Bericht zum Kolloquium „Klimawandel – Anzeichen, Ursachen, Folgen“

Am 13. Februar 2020 veranstaltete die Leibniz-Sozietät das Kolloquium „Klimawandel – Anzeichen, Ursachen, Folgen“

In einem Sitzungssaal der Humboldt-Universität Berlin in der Mohrenstraße 40/41 begrüßte der Präsident der Leibniz-Sozietät Rainer E. Zimmermann 50 Mitglieder und Freunde der Sozietät. In seiner Eröffnung ging er auf die gegenwärtig geführte Debatte zum Klimawandel auf der Erde ein. Er stellte dabei heraus, dass es beim aktuellen Meinungsstreit zu diesem wichtigen Thema stärker darauf ankommen müsse, auf der Basis wissenschaftlicher Befunde zu argumentieren. Die Betrachtung der heute existierenden Modellbeschreibungen für das globale Erdklima lässt noch viele Fragen offen, da trotz des Vorliegens vieler Zahlen und Diagramme die bisherigen ganzheitlichen Modelldarstellungen verbessert werden müssen. Die Weiterentwicklung der vorhandenen Klima-Modelle in enger Wechselwirkung mit Beobachtungsdaten ist daher eine wichtige Aufgabe, der sich Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen auch in Zukunft stellen. Der Präsident brachte dabei seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Kolloquium „Klimawandel – Anzeichen, Ursachen, Folgen“ mit seinem anspruchsvollen wissenschaftlichen Programm und den exzellenten Vortragenden einen wichtigen und bleibenden Beitrag zur Klimadebatte leisten möge. Er bedankte sich bei allen Referenten sowie bei den Organisatoren der Veranstaltung für deren Vorbereitung und wünschte dem Kolloquium einen erfolgreichen Verlauf.

Nach der Eröffnung folgten im Verlauf des Kolloquiums sieben Fachvorträge, die am Vormittag von Gerhard Pfaff und am Nachmittag von Roland Pail moderiert wurden.

Die vier Vorträge des Vormittags standen unter dem Thema „Beobachtungen und globale Modelle“.

Reinhard O. Greiling (MLS): Klimawandel in der Erdgeschichte – Beobachtungen und Phänomenologie historisch

Reinhard O. Greiling verdeutlichte in seinem Vortrag, dass Sedimentgesteine durch ihre Schichtung zahlreiche Spuren atmosphärischer Einflüsse zeigen. Verschiedene zyklische Veränderungen der Atmosphäre und ihres Klimas in Zeitmaßstäben von Tagen, Jahren, bis zu vielen Millionen Jahren sind so dokumentiert. Beispiele für die Ursachen sind Einflüsse des Mondes (Gezeiten), Änderungen der Erdrotation und der Erdbahn sowie Aktivitäten der Sonne. Entsprechenden zyklischen Prozessen ist auch die Hydrosphäre unterworfen. Solchen exogenen Einflüssen auf die Lithosphäre, die sowohl im globalen als auch im galaktischen Maßstab wirken, stehen endogene Faktoren gegenüber, die vom globalen bis zum lokalen Bereich von Bedeutung sind. Besonders plattentektonische Prozesse wirken sich bestimmend auf das Klima aus. An vielen Stellen der Erde zeigen Gesteine, die während und nach Gebirgsbildungen entstanden sind, Klimaänderungen im Laufe der Erdgeschichte an. Meeresspiegelschwankungen bzw. Landhebung und -absenkung sind weitere endogene Faktoren, die neben tektonischen Prozessen durch das Phänomen der Isostasie (geologischer Gleichgewichtszustand zwischen den Massen der Erdkruste und dem darunter befindlichen Erdmantel) verursacht werden.

Roland Pail (MLS): Die Vermessung des Klimawandels – Geodäsie, Erdsystem und Klima

In seinem Vortrag zeigte Roland Pail auf, dass moderne satellitengestützte Beobachtungstechniken der Geodäsie heute eine sehr hohe Genauigkeit erzielen. Damit ist es möglich, kleinste Veränderungsprozesse im System Erde und deren Sub-Systemen feste Erde, Ozeane, kontinentale Hydrologie, Eismassen und Atmosphäre auf globalem Maßstab direkt zu beobachten. Vielfach sind diese Veränderungen in der Geometrie unseres Erdkörpers und dessen Schwerefeld sensible Indikatoren für den Klimawandel, wie beispielsweise das Abschmelzen von Eismassen, das Absenken von Grundwasserspiegeln und der Anstieg des globalen Meeresspiegels. Heute wissen wir mit großer Zuverlässigkeit, dass Jahr für Jahr allein die sechsfache Wassermenge des Bodensees von den grönländischen Gletschern abschmilzt und ins Meer rinnt, was zusammen mit anderen Effekten zu einem mittleren Meeresspiegelanstieg von mehr als 3 mm/Jahr führt. Damit ist die Geodäsie heute in der Lage, zentrale Phänomene des Klimawandels zu quantifizieren, d.h. korrekt in Raum und Zeit und mit der richtigen Amplitude darzustellen. So können Parameter wie der unterirdische Wasservorrat und dessen Schwankungen und Trends nur mit geodätischen Methoden erfasst werden. Zahlreiche geodätische Ergebnisse finden sich inzwischen in den Weltklimareports wieder und bilden so eine wichtige Entscheidungsgrundlage für politische Prozesse.

