Mitglied der Leopoldina. Seit 1993 war er Mitglied der Leibniz-Sozietät. Damit gehört er zu den Gründungsmitgliedern unserer Gelehrtengesellschaft.

Die Leibniz-Sozietät verliert mit Rudolf Schubert ein ehrenvolles Mitglied. Die Kolleginnen und Kollegen der Leibniz-Sozietät werden ihm ein würdiges Andenken bewahren. Den Hinterbliebenen bekunden wir unser tief empfundenes Beileid.

Gerhard Pfaff