„Literatur als Störfall“. Die Wirkungen von Literatur auf das Verhältnis von Macht und Gesellschaft in der DDR und deren Aufarbeitung nach 1989

Bild „Literatur als Störfall“ erstellt mit Copilot.

Die zweitägige Konferenz unter Leitung von Carsten Gansel (Christa-Wolf-Gesellschaft e.V.) und Dieter Segert (Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.) findet am 6. und 7. Oktober 2025 im Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, Am Neuen Markt 9 D (Neubau), Großer Seminarraum statt. Sie ist eine Kooperation der Leibniz-Sozietät mit der Christa-Wolf-Gesellschaft.

Die Tagung beschäftigt sich mit dem bisher vernachlässigten Aspekt der Geschichte des Verhältnisses von literarischer Öffentlichkeit und Gesellschaft sowie politischer Macht in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR. Der Fokus liegt dabei auf dem Verständnis des Wandels in diesem Verhältnis. Dafür erweist sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Literatur- und Politikwissenschaft als produktiv.

Auf der Tagung soll ein maßgeblicher Aspekt der akademischen Debatte herausgegriffen werden, die Rekonstruktion wichtiger Elemente der Beziehung von herrschender Gruppe, der Bevölkerung und mit dem sozialistischen Projekt verbundenen Intellektuellen in der DDR. Das Machtverhältnis jener Diktatur bestand aus drei Gliedern, der eigentlichen Parteiführung, der „Dienstklasse“ (Wissenschaftler im Ideologieapparat, Lehrerschaft, Mitarbeiter von Kulturinstitutionen wie Verlagen etc.) und der Bevölkerung insgesamt. Mit dem Begriff der „Dienstklasse“ ist im Unterschied zu einem Diktaturbegriff, der nur den Repressionsapparat hervorhebt und die Gewalt- bzw. Zwangsanwendung gegenüber der Bevölkerung kennzeichnet, eine größere Offenheit anvisiert. In den Fokus unserer Analyse gerät so besonders das Verhältnis derjenigen Schriftsteller in der DDR, die dem System, v.a. aber der sozialistisch-kommunistischen Utopie, verbunden waren (was sich häufig auch in ihrer Mitgliedschaft in der SED und ihrem Engagement in den DDR-Kulturinstitutionen ausdrückte). Diese Gruppe wird ungeachtet ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Teil der bezeichneten „Dienstklasse“ begriffen. Ihr Verhältnis zum Real-Sozialismus war sowohl durch Unterstützung als auch durch Kritik gekennzeichnet. Sie wirkten durch ihre literarischen Texte und in bestimmten historischen Situationen auch durch öffentliche Stellungnahmen zu politischen Entscheidungen, etwa zum „Prager Frühling“ 1968, zur Ausweisung von Wolf Biermann, später der Fluchtbewegung im Sommer 1989 oder der Gründung des „Neuen Forums“. Die Rezeption dieser literarischen Texte und Stellungnahmen durch Teile der Bevölkerung haben über die Jahrzehnte die Beziehung von Gesellschaft und Macht verändert.

Diese Prozesse der Veränderung von literarischer Öffentlichkeit und politischer Macht werden exemplarisch von Literatur- und Sozialwissenschaftlern aus mehreren Ländern und Generationen auf der Tagung sowie Praktikern des Literatur- und Theaterbetriebs der DDR analysiert und diskutiert werden.

Kontakt: Dieter Segert, dieter.segert@univie.ac.at  Anmeldung bis zum 1. Oktober

Programm der Tagung