Bericht über die Tagung „Qualitätssicherung in Bildungsinstitutionen – von der Kita bis zur Fahrschule“

Der Arbeitskreis „Pädagogik“ führte am 23.05.2019 in enger Kooperation mit dem Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam (IFK) und dem Forschungs- und Innovationszentrum „Mensch-Technik-Straßenverkehr“ seine bereits für 2018 vorgesehene und aus organisatorischen Gründen verschobene wissenschaftliche Tagung durch.

Die Tagung wurde durch die beteiligten Institutionen und den Berliner Senat finanziell gefördert.

Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, inwieweit durch Systemvergleiche zur Qualitätssicherung in verschiedenen Bildungsinstitutionen neue Impulse für das Qualitätsmanagement insgesamt gewonnen werden können.

Professor Dr. Dietmar Sturzbecher (MLS und Direktor des IFK) widmete sich in seinem Beitrag Systemvergleiche im Bildungsbereich – Nutzen und Grenzen als erster Referent der Tagung dann auch zielgerichtet diesem Ansatz mit einer systemischen Betrachtung der Bildungssysteme „Kindertagesbetreuung“, „Schule“ und „Fahranfängervorbereitung“ sowie der Verflechtung ihrer Teilsysteme. In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte er dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Bildungssysteme sowie die Mechanismen und Prozesse ihrer Steuerung. Dabei kam er zu dem Schluss, dass eine vergleichende Analyse der Qualitätsmanagementsysteme aussichtsreiche Möglichkeiten eröffnet, bewährte Steuerungsansätze und Qualitätsfeststellungsverfahren in anderen Bildungssystemen zu adaptieren und aus den Einsatzerfahrungen zu lernen.

Hieran anknüpfend erläuterten dann Professor Dr. Roland Brünken (Universität des Saarlandes) zum Thema Qualitätssicherung in der Fahranfängervorbereitung: Stand und Zukunftsperspektiven und Professor em. Dr. mult. Dr. h.c. Wassilios E. Fthenakis (Bozen) zum Thema Qualitätssicherung in der Kindertagesbetreuung: Stand und Zukunftsperspektiven ihre spezifische Sicht auf Prozesse des Qualitätsmanagements in den verschiedenen Bildungssystemen.

Der empirische Bildungsforscher Roland Brünken griff den Ansatz von Dietmar Sturzbecher direkt auf und stellte Bezüge zur aktuellen Qualitätssicherung an allgemeinbildenden Schulen nach den ernüchternden Ergebnissen der internationalen Schülerleistungsstudie PISA im Jahr 2000 her. Hier wurde ein überzeugendes Qualitätssicherungssystem mit klaren Orientierungen auf die Ergebnisqualität geschaffen sowie eine Profilierung der Schulvisitationen und des System-Monitorings erreicht. Darüber hinaus wurden auch unbewältigte Herausforderungen angesprochen. Danach stellte er Schlussfolgerungen aus dem Schulbereich für das Qualitätsmanagement in der Fahranfängervorbereitung vor.

Der Pädagoge, Anthropologe, Genetiker und Psychologe Wassilios E. Fthenakis präsentierte eine internationale Sicht auf die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung. Dabei betonte er, dass sich moderne Bildungskonzepte auf Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren oder – besser noch – von 0 bis 12 Jahren richten müssten. Danach skizzierte Wassilios E. Fthenakis unterschiedliche Lerntheorien und ihre historische Bedeutung. Als Schlussfolgerung stellte er dar, dass allein ko-konstruktivistische Ansätze eine zielführende und lernerorientierte Bildungsgestaltung unter den heutigen Bedingungen des dynamischen gesellschaftlichen Wandels ermöglichen. Bezüglich der notwendigen Meisterung der gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen an das Bildungs- und Beschäftigungssystem forderte er ein konsequentes Umdenken und eine schnelle Optimierung der Curricula bzw. Bildungspläne. Dabei sei auch eine Annäherung der Bildungssysteme im Hinblick auf Entwicklungsübergänge bei den Lernenden und Steuerungsmechanismen bei der Qualitätssicherung zu bedenken.

 

Britta Ernst (Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg) und Professor Dr. Dietmar Sturzbecher (MLS) (Pressefoto des MBJS)

Die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS), Britta Ernst, widmete sich dann dem Thema: Auf dem Weg zu einem Qualitätsrahmen für die Kindertagesbetreuung in Brandenburg. Neben dem Verweis auf das Erreichte, betonte sie, dass die Bildungsqualität in der Kindertagesbetreuung nicht allein von strukturellen Merkmalen abhängig sei, sondern auch einer modernen Bildungssteuerung bedürfe. Sie stellte heraus, dass in Brandenburg heute über 185.000 Kinder in mehr als 1.900 Kindertageseinrichtungen durch ca. 750 Träger betreut würden. Etwa die Hälfte der Einrichtungen sei in kommunaler Trägerschaft, die andere Hälfte in freier Trägerschaft; es herrsche also eine große Trägervielfalt. Zugleich kündigte sie an, dass es im Land Brandenburg zukünftig grundlegende landeseinheitliche Qualitätsstandards für Kitas geben solle, die den Einrichtungen die Ausgestaltung ihres internen Qualitätsmanagements erleichtern. Diese Qualitätsstandards sollen im Diskurs mit allen Akteuren der Kindertagesbetreuung erarbeitet werden.

