Bericht zum Kolloquium “Kritische Rohstoffe II”

Bericht zum Kolloquium „Kritische Rohstoffe II: Auswirkungen wachsender geo- und klimapolitischer Herausforderungen auf die Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas“

Am 22. März 2023 veranstaltete die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin das Kolloquium „Kritische Rohstoffe: Auswirkungen wachsender geo- und klimapolitischer Herausforderungen auf die Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas“. Das Kolloquium stellte die Fortsetzung der vor einem Jahr durchgeführten Veranstaltung „Kritische Rohstoffe, Gewinnung bis Entsorgung: Die Geowissenschaften als Problemlöser“ dar.

In einem Vortragsraum der Universität Potsdam auf dem Campus Griebnitzsee begrüßte die Präsidentin der Leibniz-Sozietät Gerda Haßler die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kolloquiums. Diese nahmen sowohl in Präsenz als auch per Zoom am Kolloquium teil. In ihrer Eröffnung verwies sie zunächst auf die im vergangenen Jahr stattgefundene Veranstaltung zu kritischen Rohstoffen, aber auch darauf, dass es bereits eine lange Tradition in der Leibniz-Sozietät gibt, grundlegende Probleme in Natur und Technik aufzugreifen und den Umgang des Menschen und der Gesellschaft damit in ihren Veranstaltungen zu thematisieren. Sie hob hervor, dass mit dem Thema des Kolloquiums ein sehr wichtiges Problemfeld gewählt wurde, dessen Auswirkungen uns täglich begleiten. Sie führte aus, dass wir im Alltag ständig Produkte benutzen, die aus Rohstoffen bestehen, über deren Herkunft wir uns nur selten Gedanken machen. Dabei geht es nicht zuletzt darum, dass die eingesetzten Rohstoffe auf faire Weise gewonnen, verarbeitet und genutzt werden. Ohne eine sichere Rohstoffversorgung besteht für Deutschland und Europa die Gefahr, bei wichtigen Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität, der Digitalisierung und der Energiewende an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Durch die starke Industrie zählt Deutschland zu den weltweit größten Rohstoffkonsumenten, womit die verantwortungsvolle Gewinnung und die effiziente Nutzung von Rohstoffen, wo immer möglich im Kreislauf, von höchster Wichtigkeit ist. In diesem Zusammenhang verwies Gerda Haßler darauf, dass die Anstrengungen zum Aufbau einer widerstandsfähigen Rohstoff-Wertschöpfungskette beschleunigt werden müssen, indem nicht nur in die Gewinnung von Primärrohstoffen, sondern auch in heimische Raffinerieanlagen, Recycling sowie Forschung und Entwicklung zu Rohstoffen investiert wird. Die Präsidentin bedankte sich am Ende ihrer Ausführungen bei allen Referenten sowie bei den Organisatoren der Veranstaltung Gerhard Pfaff (MLS), Reinhard O. Greiling (MLS) und Axel Müller (MLS) und wünschte der Tagung einen erfolgreichen Verlauf.

Nach der Eröffnung folgten im Verlauf des Kolloquiums sieben Fachvorträge, die im ersten Teil von Reinhard O. Greiling und im zweiten Teil von Gerhard Pfaff  moderiert wurden. Die Beiträge umfassten folgende Themen:

Christoph Hilgers (KIT Karlsruhe & Think Tank Industrielle Ressourcenstrategien): Klima, Rohstoffverfügbarkeit und Energiewende – Deutschland in der Krise?

Christoph Hilgers stellte in seinem Vortrag einleitend fest, dass die deutsche Energiewende, die damit assoziierte Mobilitätswende und der resultierende Umbau des exportorientierten Industriestandorts Deutschland einen steigenden Rohstoffbedarf bedingen. Auch der Energie- und Rohstoffbedarf der Welt wird sich aufgrund steigender Weltbevölkerung und steigendem pro-Kopf Verbrauch weiter erhöhen.

