Nachruf für MLS Günter Leonhardt

Nekrolog auf unser Mitglied
Prof. Dr. Günter Leonhardt

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* 18.03.1937, † 02.08.2015
Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2000

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied Prof. Dr. sc. techn. Günter Leonhardt, das am 2. August 2015 im Alter von 78 Jahren in Gera verstorben ist.

Günter Leonhardt wurde im Mai 2000 zum Mitglied der Leibniz-Sozietät gewählt. Seine Fachgebiete waren Markscheidewesen und Bergschadenkunde. Er war aktiver Mitstreiter im Arbeitskreis Geo-, Montan-, Umwelt-, Weltraum- und Astrowissenschaften, wobei er vor allem aus seinem großen Erfahrungsschatz schöpfte, den er während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der Sowjetisch-Deutschen Aktien-Gesellschaft Wismut gesammelt hatte. Seine Liebe gehörte weiterhin der Antarktisforschung, an der er sich als “Polarnik” während zweier Sowjetischer Expeditionen (der 8. Sowjetischen Antarktisexpedition (kurz: SAE) 1962-1964 und der 17. SAE 1971/72) beteiligt hatte. Darüber hat er immer wieder begeistert berichtet. Sie hat sein Wesen geprägt.

Günter Leonhardt hat an der Technischen Universität Dresden Vermessungswesen studiert und diplomiert. Sein akademischer Lehrer war Prof. Dr.-Ing. Horst Peschel. Günter Leonhardt, geboren am 18.03.1937,  war ein Kind des Erzgebirges. Der Uranerzbergbau in dieser Region war ihm nicht fremd. So war es naheliegend, dass er nach dem Studium zur SDAG Wismut in deren Markscheidewesen ging.

Kaum angekommen erhielt er von Horst Peschel, damals auch Präsident des Nationalkomitees für Geophysik und Geodäsie der DDR, das Angebot, als Wissenschaftler aus der DDR an der nächsten Sowjetischen Antarktisexpedition teilzunehmen. Nachdem ihm der Generaldirektor der SDAG die Freistellung erteilt hatte, konnte Günter mit den Vorbereitungen beginnen. Geplant war, im Rahmen der 8. Sowjetischen Antarktisexpedition während der Sommersaison 1962/63 gemeinsam mit seinem Fachkollegen Dr. Joachim Liebert von der TU Dresden an der Station Vostok am südlichen Kältepol der Erde eine möglichst genaue astronomische  Ortsbestimmung vorzunehmen. Angekommen im November 1962 in der Hauptstation der Sowjetischen Antarktisexpeditionen Mirny, mussten die Pläne geändert werden: die Ortsbestimmung in Vostok war erst in der Sommerssaison 1963/64 möglich, es musste überwintert werden. Das Arbeitsprogramm wurde erweitert um eine hochgenaue astronomische Ortsbestimmung in Mirny sowie um geodätische Arbeiten an der sowjetischen Station Molodjoshnaja und deren Umgebung. Nach der Rückkehr von der 8. SAE konnten Günter Leonhardt und sein Partner im Frühjahr 1964 auf  546 eindrucksvolle Expeditionstage in der Antarktis zurückblicken. Deren Zahl erhöhte sich auf rund 800, nachdem beide in der Sommersaison 1972 während der 17. SAE die astronomischen Ortsbestimmungen in Vostok und Mirny wiederholt hatten.

Die Teilnahme an der Antarktisforschung bezeichnet im Lebenslauf von Günter Leonhardt den Beginn seiner Verbindungen mit dem Wissenschaftsstandort Potsdam, der damals noch Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Für seine Karriere in der SDAG Wismut waren entscheidend seine in der SDAG selbst erbrachten Leistungen zur sicheren Führung des Uranerzbergbaus. Die entsprechenden Arbeiten sind traditionell im bergmännischen Vermessungswesen angesiedelt. Sie erfordern jedoch das Zusammenwirken mit praktisch allen bergbaurelevanten Geowissenschaften. Günter Leonhardt erkannte das sehr schnell, absolvierte zusätzlich ein Diplom-Studium des Markscheidewesens und der Bergschadenkunde an der Bergakademie Freiberg und suchte die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Institutionen und Experten der DDR. Von seinen persönlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten besitzen besondere Bedeutung die Untersuchungen im Sicherheitspfeiler der Stadt Ronneburg und auf den tiefen Sohlen der gebirgsschlaggefährdeten Lagerstätte Aue-Alberoda. Seine wissenschaftlich-technischen Leistungen und organisatorischen Fähigkeiten begründeten seine Beförderung in den Stab des Generaldirektors der SDAG, wo er verantwortlich wurde einerseits für die Koordinierung der bergschadenkundlichen und geomechanischen Arbeiten in allen Bergbaugebieten der SDAG Wismut und andererseits für die relevante Zusammenarbeit insbesondere mit den Instituten der Akademie der Wissenschaften der DDR. Es lag im gemeinsamen Interesse der Akademie und der SDAG, dass schließlich in den 1980er Jahren Günter Leonhardt für den Übergang in das Zentralinstitut für Physik der Erde der Akademie gewonnen wurde. Der Übergang konnte erfolgen als er die akademischen Qualifikationen gemäß den in der Akademie gültigen Forderungen der Akademie Promotion A (zum Dr.-Ing.) und B (zum Dr. sc. techn.) erworben hatte. Das Präsidium der AdW der DDR ernannte ihn anschließend auf Grund seiner nachgewiesenen Leistungen und Fähigkeiten in Forschung und Praxis zum Professor.

Die Abwicklung der Akademie der Wissenschaften der DDR bedeutete für Prof. Leonhardt das Ende seiner Tätigkeit in akademischen Institutionen. Er ging in die entstehende Privatwirtschaft im Osten der erweiterten Bundesrepublik Deutschland, wo er mit seinen Kenntnissen über die Probleme des Uranerzbergbaus mit offenen Armen aufgenommen wurde. Er war dort so lange tätig wie es seine Gesundheit zuließ.

Die Leibniz-Sozietät wird sein Andenken in Ehren halten.

(Heinz Kautzleben, 16.08.2015)