Nekrolog auf unser Mitglied Helmut Abel

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den international bekannten Strahlenbiophysiker Prof. Dr.rer.nat. sc. Helmut Abel

Er verstarb am 31.12. 2019 im Alter von 91 Jahren an Herzversagen.

Geboren wurde Helmut Abel 1928 in Berlin. Von 1934 bis 1942 besuchte er die Schule, anschließend bis 1945 machte er eine Lehrausbildung als Feinmechaniker bei Siemens. Von 1946 bis Juli 1947 besuchte er die Vorstudienanstalt der Berliner Universität mit dem Abschluss Abitur. Daran schloss sich ein Studium der Mathematik und Physik an, mit einer Unterbrechung (1951/1952) für eine erbetene Lehrtätigkeit an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Humboldt-Universität Berlin. 1954 schloss er das Studium mit einer Diplomarbeit über Miniaturzählrohre ab.

In seine Schulzeit fiel die Kristallnacht (1938), in der Lehrzeit fielen Bomben (1942-1945), wie er 2004 in seinem autobiographischen Abriss schreibt (in: Wissenschaftler im biomedizinischen Forschungszentrum Berlin-Buch 1930-2004. Hrsg. Luise Pasternak. Peter Lang Verlag der Wissenschaften 2004). Judenverfolgungen, Bombennächte (zweimalige Ausbombung), Kriegserlebnisse als Marinehelfer haben sein Interesse geweckt, das Entstehen von Kriegen und Faschismus nicht nur verstehen zu lernen, sondern Wiederholungen verhindern zu helfen. (Ebenda)

Er entschied sich 1949 für einen Umzug von Westberlin nach Ostberlin und für einen Eintritt in die SED. Zustimmung und Ablehnung wechselten, aber seine Hoffnungen auf Überwindung der Fehler und Widersprüche blieben erhalten: „ob eine ‚bessere‘ DDR eine Chance gehabt hätte, ist sicher zu bezweifeln. Aber ich gestehe es zu bedauern.“ (Ebenda) – ein klares Bekenntnis.

1954/1955 war er wissenschaftlicher Assistent von Professor Walter Friedrich am Institut für Strahlenforschung der Humboldt-Universität Berlin.

1955 bis 1967 beteiligte er sich am Aufbau und der Leitung der Abteilungen für Dosimetrie und Biophysik im Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf bei Dresden und hielt Vorlesungen an der TU-Dresden über Dosimetrie und Mikrodosimetrie. 1962 promovierte er an der Humboldt-Universität mit einer Arbeit über „Vergleichende Untersuchungen zur Dosimetrie schneller Neutronen“. 1963 war er Mitautor (Abel, Tolkendorf, Roßbander) eines Fachbuches über „Strahlenschutz und Dosimetrie“ (Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie).

1967 erfolgte die Berufung als stellvertretender Direktor an das Institut für Biophysik in Berlin-Buch. Er übernahm Aufbau und Leitung eines Bereichs Strahlenbiophysik zur Thematik „intrazelluläre Reparatur strahleninduzierter DNS-Schäden“ (in diese Thematik einschließend die Abteilung Biophysik in Rossendorf). Gleichzeitig begann eine mehrjährige Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Genetiker Timoféeff-Ressovsky und dem Institut für Medizinische Radiologie in Obninsk (nahe Moskau).

Mit Timoféeff-Ressovsky’s Unterstützung gelang in den siebziger Jahren im Institut für Kernforschung der sozialistischen Länder in Dubna (nahe Moskau) der Aufbau einer Abteilung Biophysik als Außenstelle des Berlin-Bucher Bereichs Strahlenbiophysik. Damit waren Möglichkeiten für vergleichende Untersuchungen zellbiologischer Strahlenwirkungen in Abhängigkeit von der Strahlenart möglich geworden (Gammastrahlen in Berlin-Buch, Neutronen und Protonen in Rossendorf und energiereiche schwere Ionen in Dubna).

1974 habilitierte sich Helmut Abel an der Humboldt-Universität Berlin mit einer Arbeit „Zur Variation der Strahlenqualität beim Studium der molekularen Wirkungsmechanismen ionisierender Strahlung“. Im gleichen Jahr wurde er zum Professor für Biophysik an der Akademie der Wissenschaften der DDR ernannt.

1980 bis 1982 fand ein Studienaufenthalt in der Abteilung Biophysik in Dubna statt.

1982 erfolgte die Einstellung aller strahlenbiophysikalischen Forschungen an der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1986 wurde dies nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 jedoch als Fehler erkannt und im Zentralinstitut für Krebsforschung in Berlin-Buch eine Abteilung für theoretische Strahlenbiologie neu aufgebaut. Begonnen wurde mit vergleichenden Untersuchungen zur Strahlenempfindlichkeit von Blutzellen (Lymphozyten) krebskranker und gesunder Personen sowie mit tierexperimentellen Untersuchungen über die Beeinflussbarkeit der individuellen Strahlenempfindlichkeit. 1987 wurde Helmut Abel die Walter Friedrich Medaille der Akademie der Wissenschaften der DDR verliehen.

1991 wurden diese Forschungen im Zusammenhang mit der „Wende“ wieder eingestellt. Helmut Abel durfte entscheiden zwischen Vorruhestand und Arbeitslosigkeit. Er entschied sich für Arbeitslosigkeit. Nach Erreichung des Rentenalters folgte noch eine gutachterliche Tätigkeit für Sanierungsvorhaben der Wismut. Und 2012 erschien im trafo-Verlag bereits in 2. Auflage das von Helmut Abel und Gudrun Erzgräber geschriebene Buch „Radioaktivität – von der Entdeckung bis Fukushima“.

1995 wurde Helmut Abel in die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin gewählt. In den ersten Jahren ist er hier wiederholt mit Vorträgen und Publikationen seiner wichtigsten Arbeiten aufgetreten, einige Jahre war er auch Mitglied unseres Redaktionskollegiums. 2015 wurde ihm in St. Petersburg die Timoféeff-Ressovsky-Medaille für seine Aktivitäten bei der Rehabilitation von Timoféeff-Ressovsky und der Bewahrung des Andenkens an den russischen Genetiker verliehen (siehe auf unserer Homepage  https://leibnizsozietaet.de/mls-helmut-abel-ausgezeichnet/).

Rose-Luise Winkler / Gudrun Erzgräber / Wolfdietrich Hartung