Christoph Hilgers führte anschließend aus, dass China, Indien und Russland 2060 den Wohlstand der EU-4 (Deutschland, Frankreich, Italien, UK) mit ihren dann mehr als 3 Mrd. Menschen erreichen werden (OECD 2019). Fossile Energien und Kernenergie werden 2050 voraussichtlich 60% (95 PWh) der Weltenergie decken und die geförderte Menge an Erdgas wird bis 2050 (47 PWh) weiter steigen (DNV 2019). In Deutschland werden neben der Windkraft (4%), Photovoltaik (1,8%) und Geothermie (0,6%) bislang 77% des Primärenergieverbrauchs durch Kohle, Erdgas und Erdöl gedeckt (Welt 83%). Der Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energie in Deutschland benötigt schwarzstartfähige Kraftwerke und große Untertagespeicher (derzeitiges Speichervolumen 227 TWh vs. Batteriespeicher 0.04 TWh) und weiterhin den Import von Energie. Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie benötigen noch etwa neunmal mehr Rohstoffmenge (Erdgas vs. onshore Wind) und batteriebetriebene Autos etwa sechsmal mehr Rohstoffmenge als konventionelle Fahrzeuge. Entsprechend ist die deutsche Energiewende eine anspruchsvolle Rohstoffwende. Die Gewinnung von metallischen Erzen wird global von 2,6 Gt (1970), 9 Gt (2019) auf 20 Gt (2060) anwachsen (OECD 2019). Dazu müssen die Lagerstätten gefunden und die Jahresproduktion von Gewinnung, Verhüttung und Raffination erhöht werden (z. B. World Bank Group 2017, IEA 2021). Kreislaufführung und Recycling können den Rohstoff-Bedarf nicht vollständig decken.

Die verantwortliche Nutzung des geologischen Untergrunds für die Rohstoff- und Energiegewinnung sowie die Energiespeicherung ist für einen Erfolg der geplanten deutschen Energiewende „Klimaneutralität 2045“ (Bundesregierung 2021) essentiell. Deutschland ist zu 100% vom Metallimport und zu 95% vom Erdgasimport abhängig. China, Indien, Südkorea, Japan und die USA verfolgen andere Strategien. Heimische Rohstoff- und Energie-Lagerstätten könnten einen Beitrag leisten, stehen aber vor langen und herausfordernden Genehmigungsprozessen.

Die mangelnde Resilienz deutscher Lieferketten äußert sich in den gegenwärtigen und drohenden Engpässen einer bezahlbaren, verlässlichen und sauberen Energie- und Rohstoffversorgung der EU und Deutschlands. Kurzfristige Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit im kommenden Winter scheinen noch immer politischen Restriktionen zu unterliegen und auch mittelfristige Maßnahmen einer bezahlbaren, verlässlichen und sauberen Versorgungssicherheit bleiben herausfordernd.

Hans-Joachim Kümpel (Burgdorf): Fracking – Risiken und Nutzen der Erdgasförderung in der aktuellen Energiekrise

Der Vortrag von Hans-Joachim Kümpel behandelte das in der Gesellschaft kontrovers diskutierte Thema „Fracking“. Der Komplettentfall russischer Erdgaslieferungen innerhalb des letzten Jahres bedeutet für Deutschland die mit Abstand größte Energiekrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Um die Auswirkungen auf Bevölkerung und Wirtschaft zu mindern, geraten ad acta gelegte Optionen eigenständiger Energieversorgung erneut ins Blickfeld. Das gilt auch für die Erdgasförderung aus Ton- bzw. Schiefergestein mittels Frackings, wobei der vorrangige Ausbau erneuerbarer Energien nicht in Frage steht.

In den EU-Ländern genügt die Erdgasförderung seit vielen Jahren höchsten Sicherheits- und Umweltstandards. In Deutschland wird dies durch die Aufsicht der zuständigen Bergbehörden gewährleistet. Für neue Vorhaben kommen aktuelle Richtlinien und Vorschriften zur Geltung, die der Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik Rechnung tragen. Beeinträchtigungen der Grundwassergüte und Erdbebenschäden können praktisch ausgeschlossen werden, andernfalls wären Bohrungen nicht genehmigungsfähig.

