Wir trauern um unser Gründungsmitglied Prof. Dr. Ule Lammert

Prof. Dr. Ule Lammert, MLS (1926-2024) Foto: privat

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin trauert um ihr Gründungsmitglied, den am 14. September 2024 in Berlin verstorbenen Städteplaner und Architekten Professor Dr. Ule Lammert

Ule Lammert wurde am 15. April 1926 in Essen geboren, wo seine Mutter Dr. Hette Lammert als Ärztin praktizierte und sein Vater Will Lammert als Bildhauer wirkte.

Will Lammert verlässt sofort nach der Machtergreifung Hitlers Deutschland, denn nach ihm wird wegen Hochverrat gefahndet. Im März 1933 folgt seine Frau mit beiden Söhnen ins Exil. Die Flucht endet nach Stationen in Holland und Belgien in Paris. Über Vermittlung von Willy Münzenbergs erfolgt nach der Ausweisung aus Frankreich 1934 die Übersiedlung in die Sowjetunion. Eine 17 Jahre lange Emigration, „elende Jahre“, beginnen.

Nach Abschluss der Abendschule 1947 mit Abitur studiert Ule Lammert Architektur in Kasan. Die Familie übersiedelt im Dezember 1951 in die DDR. 1952 erfolgt die Anerkennung als Verfolgte des Faschismus.

Im Oktober 1952 erwirbt Ule Lammert das Diplom an der Hochschule für Architektur Weimar. Bis 1958 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bauakademie, hauptsächlich am Institut für Theorie und Geschichte der Architektur; 1953 erhielt er eine Aspirantur, 1959 erfolgte die Promotion zum Dr.-Ing. 1954 wird er Mitglied des Bundes der Architekten (BdA). Bürgen waren Till Lammert und Kurt Liebknecht. Von 1961 bis 1965 war er als Leiter der Abteilung Bauwesen des RGW tätig. 1968 erfolgt seine Ernennung zum Professor.

Im Jahr 1966 wurde Ule Lammert zum Ordentlichen Mitglied der Deutschen Bauakademie gewählt Im gleichen Jahr wurde er zum Vizepräsidenten der Bauakademie und Direktor des Instituts für Städtebau und Architektur (ISA) berufen. Diese Funktionen hatte er bis 1986 inne. Die Schwerpunkte der Arbeit des Instituts umfassen Theorie und Geschichte der Architektur, Gebietsplanung, Stadtplanung, Stadtzentren, Prognosen und experimentelle Planungen. Von 1967 bis 1970 war er Leiter der Arbeitsgruppe für die Stadtzentren der Bezirksstädte der Bauakademie und von 1971 bis 1986 bearbeitet und erarbeitet das ISA 200 Planungen für Wohngebiete mit über 1.000 Wohneinheiten. Die Resultate seiner Tätigkeit sind in zahlreichen Städten bis heute gut sichtbar und haben oft auch in Verbindung mit Denkmalschutzkriterien zum Guten gewirkt, denn stadtplanerisch war es oft auch eine Arbeit gegen den Abriss, d.h. ein wirkliches Verdienst. Darüber hinaus war er von 1975 bis 1989 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates der Bauakademie.

An all diesen Wirkungsstätten hinterließ Ule Lammert beachtenswerte wissenschaftliche Spuren. Mit Büchern wie „Architektur und Plastik“ (1962), „Architektur und Städtebau in der DDR“ (1969), „Spielanlagen für Kinder und Jugendliche. Grundlagen, Anregungen und Beispiele …“ (1979), „Städtebau – Grundsätze, Beispiele, Methoden, Richtwerte“ (1979) oder „Architektur im Wechselfeld von Wissenschaft und Kunst“ (1984) schuf er bleibende Publikationen, mit denen sein fundiertes Wissen an Fachkollegen und Schüler bis heute weitergegeben wird. In diesem Zusammenhang ist auch auf seine Gesamtverantwortung für Katalog und Durchführung der Schinkel-Ausstellung in Hamburg 1981 zu verweisen. – 1986 erschien „zum 60. Geburtstag von Ule Lammert und aus Anlass der Neubildung des Instituts für Städtebau und Architektur vor 20 Jahren“ die Festschrift „Studien zu Städtebau und Architektur“ (bearbeitet von Adalbert Behr; mit vollständiger Bibliographie).

1980 erfolgt seine Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, nachdem Ule Lammert bereits seit 1974 als Mitglied des Wissenschaftlichen Rates der Akademie der Wissenschaften für Fragen der Sozialpolitik und Demographie wirkte. Im Jahr 1993 gehört er zu den Gründungsmitgliedern der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften.

Ule Lammert hat sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Dr. Marlies Lammert wesentlich für das Werk seines Vaters, des antifaschistischen Bildhauers Will Lammert eingesetzt. Daraus resultierte 1985 die Aufstellung der „unvollendeten Figuren“, die ursprünglich für das Mahnmal im KZ Ravensbrück entstanden, auf dem alten Jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte als erstes Denkmal für die jüdischen Opfer des Faschismus in Berlin (siehe https://bildhauerei-in-berlin.de/bildwerk/mahnmal-7857/).

Die Mitglieder der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin werden ihrem Gründungsmitglied Ule Lammert ein bleibendes Andenken bewahren.

Gerhard Banse