Rainer Feistel (MLS), Olaf Hellmuth (MLS): Zur Rolle des Wassers in der Energiebilanz des Klimasystems

Der Vortrag von Rainer Feistel und Olaf Hellmuth zeigte auf, dass im Mittel 72 % des von der Sonne beschienenen Erdquerschnitts zum globalen Ozean gehören. Mit einer Verzögerung von nur 2-3 Monaten wird die dort absorbierte Wärme überwiegend durch Verdunstung statt Wärmestrahlung wieder abgegeben. Wasserdampf ist das dominierende „Treibhausgas“ in der marinen Troposphäre mit einer typischen relativen Feuchte von 80 % an der Oberfläche. Die Beobachtung des Wärmetransports durch die Meeresoberfläche erlaubt Einblicke in das Kraftzentrum der „Dampfmaschine“ Erde, gesteuert durch die relative Feuchte an der Oberfläche, eine Größe, die häufig als das „Aschenputtel“ unter den Klimadaten behandelt wird. RH der Troposphäre steuert auch die Wolkenbildung, die ebenso fundamental wie herausfordernd für die Klimaforschung ist. Als zuverlässige thermodynamische Grundlage für die Beschreibung solcher Prozesse wurde der neue Meerwasserstandard TEOS-10 durch UNESCO/IOC 2010 und die IUGG 2011 eingeführt. Seine Zustandsgleichungen umfassen flüssiges Wasser, Meerwasser, Eis und feuchte Luft sehr genau und perfekt konsistent, wie auch deren Gleichgewichte und Phasenübergänge.

Hennes Obermeyer (MLS): Bedeutung geogener und biogener Aerosole für das Globalklima

Im Mittelpunkt des Vortrags von Hennes Obermeyer standen geogene und biogene Aerosole, die durch permanente, periodische und episodische geologische, biologische und zivilisatorische Prozesse entstehen. Zu den geogenen Aerosolen gehören chloridhaltige Gischt, Wüstenstaub, sowie chlorid- und sulfathaltige vulkanische Ausgasungen. Sporen und Pollen sind als biogene Aerosole bekannt. Verweil- und Wirkdauer sowie Wirkmechanismen derartiger Aerosole sind noch nicht umfassend aufgeklärt, Modellrechnungen dazu divergieren. Empirische Betrachtungen zeigen, dass geogene Aerosole mindestens im kontinentalen Maßstab in Klimamodelle einzubeziehen sind. Problematisch erscheint die Prognose der Auswirkung episodischer vulkanischer Emissionen, da nicht allein Emissionsmenge und -dauer relevant sind, sondern auch die Höhe, in die die Emissionen geschleudert werden. Die Wirkung biogener Terpene auf das Mikroklima von Wäldern und eine Steigerung des Kammeffektes über eine Erhöhung der Kondensationsrate ist derzeit noch weitgehend unerforscht und Gegenstand spekulativer Ideen. Gesichert ist jedoch, dass Aerosole insgesamt durch Absorption, Streuung und Albedo eine Abkühlung der Lufttemperatur in tieferen Luftschichten zur Folge haben.

 

Die drei Vorträge des Nachmittags standen unter dem Thema „Klimaindikatoren in Subsystemen“

Stefan Rahmstorf (MLS): Stabilität der Atlantikzirkulation

Schwerpunkt des Beitrags von Stefan Rahmstorf war die Gefahr einer Abschwächung oder gar eines Abreißens des Golfstromsystems im Atlantik, die Klimaforscher schon seit langem beschäftigt. Regelmäßige Messungen der Strömung reichen nicht weit genug in die Vergangenheit zurück, um einen längerfristigen Trend erkennen zu können. Deshalb wurde in den letzten Jahren versucht, mit indirekten Methoden die vergangene Entwicklung der Strömung zu rekonstruieren, z.B. aus charakteristischen Veränderungen der Meerestemperaturen. So findet man im nördlichen Atlantik einen Abkühlungstrend über das 20. Jahrhundert, während sich der Rest des Globus deutlich erwärmt hat. Dieser auf den ersten Blick überraschende Befund wurde jedoch auf der Basis vorhandener Klimamodelle bereits vorhergesagt. Es mehren sich die Hinweise darauf, dass sich der Golfstrom im Zuge der globalen Erwärmung im 20. Jahrhundert bereits spürbar verlangsamt hat, mit Auswirkungen auf das Wetter in Nordamerika und Europa.