Zur Deckung der immensen Gasversorgungslücke war die Bundesregierung gut beraten, beschleunigt den Bau von LNG-Terminals anzugehen und in Kauf zu nehmen, dass LNG aus Übersee auf dem Spotmarkt hochpreisig und aufgrund von Verflüssigung und Transport des Erdgases mit einem hohen CO2-Fußabdruck verbunden ist. Demgegenüber wäre jeder Kubikmeter heimisch geförderten Erdgases ein Beitrag zur Kostensenkung und, so führte es Hans-Joachim Kümpel aus, auch zum Klimaschutz. Im Rahmen der Energiewende ist Deutschland auf die „Brücke“ Erdgas noch viele Jahre angewiesen. Erschöpfte Fracking-Bohrungen ließen sich jahrzehntelang nachnutzen, zur klimaneutralen, grundlastfähigen Energieversorgung mit Erdwärme.

Unter hiesigen Genehmigungsauflagen durchgeführtes Fracking ermöglicht es, in wenigen Jahren einen Großteil der entfallenen Gaslieferungen zu ersetzen, entgegen landläufiger Meinung ohne Kompromisse beim Umweltschutz. Das bestehende Fracking-Verbot entbehrt heute der fachlichen Grundlage, zumal viel dafürspricht, dass dieses Verbot weitgehend aus politischen Gründen erlassen wurde. Die gute Nachricht: Anders als Pipelinegas oder LNG aus Übersee hat heimisches Erdgas keinen Millionen Tonnen schweren CO2-Rucksack, schont das Klima, erspart jährlich Devisenausgaben in Milliardenhöhe – und senkt die Energiepreise.

Die Referenten der Tagung (v. l. n. r.): Maren Liedtke, Harald Elsner, Axel Müller, Christoph Hilgers, Hans-Joachim Kümpel, Jochen Kolb

Carsten Drebenstedt (MLS): Von der Kohle zur klimaneutralen Energiewirtschaft – Möglichkeiten und Herausforderungen

Da die persönliche Teilnahme von Carsten Drebenstedt am Tag des Kolloquiums an der Universität Potsdam wegen eines Kohleprojektes in Vietnam nicht möglich war, hielt er seinen Vortrag für alle Teilnehmenden in Form einer Zoom-Videopräsentation.

Energie ist ein Teil unserer Daseinsvorsorge und die Grundlage für Produktion, Komfort und Wohlstand, begann Carsten Drebenstedt. Mit der Verfügbarmachung der Energie aus Kohle zur Dampferzeugung wurde die industrielle Revolution in Gang gesetzt und prägt seit dem 19. Jahrhundert bis heute die Energiewirtschaft vieler Staaten. Kohle kommt häufig vor und ist deshalb in vielen Ländern verfügbar gemacht worden, oft mit relativ einfachen, sicheren und erprobten Technologien abgebaut und preiswert als Energieträger und in der chemischen Industrie eingesetzt. Zudem sind Kohlereserven noch für Jahrhunderte vorhanden.

Die Umweltfolgen der Kohlewirtschaft haben angesichts der rasant steigenden Weltbevölkerung bereits früh die Suche nach anderen technischen Lösungen zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs vorangetrieben. Mit der friedlichen Nutzung der Atomkraft schien bereits vor 70 Jahren die neue Energiequelle der Zukunft gefunden. Doch vor allem Sicherheits-Aspekte stellen die Nutzung in Frage, sodass die Kohle bis heute den weltweiten Strommarkt dominiert.

Die Umwelteinflüsse der Kohlenutzung haben mit der Erkenntnis der Klimarelevanz, insbesondere durch die Freisetzung von Kohlendioxid im Verbrennungsprozess, erneut die Frage die Notwendigkeit alternativer Energiequellen forciert. Für den Ersatz der Kohle, vor allem in der Stromwirtschaft, ist eine wesentliche Randbedingung zu erfüllen: die Verfügbarkeit 24/7. Da die dafür in Frage kommenden alternativen Quellen Biomasse, Geothermie und Wasserkraft naturbedingt begrenzt sind, müsste der Strombedarf künftig auf dieses, für Deutschland sehr niedrige Angebot, reduziert werden. Solar- und Windenergie unterliegen ebenfalls den natürlichen Bedingungen und stehen zeitlich nur sehr begrenzt zur Verfügung. Ein Ausbau führt zu immer mehr Stromangebot in etwa der gleichen Zeit. Speicher und Stromnetze sind deshalb Grundvoraussetzungen für den Einsatz dieser Technologien. Zudem benötigen sie jede Menge Baurohstoffe, Industrieminerale und Metalle, die pro erzeugte Kilowattstunde deutlich über denen von Kohlekraftwerken liegen. Hinzu kommen u. a. Beschaffungsrisiken und die Umweltauswirkungen zu deren Abbau, Verarbeitung, Transport und Recycling, des Weiteren die Auswirkungen auf die Stromkosten, z. B. für den Produktionsstandort. Import von Strom aus der Sahara, Island und Norwegen wird ebenfalls seit Langem diskutiert – auch hier fehlen die Voraussetzungen und vor allem ein Masterplan (was soll bis wann wie erreicht werden).

