Nekrolog für unser Mitglied Hans-Jürgen Jacobs
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. trauert um ihr Mitglied, den Fertigungstechniker Dr. Hans-Jürgen Jacobs, der am 09.12.2019 im Alter von 83 Jahren verstorben ist
Hans-Jürgen Jacobs wurde am 06.04.1936 in Parchim geboren. Nach Schulbesuch und Abitur in Rostock absolvierte er ein Ingenieurstudium auf dem Gebiet der Fertigungstechnik das er 1961 mit dem Diplom abschloss. Danach folgten Assistenz und Oberassistenz bei Alfred Richter auf dem Gebiet der Zerspanungstechnik, die ihn 1966 zur Promotion als Dr.-Ing. mit der Dissertation “Bestimmung der Schnittkräfte beim Gewindebohren” führten. Dies war ein bedeutsamer Baustein im Rahmen des am Institut von Alfred Richter verfolgten Forschungsprofils, mit dem Ziel der Schaffung eines allgemeingültigen, verfahrensunabhängigen Zerspankraftgesetzes, bei dem die kinematisch-geometrisch anspruchsvolle Gewindebearbeitung einen Sonderfall darstellt.
Im Jahr 1969 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kombinat Carl Zeiss Jena mit dem Arbeitsgebiet “Rechnergestützte Spanungsoptimierung” und anschließend Leiter der Forschungsgruppe “Spanungsoptimierung” am Forschungszentrum des Werkzeugma-schinenkombinates Fritz Heckert in Karl-Marx-Stadt. Auf den erzielten Ergebnissen aus der Praxis basierend, entstand die Dissertation B zum Thema “Problemlösungen für Forschungsschwerpunkte in der Zerspanungstechnik”, mit der 1970 die Promotion zum Dr. sc. techn. erfolgte.
Im Jahr 1971 erhielt Hans-Jürgen Jacobs die Berufung zum ordentlichen Professor für Fertigungstechnik/Fertigungsgestaltung an der Technischen Universität Dresden, eine vielseitige Tätigkeit als Hochschullehrer, die ihn 20 Jahre lang bis zum Übergang in den Vorruhestand im Jahr 1991 erfüllte. Zahlreich sind die in diesem Zeitraum von ihm bearbeiteten Forschungsgebiete, es enstanden über 100 Publikationen in Fachzeitschriften, er ist Haupt- oder Mitautor in 6 Fach- und Lehrbüchern, 36 Promotionen A und 6 Promotionen B gelangten unter seiner Leitung zum Abschluss.
Einer seiner langjährigen Mitstreiter charakterisierte anlässlich des 70-jährigen Jubiläums von H.-J. Jacobs dessen Wirken u.a. mit folgenden Worten:
“Die Forschungs- und Lehrtätigkeit ist geprägt durch Ideenreichtum, klares wissenschaftliches Denken, intellektuelle Schärfe und eine streng mathematische Herangehensweise bei der Durchdringung und Modellierung technologischer Sachverhalte.”
Über sehr viele Jahre seiner Tätigkeit als Hochschullehrer erfüllte er verantwortungsvolle universitäre Leitungsfunktionen – als Direktor der Sektion Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, Dekan der Fakultät Maschinenwesen, Prorektor für Natur- und Technikwissenschaften sowie als Rektor der Technischen Universität Dresden.
Trotz dieser hohen Belastung konnte er 1989 eine zweite Promotion zum Dr. sc. oec. mit der Dissertation B “Technologische Optimierung von Teilfertigungsprozessen bei rechnerintegrierter, flexibel automatisierter Produktion” erfolgreich abschließen.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. zweifach mit dem TU-Preis, als Verdienter Techniker des Volkes (1978) und mit dem Nationalpreis für Wissenschaft und Technik (1987). Professor Jacobs wurde 1989 als Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften gewählt, und er war seit 1993 Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften.
Das Ausscheiden aus dem aktiven Hochschullehrerdienst im Jahr 1991 im Alter von 55 Jahren stellte eine tiefe Zäsur in seinem Leben dar, die ihn mental schwer traf. Aufgefangen von seiner Familie, Freunden und Schülern und motiviert durch seinen festen Willen gelang ihm der Start in ein wissenschaftlich geprägtes, erfolgreiches zweites Berufsleben: Er wurde Gesellschafter und Projektberater in der PRODV Software GmbH und im Institut für Produktions- und Umwelttechnik Dresden, wo er mit ehemaligen Schülern und Kollegen seine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Gestaltung innovativer Fertigungsprozesse mit hoher Praxisrelevanz fortführen konnte. Ein Beleg für diese Schaffensphase von H.-J. Jacobs ist das 2006 erschienene Lehrbuchkompendium “Mathematische Basismodelle für die technologische Optimierung spanender Fertigungsprozesse”.
Mit Hans-Jürgen Jacobs ist nicht nur ein äußerst kreativer Wissenschaftler aus dem Kreis der Mitglieder unserer Sozietät ausgeschieden, sondern auch eine sehr vielseitige, humanistisch geprägte Persönlichkeit: Er liebte klassische Musik und Literatur, seine langjährige Heimatstadt Dresden, aber auch die alte Heimat an der Ostsee, wo er mit seiner Frau im Refugium hinter den Dünen Ruhe und Entspannung fand, aber auch Kraft für Neues schöpfte.
Auch eine lange schwere Krankheit am Ende seines Lebens konnte seinen Mut und seine Zuversicht nicht brechen. Die Mitglieder der Leibniz-Sozietät werden das Andenken an Hans-Jürgen Jacobs stets in Ehren halten.
Dieter Seeliger