Nekrolog auf unser Mitglied Prof. Dr. Günter Mühlpfordt

Prof. Dr. Günter Mühlpfordt; © Kurt Fricke
Prof. Dr. Günter Mühlpfordt; © Kurt Fricke


Die Leibni
z-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,  den

 Historiker Prof. Dr. phil. habil. Günter Mühlpfordt,

der am 04. April 2017 im Alter von 95 Jahren verstorben ist.

Prof. Dr. Günter Mühlpfordt  studierte von 1939 bis 1941 an der Universität in Halle Geschichte im Hauptfach, daneben Ur- und Frühgeschichte, Germanistik, Slawistik und Philosophie. Galten seine wissenschaftlichen Interessen anfänglich noch der Ur- und Frühgeschichte und dem Mittelalter, so wandte er sich sehr bald der Geschichte der Neuzeit und der Aufklärung zu. 1941 promovierte er bei Martin Lintzel zum zeitgemäßen Thema: „Die deutsche Führung des böhmisch-mährischen Raumes in der Zeit Maria Theresias und Josef II.“. Der Krieg beendete vorerst seine wissenschaftliche Laufbahn. Er durchlebte seine Schrecken und kam in kanadische Kriegsgefangenschaft, aus der 1945 zurückkehrte. Er nahm eine Tätigkeit als Dolmetscher auf, arbeitete gleichzeitig als Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und wird 1947 Leiter der Studiengruppe Geschichte an der MLU. Auf Drängen des Slawisten und Russlandhistorikers Eduard Winter wechselte er noch im gleichen Jahr auf eine Assistentenstelle im neugegründeten Institut für europäische Geschichte an der MLU.

Von 1949 bis 1951 baute Günter Mühlpfordt an der Humboldt-Universität zu Berlin das traditionsreiche Institut für Osteuropäische Geschichte wieder neu auf. 1951 erfolgte seine Einsetzung als kommissarischer Direktor des Instituts für Osteuropa an der Halensiana. 1952 habilitierte er sich mit einer Arbeit unter dem Titel „Die polnische Krise von 1863. Die Begründung der russisch-preußisch-deutschen Entente 1863 – 1871“. 1954 erhielt er die Professur für das Fach Geschichte der Völker der UdSSR und der anderen slawischen Völker und wurde im selben Jahr zum Direktor des Instituts für Geschichte der UdSSR an der Philosophischen Fakultät der MLU berufen. Seine Antrittsvorlesung über „Ursachen der Rückständigkeit im zaristischen Russland“ durfte er nicht halten. Ein sowjetischer Kuturoffizier hatte, höchst unverständlich bei diesem Thema, sein Veto eingelegt. 1956 brachte er noch den 1. Band des „Jahrbuchs für Geschichte Ost- und Mitteleuropas“ heraus. 1958 wurde Günter Mühlpfordt aus politischen Gründen aus dem Universitätsdienst entlassen und 1963 vollends akademisch entpflichtet. All das kam einem Berufsverbot gleich und bedeutete einen tiefen, irreversiblen Bruch in seiner persönlichen Lebensplanung. Desungeachtet konnte er weiter publizieren und als lange stellungsloser Privatgelehrter wissenschaftlich arbeiten. Aus dieser Tatsache folgte, dass er einen Großteil seiner Forschungsergebnisse im Ausland publizierte. Er veröffentlichte seine Artikel aber auch in der DDR, so u.a. in der Schriftenreihe des Ratsarchivs der Stadt Görlitz. Görlitz war der Sitz der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, deren Mitglied Günter Mühlpfordt war (1991). Nicht wenige Kollegen unterstützten ihn solidarisch, vermittelten ihm Vorträge und förderten ihre Veröffentlichungen, darunter Eduard Winter, Johannes Irmscher, Siegfried Wollgast und Erich Donnert. 1983 bis 1990 war er eingebunden in die Forschungsstelle Wissenschaftsgeschichte/Akademiegeschichte und arbeitete dort mit Conrad Grau zusammen. 1990 erfolgte seine vollständige Rehabilitierung. Von nun an entfaltete er noch einmal eine Respekt gebietende wissenschaftliche Tätigkeit, in der die „Mitteldeutsche Aufklärung“ zum zentralen Forschungsschwerpunkt wurde. Zur Herausgabe wurden weit verstreute frühere Aufsätze gesammelt, wobei auch Neues entstand. Beipiele für dieses späte rastlose wissenschaftliche Schaffen sind: „Halle-Leipziger Aufklärung: Kernstück der Mitteldeutschen Aufklärung“ (2011), vier Bände „Demokratische Aufklärer“ (2014, 2015, 2016, 2017 – Registerband) oder die gemeinsam mit Erich Donnert verfaßte „Baltische Geschichte. Esten, Letten, Litauer unter fremdem Mächten“ (2016). 1996 wurde aus Anlaß seines 75. Geburtstages ein Festkolloquium veranstaltet und eine Festschrift vorbereitet, die sieben Bände umfaßt. 1999 erfolgte die Auszeichnung mit dem Eike von Repgow-Preis der Stadt Magdeburg.
1996 wurde Günter Mühlpfordt in die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zugewählt. Hier trat er nicht sonderlich in Erscheinung, äußerte sich aber 2003 in einem Grußwort, gerichtet an die Teilnehmer des wissenschaftlichen Kolloquiums zum Gedenken an den Akademiehistoriker Conrad Grau (1932 – 2000). Dort schreibt er über Grau und sich: „Wir stimmten zum Beispiel im Begriff der Kulturwissenschaften überein, betrachteten uns als Kulturwissenschaftler im umfassenden Sinn, ausgehend vom Begriffspaar Natur- und Kulturwissenschaften, erweitert zur Dreiheit der Natur-, Kultur- und Technikwissenschaften. Geist braucht auch der Naturwissenschaftler, benötigt ebenso der Technikwissenschaftler. Meine Selbstbezeichnung nach Fach und Beruf lautet seit eh und je Kulturhistoriker“.
Prof. Dr. Günter Mühlpfordt war ein großartiger Mensch und Wissenschaftler, der sich ganz der Wahrheit verschrieben hatte, der seinem Fach, trotz dümmlicher staatlicher Restriktionen, die Treue hielt und sich nicht verbiegen ließ. Wir werden uns seiner mit Hochachtung und Respekt erinnern.

Armin Jähne