Bei gleichzeitigem Kohle- und Atomausstieg bleibt für Deutschland zunächst nur das Erdgas für eine 24/7 Verfügbarkeit von Strom und Wärme bis die Infrastruktur für alternative Quellen aufgebaut ist, was sich unter dem sich aktuell veränderten geopolitischen Rahmen als schwer umsetzbar erweist. Eigenes Erdgas ist durch den Bann des Frackings nur noch in geringen Mengen verfügbar. Importiertes Schiefergas aus Fracking in den USA weist ähnlich hohe Klimarelevanz auf wie heimische Kohle.

Die Szenarien drängen dazu, die Rolle der Kohle als wichtige Brückentechnologie zu überdenken. Die Forderungen nach Kohleausstieg vor dem vereinbarten Termin 2038 ohne ein schlüssiges Konzept ist grob fahrlässig. Dabei wurde bereits vor 15 Jahren die CCS-Technologie ernsthaft erprobt, wurden erste Oxyfuel-Kohlekraftwerke betrieben, Pipelines für den CO2-Transport geplant, was politisch scheiterte. Die Speicherung des CO2 im tiefen Untergrund hätte den Weiterbetrieb der Kohlekraft-werke ohne Belastung der Atmosphäre für ca. 30 Jahre gesichert. Die technische Option besteht.

Übrigens verfügt Deutschland über die saubersten Kohlekraftwerke der Welt, betonte Carsten Drebenstedt. Der Export dieser Technologie, würde enorme Mengen CO2 weltweit einsparen helfen. Auch das ist untersagt. Solange aber hunderte Millionen Menschen in armen Regionen weltweit ohne Strom leben, wird die Kohle ihre Bedeutung behalten.

Harald Elsner (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover): Salze und andere heimische Rohstoffe – auch kritisch?

Harald Elsner begann seinen Vortrag mit den Worten: „Deutschland ist arm an Rohstoffen“. Dieser oft und immer wieder gehörte Satz entspricht jedoch, führte der Vortragende aus, in seiner Einfachheit so nicht der Wahrheit und muss stark relativiert werden. Zwar produziert Deutschland derzeit nur verschwindend geringe Mengen an Metallerzen, kann aber auf ein großes Sekundärangebot an Metallen aus dem Recycling zurückgreifen. Auch bei den Energierohstoffen wird zumindest ein Teil noch in Deutschland gewonnen. Zudem verfügt unser Land weiterhin über bedeutende Vorräte an Braun- und Steinkohlen. Noch wesentlich besser sieht es bei den Baurohstoffen und den Industriemineralen aus. Bei allen Baurohstoffen ist Deutschland ein bedeutender Produzent und verfügt über weitreichende Vorräte. Auch einige Industrieminerale, z. B. Stein- und Kalisalz, Kaolin, Feld-, Fluss- und Schwerspat, Schwefel, Graphit sowie alle Quarzrohstoffe, kommen in Deutschland vor und stehen in Abbau.

Gilt dieser Rohstoffreichtum aber wirklich für alle heimischen Minerale, für den gesamtdeutschen Bedarf und auch für eine unbegrenzte Zeit? Am Beispiel der Salze (Stein- und Kalisalz, Sole und Siedesalz) erläuterte Harald Elsner, wie autark Deutschland mit seinen heimischen Rohstoffen wirklich ist. Er führte dabei aus wieviel Salz wir produzieren und wozu wir es benötigen. Ebenso ging er auf Fragen ein wie „sind wir auf zusätzliche Importe angewiesen?“ und „wie groß ist die deutsche Abhängigkeit bei unseren heimischen Rohstoffen?“ sowie „welche Auswirkungen hat der Ukrainekrieg?“.

