Nekrolog für unser Mitglied Erik Grafarend


Erik Grafarend beim Ehrenkolloquium der Leibniz-Soztietät am 13.02.2015 aus Anlass seines 75. Geburtstages

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften trauert um ihr Mitglied,
den Geodäten Prof. Dr. Erik Grafarend,
der am 08. 12. 2020 im Alter von 81 Jahren verstorben ist

Erik Wilhelm Grafarend wurde am 30. Oktober 1939 in Essen geboren. Nach dem Studium Markscheidewesen (1964) an der Universität Clausthal-Zellerfeld durchlief Erik Grafarend eine rasante geodätische Laufbahn mit Promotion (1966) und Zweitstudium der Physik an derselben Universität. Er wechselte zur Universität Bonn wo er sich 1970 habilitierte und die Venia Legendi fürs Fachgebiet “Theoretische Geodäsie” empfing; die Habilitationsschrift trug den Titel “Die Genauigkeit eines Punktes im mehrdimensionalen Euklidischen Raum”. Im jungen Alter von 32 Jahren wurde er 1971 zum apl. Professor am Institut für Theoretische Geodäsie der Universität Bonn. Es folgte 1975 eine Berufung auf den Lehrstuhl “Astronomische und Physikalische Geodäsie” der Universität der Bundeswehr München. Prof. Grafarend wurde 1980 als Nachfolger von Karl Ramsayer an die Universität Stuttgart berufen, wo er bis 2005 das Geodätisches Institut leitete. Seit der Emeritierung 2005 war er unvermindert als Forscher und insbesondere als Buchautor in der Geodäsie aktiv.

Prof. Grafarends Forschungstätigkeiten beschränkte sich mitnichten auf die eigentliche Widmung seines Lehrstuhls. Bekannt für sein außerordentlich breites Interesse, ja Neugier, befasste er sich mit einem thematisch breiten Geodäsie-Spektrum: Physikalische Geodäsie, Schätzverfahren, Statistik, geodätisches Netzdesign, Satellitengeodäsie, Differenzialgeometrie, Kartenprojektionen, Geokinematik, Erdrotation, Trägheitsnavigation, Referenzsysteme. Diese Vielfalt ist einerseits dokumentiert in einem umfangreichen Oeuvre von 350 Publikationen in einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften und Konferenzbänden. Andererseits hat Prof. Grafarend der geodätischen Nachwelt eine Reihe von schwergewichtigen (inhaltlich wie buchstäblich) Büchern hinterlassen, u.a. “Map projections: cartographic information systems”, “Applications of linear and nonlinear models: fixed effects, random effects, and mixed models”. Zu seinen letzten Buchprojekten gehörten die Gravitation und die Herausgebertätigkeit des “Encyclopedia of Geodesy”.

Das geodätische Wirken von Prof. Grafarend hat zeit seines Lebens in hohem Maße Anerkennung gefunden. Ihm wurde 1975 der gerade ins Leben gerufene und prestige-trächtige Bomford-Prize der International Association of Geodesy zuteil. Er erhielt Ehrendoktorwürden von in- und ausländischen Universitäten: Universität der Bundeswehr München, Königliche Technische Hochschule Stockholm, TU Darmstadt, TU Budapest, Universität von Navarra. Er war Mitglied in verschiedenen Gelehrtengesellschaften: Deutsche Geodätische Kommisison der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, Finnische Akademie der Wissenschaften, Ungarische Akademie der Wissenschaften. Prof. Grafarend hat in verschiedenen Funktionen in den Gremien der nationalen Geodäsie (u.a. Gründer des DVW-AK7) und der internationalen Geodäsie (IAG) Weichen gestellt. Die Reihe von Gastprofessuren und Auslandsaufenthalte ist lange.

Mit Prof. Erik Grafarend verlieren wir einen Leuchtturm der Geodäsie. Er war im Inland wie im Ausland ein geschätzter Kollege, ein geodätischer Lehrer und ein Freund. Wir trauern gemeinsam um den Tod von Erik und wünschen der Familie Grafarend, insbesondere seiner Frau Ulrike, Kraft in dieser schwierigen Zeit.

Nico Sneeuw
Geodätischen Institutes der Universität Stuttgart