Podiumsdiskussion (Bildautor: Dr. Michael Hellenbach, IFK)

Unter dem Titel „Kita-Check Brandenburg“ bereitet das Bildungsministerium auch ein Qualitätsmonitoring-System vor. Zum ersten Mal soll mit einem durch das MBJS initiierten externen Referenzsystem die Qualität der frühkindlichen Bildung auf wissenschaftlich fundierter Basis durch die oberste Landesjugendbehörde – beginnend mit bis zu 150 Kitas auf freiwilliger Basis – evaluiert und weiterentwickelt werden. Grundlage des Vorgehens ist der Bericht der Landesregierung zur „Analyse der Qualitätsmanagementsysteme frühkindlicher Bildung in Brandenburg“, den der Landtag beauftragt hat. Der Untersuchungsbericht war wiederum vom IFK an der Universität Potsdam unter Leitung von Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher erarbeitet worden. Der Bericht und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen sollen nunmehr die Grundlage für die weitere Diskussion mit allen Akteuren der Kindertagesbetreuung bilden. Schließlich soll in der neuen Legislaturperiode das brandenburgische Kita-Gesetz grundlegend überarbeitet werden. Darin sollen sowohl die Qualitätsstandards als auch deren Umsetzungskontrolle durch Qualitätsfeststellung gesetzlich verankert werden. Im Ergebnis sollen die Qualitätsförderung in den Einrichtungen weiterentwickelt und überregionale Daten für das Qualitätsmonitoring gewonnen werden.

Nach der Mittagspause rundete eine Podiumsdiskussion zum Thema Qualitätssicherung im Bildungs- und Verkehrsbereich zwischen staatlicher Verantwortung, fachwissenschaftlicher Begleitung und öffentlichem Engagement die Tagung ab. Teilnehmer an der Diskussion waren der Staatssekretär Martin Gorholt (Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg), die Ministerialrätin Renate Bartelt-Lehrfeld (Leiterin des Referats StV 15 im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur), Jürgen Bönninger (Geschäftsführer der Zentralen Stelle nach StVG Fahrzeugsystemdaten GmbH Dresden), Professor Dr. Bernd Meier (Vorstandsvorsitzender des Instituts für Weiterqualifizierung im Bildungsbereich an der Universität Potsdam, MLS) und Professor Dr. Armin Schneider (Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit, Fachhochschule Koblenz). Aus unterschiedlichen Perspektiven (Bundes- bzw. Landesregierung, staatliche Prüfeinrichtung bzw. staatliches oder privatrechtliches wissenschaftliches Institut) wurden Erfahrungen und offene Probleme bezüglich der Umsetzung differenzierter Qualitätssicherungskonzepte und der Weiterbildungsmöglichkeiten für die handelnden Akteure diskutiert. Deutlich wurde unter anderem, dass der Föderalismus im Bildungs- und Verkehrssystem zuweilen wünschenswerte bundeseinheitliche Regelungen behindert und dass der in beiden Bereichen herrschende Fachkräftemangel eine Professionalisierung der jeweiligen Aus-, Fort- und Weiterbildungssysteme verlangt.

 

Blick in den Tagungssaal – Moderation Dr. Jan Hoffmann (Bildautor: Dr. Michael Hellenbach, IFK)

Die gesamte Tagung einschließlich der Podiumsdiskussion wurde durch Dr. Jan Hofmann (Kultusstaatssekretär a.D. des Landes Sachsen-Anhalt) überaus kurzweilig moderiert. Das Schlusswort oblag dann dem Präsidenten der Leibniz-Sozietät, Professor Dr. Prof. e.h. Gerhard Banse. Er dankte nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der wissenschaftlichen Einrichtungen in Staffelde, sondern auch allen Vortragenden und Teilnehmenden und vor allem der Wissenschaftsverwaltung des Berliner Senats für die finanzielle Förderung. Schließlich charakterisierte er aus seiner philosophischen Sicht die Qualitätssicherung in Bildungssystemen als eine umfang- und facettenreiche Aufgabe.

Die Tagungsergebnisse werden noch in diesem Jahr in den „Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ publiziert.

Peter Hübner & Bernd Meier