Jochen Kolb (Institut für Angewandte Geowissenschaften am KIT, Karlsruhe): Bedeutung von Russland, Belarus und der Ukraine für die Rohstoffversorgung Deutschlands und der EU

Im Mittelpunkt des Vortrages von Jochen Kolb stand die Aussage, dass der Krieg in der Ukraine und die direkte und indirekte Beteiligung einiger Länder einen großen Einfluss auf die Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas mit Rohstoffen hat. Dies resultiert einerseits aus der Zerstörung der industriellen Anlagen und der lokalen Infrastruktur und andererseits aus Sanktionspaketen gegen Länder, Firmen oder Personen. Der Vortrag zeigte auf, bei welchen Rohstoffen die größten Abhängigkeiten bestehen und welche möglichen alternative Bezugsquellen es gibt.

Russland ist ein wichtiger, globaler Rohstoffproduzent für Industrie-, Eisen- und Leichtmetalle sowie für Metalle der Platingruppe. Für diese Metalle gibt es große Lagerstätten und Weiterverarbeitungsindustrien. Nahezu 70% des deutschen Wolfram-Importes stammen aus Russland. Mehr als 40% der deutschen Importe von Nickel und Titan werden aus Russland bezogen. Aluminium, Kupfer, Neon, Krypton und Xenon haben ebenfalls einen signifikanten Anteil. Global ist Russland der wichtigste Produzent von Palladium (ca. 40%) und Platin (ca. 10%) nach Südafrika. Titan, Vanadium und Tellur sind weitere wichtige Rohstoffe, die zu größeren Anteilen aus Russland stammen.

Importe aus der Ukraine umfassen vor allem Rohstoffe und Produkte aus Hafnium, Titan und Mangan, die 30-40% Anteil einnehmen. Global ist die Ukraine ein wichtiges Rohstoffland für Titanminerale, die in Russland weiterverarbeitet werden. Kaolin und Mangan sind ebenfalls signifikant. Besonders wichtig ist aber die Produktion von Neon, die weltweit ca. 50% ausmacht.

Belarus hat eine signifikante Stahlindustrie und ist global wichtig in der Düngemittelherstellung. Belarus war der drittgrößte Produzent von Kalisalz nach Kanada und Russland. Zusätzlich wird Stickstoff für die Düngemittelherstellung erzeugt.

Eisen und Stahlerzeugnisse, Nickel, Kupfer, Titan, Kaolin, Kalisalz und Mangan können relativ leicht über andere Quellen ersetzt werden, da es für diese Rohstoffe keine signifikante Länderkonzentration gibt. Für Kalisalz und Kaolin gibt es bedeutsame Vorkommen in Deutschland. Signifikante Engpässe gibt es also für Wolfram, Palladium, Platin, Hafnium und die Edelgase. Die Edelgase sind ein Nebenprodukt der Stahlindustrie, die in der Ukraine zerstört ist. Für Wolfram ist China dominant, aber es gibt eine signifikante Produktion in Österreich, Spanien, Portugal und Vietnam. Für Platingruppen-Metalle sind Südafrika, Simbabwe und Kanada Alternativen. Es gibt also für die meisten Rohstoffe andere Bezugsquellen. Die Schwierigkeit liegt einerseits darin, die Kapazitäten der entsprechenden Produktionsstätten schnell zu erhöhen, und andererseits darin, dass häufig Halbzeuge und bestimmte Zwischenprodukte benötigt werden. Es müsste also gegebenenfalls zusätzliche Industrie aufgebaut werden, was vermutlich 10 bis 20 Jahre dauern könnte.

Maren Liedtke (Deutsche Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR): Seltene Erden – ein Marktüberblick in Zeiten geopolitischer Spannungen

Maren Liedtke begann ihren Vortrag mit Ausführungen zur Gruppe der Seltenen Erden (SE), welche die 15 Elemente der Lanthanoide und Yttrium umfasst. Diese werden in Leichte und Schwere Seltene Erden eingeteilt. Die Seltenen Erden können nur zusammen abgebaut werden. Die gewinnbare Menge einzelner Seltenerdoxide (SEO) hängt somit von der Lagerstättenzusammensetzung ab. Leichte Seltene Erden kommen in den meisten Lagerstätten deutlich häufiger vor als die schweren Seltenen Erden.

