Nachruf für unser Mitglied Heinz Stiller

Nachruf für das Mitglied der Leibniz-Sozietät
Heinz Stiller 

 
Geboren am 01.11.1932 in Brieske-Ost, verstorben am 05.08.2012 in Potsdam

Diplom-Geophysiker, Prof. Dr. rer. nat. habil.,
Korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1971, Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR 1974, Gründungsmitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. 1993

Die Leibniz-Sozietät trauert mit den Angehörigen um ihr Gründungsmitglied Heinz Stiller, das wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag am 5. August 2012 in Potsdam verstorben ist.

Heinz Stiller war ein international anerkannter Geophysiker, der die Entwicklung des großen Wissenschaftsgebietes Geo- und Kosmoswissenschaften in der DDR ab der Transformation der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) zur Akademie der Wissenschaften der DDR Ende der 1960er, Beginn der 1970er Jahre maßgebend gestaltet hat.
Nach dem Studium der Physik und Geophysik an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) bei Robert Rompe, Hans Ertel und Gerhard Fanselau begann er seine wissenschaftliche Laufbahn im damaligen Geomagnetischen Institut der DAW bei Gerhard Fanselau mit Forschungsarbeiten zum Gesteinsmagnetismus. Daraus ergaben sich die Themen seiner Promotion (1959) und Habilitation (1964) an der HUB, die ihn zur Physik der Materie unter den Bedingungen des Erdinnern führten.

Daraus wurden folgerichtig seine wissenschaftlichen Hauptarbeitsgebiete: die experimentelle Mineralogie und die geophysikalische Hochdruckforschung, mit deren Ergebnissen er in der Fachwelt hohe Anerkennung errang. 1975 wurde er dafür mit dem Nationalpreis der DDR für Wissenschaft und Technik ausgezeichnet. Der junge, wissenschaftlich hoch befähigte und engagierte Heinz Stiller wurde 1966 als Nachfolger von Otto Meißer zum Direktor des damaligen Institutes für Geodynamik der DAW in Jena berufen, 1968 wurde er zum Akademieprofessor für Geophysik ernannt. Zu Beginn der Akademiereform 1969 kehrte er zu den Instituten der DAW in Potsdam zurück, die zum örtlichen Zentrum eines neu zu bildenden Forschungsbereiches der Akademie ausgebaut werden sollten, der vorerst die Bezeichnung Kosmische Physik erhielt.
Heinz Stiller wurde zum Gründungsdirektor des Zentralinstitutes für Physik der Erde (ZIPE), des größten Institutes in diesem Forschungsbereich, berufen und zugleich zum Stellvertreter von Hans-Jürgen Treder, dem ersten Leiter dieses Forschungsbereiches. Von diesen Tätigkeiten wurde er für die Zeit von 1970 bis 1972 in die Funktion des Stellvertretenden Generalsekretärs der Akademie abberufen, in der er sich vor allem damit befasste, die Teilnahme der DDR am Interkosmos-Programm auszubauen. Nach seiner Rückkehr nach Potsdam wurde Heinz Stiller 1973 zum Leiter des Forschungsbereiches Kosmische Physik berufen, ihm ist es zu verdanken, dass dieser ab 1974 zum Forschungsbereich Geo- und Kosmoswissenschaften ausgebaut wurde. Als Leiter des Forschungsbereiches behielt Heinz Stiller die wissenschaftliche Leitung der Forschungsarbeiten, die im ZIPE zur Seismologie und Physik des tiefen Erdinnern durchgeführt wurden. Die dabei erreichten Ergebnisse waren die Grundlage dafür, dass er in der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet in führende Funktionen gewählt wurde: zum DDR-Vertreter im Internationalen Seismologischen Zentrum in Edinburgh, zum Präsidenten der Europäischen Seismologischen Kommission, zum Vizepräsidenten der Internationalen Gesellschaft für Hochdruckphysik. Als Leiter des Forschungsbereiches, zu dem auch das später so genannte Institut für Kosmosforschung gehörte, wurde Heinz Stiller aber ständig durch die umfangreichen und wachsenden Aufgaben aus der Interkosmos-Kooperation gefordert. Er hat diese Anforderungen in vorbildlicher Weise erfüllt.

Heinz Stiller wurde als Leiter des Forschungsbereiches, und damit Mitglied des Präsidiums der Akademie, zweimal (1977 und 1981) wieder berufen. Zu seinen Aufgaben gehörte nicht nur die Sorge um die ihm anvertrauten Institute der Akademie, sondern auch die Verantwortung für die Koordinierung aller Arbeiten zur Grundlagenforschung, die auf dem Gebiet der Geo- und Kosmoswissenschaften in der DDR durchgeführt wurden. 1971 zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie und 1974 zum Ordentlichen Mitglied der Akademie gewählt, erkannte er sehr schnell, dass sein großes Wissenschaftsgebiet auch in der Gelehrtengesellschaft der Akademie angemessen vertreten sein muss. Wir verdanken es in hohem Maße seinem diplomatischen Geschick, dass 1981 in der Gelehrtengesellschaft die Klasse Geo- und Kosmoswissenschaften eingerichtet wurde und die Zahl der ihr zugeordneten Akademiemitglieder zügig wuchs. Dank der engen Zusammenarbeit von Forschungsbereichsleiter und dem Vorsitzenden der Klasse Wolfgang Böhme entwickelte sich in der neuen Klasse sehr schnell eine rege und immer anspruchsvolle wissenschaftliche Aktivität. Alle diese Erfolge waren mit entscheidend, dass das Plenum der Ordentlichen Mitglieder der Akademie der Wissenschaften der DDR 1984 Heinz Stiller zum Vizepräsidenten der Akademie für das wissenschaftliche Leben (d. h. für Plenum und Klassen der Gelehrtengesellschaft und die wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR) wählte.

Nachdem er diese Funktion über eine Wahlperiode (bis 1988) voll ausgefüllt hatte, kehrte Heinz Stiller wieder in den unmittelbaren Forschungsprozess zurück: Er übernahm wieder persönlich die Leitung der Forschungsarbeiten zur geophysikalischen Hochdruckforschung. Sie wurden organisatorisch aus dem ZIPE herausgelöst und in der ihm allein unterstellten Forschungsstelle zusammengefasst. Diese ihn beglückende Tätigkeit auszuüben, war ihm jedoch nicht mehr lange vergönnt, sie endete 1991 mit der Abwicklung der Institute der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR. Heinz Stiller ging 1992 in den Vorruhestand. Die Verbindung zur Gelehrtengesellschaft hielt er jedoch aufrecht, und er setzte sich dafür ein, dass sie in Form der Leibniz-Sozietät fortgeführt wird. Sein Gesundheitszustand ließ es aber nicht mehr zu, dass er sich an deren wissenschaftlichen Sitzungen beteiligte.

Die Leibniz-Sozietät bewahrt dem Wissenschaftler und Kollegen Heinz Stiller ein ehrendes Gedenken.

Heinz Kautzleben