Biesdorfer Medizinische Gespräche am 23. Mai 2025

Bericht zum Vortrag von Frau Prof. Dr. Sabine Schleiermacher:

Transformation des DDR-Gesundheitswesens: Historische Voraussetzungen, Akteure und Interessen

Am 23. Mai 2025 fand auf Einladung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin im Schloss Biesdorf eine Abendveranstaltung mit einem Vortrag von Frau Prof. Dr. Sabine Schleiermacher zum Thema „Transformation des DDR-Gesundheitswesens: Historische Voraussetzungen, Akteure und Interessen“ statt. Gemeinsam mit der Leibniz-Sozietät hatten die Berliner Medizinische Gesellschaft e.V., die Campus Berlin-Buch GmbH und das Schloss Biesdorf zu dieser Veranstaltung eingeladen.

Im Heino-Schmiden-Saal des Schlosses Biesdorf eröffnete die Präsidentin der Leibniz-Sozietät Gerda Haßler die Veranstaltung, begrüßte die Anwesenden und stellte die Referentin des Abends vor. Seit 2020 finden zweimal pro Jahr Veranstaltungen der Leibniz-Sozietät mit ihren Partnern zu medizinischen Themen im Schloss Biesdorf statt. Der zuvor letzte Vortrag der Reihe war von Prof. Dr. med. Ivar Roots und Dr. med. Gabriele Laschinski am 6. Dezember 2024 zum Thema „Die Berliner Medizinische Gesellschaft – ihre Geschichte von 1844 bis heute“ gehalten worden (Bericht auf der Webseite der Leibniz-Sozietät, 21.12.2024).

Sabine Schleiermacher ist Professorin für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin und leitete zuletzt den Forschungsschwerpunkt Zeitgeschichte, Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie forscht zu Strukturen und Institutionen gesundheitlicher Versorgung in unterschiedlichen historischen Kontexten (Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR und BRD) in vergleichender Perspektive, zu Leitideen in Medizin und medizinischer Ausbildung sowie zu Fragen des Sozialen und der Ethik in der Medizin. Zu ihren Forschungsfeldern gehören neben der Medizingeschichte auch die Wissenschaftsgeschichte („Pseudowissenschaft“, Geomedizin, „Generalplan Ost“), die Geschlechtergeschichte (Ärztinnen), Bevölkerungspolitik und die Geschichte des Öffentlichen Gesundheitswesens und ihrer Akteure (Amtsärzte, Zwangsarbeit, Eugenik/Rassenhygiene, Umgang mit Infektionskrankheiten). 2025 wurde Sabine Schleiermacher für ihr herausragendes wissenschaftliches Engagement vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) die Johann-Peter-Frank-Medaille verliehen.

In ihrem Vortrag legte Sabine Schleiermacher dar, wie nach dem Fall der Mauer im November 1989 eine Auseinandersetzung um die Gestaltung des Gesundheitswesens im „Beitrittsgebiet“ einsetzte. In BRD und DDR standen sich zwei Gesundheitssysteme gegenüber, die sich seit 1945 in Konkurrenz zueinander verstanden und die, abgesehen von ihrer Reformbedürftigkeit, gegensätzlicher kaum sein konnten. Während in der DDR die Organisation, Trägerschaft und Finanzierung des Gesundheitswesens in staatlichen Händen lagen und planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterworfen waren, gab es in der BRD ein gegliedertes Krankenversicherungssystem mit regionalem, berufsständischem und betrieblichem Organisationsprinzip sowie die Monopolstellung privatwirtschaftlicher Leistungserbringung in der ambulanten Versorgung und bei Arzneimitteln als Eckpfeiler eines pluralen Systems gesundheitlicher Sicherung.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, wie das künftige Gesundheitssystem im Beitrittsgebiet gestaltet werden sollte, standen die Krankenversicherung, die Organisation der ambulanten Versorgung, die Selbstverwaltung und Aufgabenbereiche der Ärzteschaft sowie die Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Der Vortrag behandelte ausführlich die Frage, inwieweit im Einigungsprozess bewährte Strukturelemente des DDR-Gesundheitswesens beibehalten bzw. bundesrepublikanische berücksichtigt wurden und ob dabei eine Chance darin gesehen wurde, in der Bundesrepublik Reformen in der gesundheitlichen Versorgung einzuleiten.

Der Vortrag stützte sich in großen Teilen auf die von Sabine Schleiermacher 2021 vorgelegte Publikation „Die Transformation des DDR-Gesundheitswesens: historische Voraussetzungen, Akteure und Interessen“, erschienen in I.-S. Kowalczuk u.a. (Hrsg.), (Ost)Deutschlands Weg – 45 Studien und Essays zur Lage zur Lage des Landes, Teil 1: 1989 bis heute (Schriftenreihe Band 10676/I der Bundeszentrale für politische Bildung).

Die von Gerhard Pfaff (Mitglied der Leibniz-Sozietät) nach dem Vortrag geleitete angeregte Diskussion wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt, um Fragen zu stellen und das zuvor Dargelegte zu kommentieren.

Gerhard Pfaff