Der Rohstoffgruppe der Seltenen Erden (SE) gilt wegen ihrer Verwendung für leistungsstarke Permanentmagnete z. B. für Elektromobilität und Windkraftanlagen in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse. Durch die hohe Marktkonzentration der Produktion gelten die SE seit langem als kritische Rohstoffe. Der Abbau erfolgt zu über 60% und die Raffinadeproduktion sogar zu rund 90% in China. Die Produktion der Schweren Seltenen Erden findet nur in China statt. Umfangreiche Regulierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung führten in den letzten Jahren zu einem strukturellen Wandel des Sektors. Änderungen der wirtschaftlichen Bedingungen, Umweltprobleme oder Genehmigungs- und Handelsbeschränkungen könnten die Verfügbarkeit vieler Seltenerdelemente beeinträchtigen.

Der Vortrag gab einen umfassenden Marktüberblick zu den Seltenen Erden und zeigte die wesentlichen Herausforderungen für die Versorgungssicherheit mit diesen Elementen auf.

Axel Müller (Natural History Museum, University of Oslo, MLS): Die gegenwärtige Lage der ukrainischen Metall- und Industriemineralproduktion und deren Folgen auf die europäische Rohstoffversorgung

Axel Müller ging in seinen Ausführungen zunächst darauf ein, dass die Ukraine vor dem Angriff Russlands am 24. Februar 2022 eines der weltweit führenden Länder im Abbau metallischer und nichtmetallischer Rohstoffe war. Die Ukraine besitzt etwa 5% der weltweiten Bodenschätze und gehört zu den Top 10 der Welt in der Eisen-, Mangan-, Titan-, Gallium-, Germanium-, Uran-, Kaolin-, Graphit- und Zirkonproduktion. Fülle und Vielfalt der Mineralien sind auf die Komplexität der ukrainischen Geologie zurückzuführen. Die genannten Rohstoffe werden in der Ukraine aufbereitet und der Großteil der verarbeiteten Rohprodukte wird in die EU und andere Teile der Welt exportiert. Als Folge des Angriffs ging die Mineralproduktion im Jahr 2022 für die meisten Rohstoffe um mehr als 50% zurück. Im Vortrag wurden konkrete Gründe für den Produktionsrückgang am Beispiel von Eisen, Mangan, Titan, Kaolin und Graphit skizziert. Zudem wurden die Auswirkungen auf die Wirtschaft der europäischen Länder, die auf den Import dieser Rohstoffe angewiesen sind, aufgezeigt.

Diskussion

Die Teilnehmenden der abschließenden Podiumsdiskussion (v. l. n. r.): Maren Liedtke, Hans-Joachim Kümpel, Christoph Hilgers, Axel Müller

Den sieben Vorträgen schloss sich eine interessante und intensiv geführte Diskussion zu den in den Präsentationen behandelten Themen an. Hierzu gab es ein Podium, in dem Christoph Hilgers, Hans-Joachim Kümpel, Maren Liedtke und Axel Müller gemeinsam mit dem vor Ort anwesenden und den per Zoom zugeschalteten Teilnehmenden diskutierten. Die hierbei aufgeworfenen Fragen betrafen u. a. die Akzeptanz des Bergbaus in der Bevölkerung Deutschlands, die mit dem Bergbau verbundenen Probleme für die Umwelt, die Rekultivierung von Braunkohletagebauen in Deutschland, die in der Gesellschaft kontrovers geführte Diskussion zum Thema „Fracking“ sowie die grundsätzliche Rolle der Geo-Wissenschaften in der gesellschaftlichen Diskussion und bei der Politik-Beratung.

Es ist vorgesehen, die Vorträge im Laufe des Jahres 2023 in einem Band der „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ (https://leibnizsozietaet.de/publikationen/sitzungsberichte/) zu publizieren. Der Band 154 zu der Vorgängerveranstaltung 2022 ist ebenfalls unter dieser Adresse zu erhalten.

Gerhard Pfaff, Reinhard O. Greiling, Axel Müller