Klaus Dethloff (MLS): Das MOSAiC Driftexperiment und arktische Klimaänderungen

MOSAiC – The Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate bezeichnet ein internationales Forschungsprojekt unter dem Schirm des International Arctic Science Committee (IASC). Das Projekt wurde von einem internationalen Konsortium von etwa 70 Polarforschungsinstitutionen aus 17 Staaten auf den Weg gebracht. Klaus Dethloff, der Initiator der International Arctic Drifting Station, stellte in seinem Vortrag MOSAiC als die weltweit bisher größte arktische Expedition vor. Sie umfasst den Zeitraum von September 2019 bis September 2020 und wird vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) geleitet. Seit Oktober 2019 treibt das Forschungsschiff „Polarstern“ mit dem Meereseis in der zentralen Arktis, um klimarelevante Daten aufzunehmen. Die raschen klimatischen Veränderungen in der Arktis führen zu einem dringenden Bedarf an zuverlässigeren und genaueren Daten über den Zustand und die Weiterentwicklung des arktischen Klimas. Das verlangt akkurate Beobachtungen über verschiedene räumliche und zeitliche Dimensionen unter Einbeziehung unterschiedlicher Fachdisziplinen. Der Fokus des MOSAiC Driftexperiments liegt auf in-situ-Beobachtungen von Klima- und Wetterprozessen, die über Atmosphäre, Ozean, Meereseis, Biogeochemie und Ökosystem miteinander verbunden sind. Die Expedition umfasst Operationen mit Flugzeugen und Eisbrechern aus Russland, China und Schweden. Alle Beobachtungen werden für das Verständnis des regionalen und globalen Rückgangs des arktischen Meereises sowie für Modelle zur Wetter- und Klimavoraussage herangezogen.

Michael Krautblatter (München): Klima-beeinflusste alpine Naturgefahren

Der Vortrag von Michael Krautblatter behandelte die in den letzten zwei Jahrzehnten im gesamten Alpenbereich gehäuft auftretenden Felsstürze, Murgänge und anderen Massenbewegungen in Rückzugsbereichen von Gletschern und Permafrostboden. Ursachen dafür sind mechanische und hydrologische Veränderungen beim Auftauen des Gesteins und die veränderte Spannungsverteilung in Felsflanken mit Gletscherrückzug. Auch Steinschläge, Murgänge und Felsstürze müssen zu den klimabeeinflussten Naturgefahren gezählt werden, da ihre Aktivität erheblich von Starkniederschlags-Frequenzen beeinflusst wird. Neueste Untersuchungen zeigen, dass Murgänge in den Nördlichen Kalkalpen nach den 1980er Jahren durch vermehrte Starkniederschläge eine 2-3-fach höhere Intensität aufweisen als in den vorangegangenen Jahrzehnten (1950-1980er) oder im Holozän. Mehr als 90 % der Steinschläge in kalkalpinen Felswänden wie im Wettersteingebirge werden durch Starkniederschläge ausgelöst, dann mit oft extremen und gefährlichen Intensitäten von 300 kg/m²h. Felsstürze, wie die sich vorbereitende Sturzmasse am Hochvogel von 260.000 m³ verzeichnen in Höhen oberhalb von 3000 m eine enorme Zunahme und reagieren sensibel auf Starkniederschläge mit 2-3 Tagen andauernden, beschleunigten Bewegungsraten. Vorbeugende Sicherungskonzepte, aber auch Folgemaßnahmen nach gefährlichen alpinen Ereignissen erfordern beträchtliche Mittel auf kommunaler und nationaler Ebene.

 

Die Vortragenden des Kolloquiums, v. l. n. r.: Rainer E. Zimmermann, Roland Pail, Stefan Rahmstorf, Michael Krautblatter, Klaus Dethloff, Rainer Feistel, Olaf Hellmuth, Reinhard O. Greiling, Hennes Obermeyer;          Foto: Gerhard Pfaff

Es ist vorgesehen, die Vorträge möglichst bald in einem Band der „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ zu publizieren.

Gerhard Pfaff