Nekrolog für unser ehemaliges Mitglied Joachim Göhring

 

Prof. Dr. Joachim Göhring; Foto: privat


Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften trauert um ihr ehemaliges Mitglied
Prof. Dr. Joachim Göhring,
der am 21. April 2020 im Alter von 88 Jahren verstorben ist

Joachim Göhring, geboren am 5. Dezember 1931, war von 1999-2014 Mitglied der Leibniz-Sozietät, die ihn gewonnen hatte, die Sozietät in juristischen Fragen zu beraten und zu unterstützen. Als „faktischer Justitiar“ gehörte er dem erweiterten Präsidium der Sozietät an. Mit der Rückgabe seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahre 2014 endete Joachim Göhrings funktionsgebundene Mitgliedschaft.

Joachim Göhring zählte zu den profiliertesten Zivilrechtlern der DDR. Er promovierte 1962 an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) mit dem Thema „Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person für Handlungen der bei ihr beschäftigten Werktätigen“. 1971 folgte die Habilitation (Dissertation B) zur „Zulässigkeit des Gerichtsweges“ und die Berufung zum ordentlichen Professor für Zivil- und Zivilprozessrecht an die HUB. Als Wissenschaftler war Joachim Göhring an der Erarbeitung des Zivilgesetzbuches, das am ersten Januar 1976 das BGB in der DDR ablöste, beteiligt. Zudem war er einer der Autoren (und gemeinsam mit Martin Posch verantwortlich für die Gesamtredaktion) des zweibändigen Lehrbuchs „Zivilrecht der DDR“ (1981). Daneben publizierte Joachim Göhring über den bedeutenden Juristen Hans Nathan (1900-1971) oder über die juristische Natur der anwaltlichen Tätigkeit. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre war er der Direktor der Sektion Rechtswissenschaft der HUB.

Joachim Göhring zählte nicht zu den vielen Rechtswissenschaftlern der weiland DDR, die nach deren Untergang in Schweigen, Nichtschreiben und Nichtpublizieren verfielen. Ganz im Gegenteil. Joachim Göhring stand nun als Publizist und Rechtsanwalt auf der Seite derjenigen, denen das neue Recht nicht selten zum Unrecht ausschlug. So wandte er sich in zahlreichen Veröffentlichungen gegen die Schlechterstellung der ostdeutschen Mieter durch den Einigungsvertrag, gegen die Enteignung vieler DDR-Grundstücksnutzer durch das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung und gegen die rechtstaatswidrige Abwicklung der Bodenreform, mit der sich der Staat in unerhörter Weise bereicherte. Er kämpfte mit rechtsstaatlichen Argumenten für die Durchsetzung des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Grundstücke vom 7. März 1990 („Modrow-Gesetz“). Joachim Göhring trat für eine Reform des BGB ein und schrieb für Rechtsratgeber zum Miet- und Eigentumsrecht.

Joachim Göhring war der letzte Präsident des DDR-Mieterbundes. Seine in dieser Funktion im Oktober 1990 ausgesprochene Warnung vor zukünftiger Obdachlosigkeit im Osten wurde leider traurige Realität. Joachim Göhring engagierte sich wissenschaftlich in der „Vereinigung demokratischer Juristen“. Die Protokollbände der Ostdeutschen Juristentage (1992-96) legen davon beredtes Zeugnis ab.

Angesichts der wissenschaftlichen Vita Joachim Göhrings war es nur folgerichtig, dass er in dem vom Mitglied der Leibniz-Sozietät Uwe-Jens Heuer herausgegebenen Werk „Die Rechtsordnung der DDR. Anspruch und Wirklichkeit“ (1995) das Kapitel zum Zivilrecht verfasste.

Die Mitglieder der Leibniz-Sozietät werden das Andenken an Joachim Göhring stets in Ehren halten.

Volkmar Schöneburg (MLS)