Nachruf auf unser Mitglied Helmut Bock
Foto: H. Wöltge, 2004
Am 20 Dezember 2013 verstarb unser Mitglied Professor Dr. Helmut Bock.
Mit ihm verlor die deutsche Geschichtswissenschaft einen der profiliertesten, national wie international anerkannten Demokratieforscher, der stets den sozialen Problemen und Kämpfen besondere Aufmerksamkeit schenkte. In mehr als fünf Jahrzehnten seines Wissenschaftlerlebens erbrachte er durch umfangreiche und weitgespannte Forschungen und eine Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wichtige Leistungen bei der Erschließung des komplizierten Erbes der deutschen wie europäischen Vergangenheit. Seit der aus seiner bei Ernst Engelberg und Hans Mayer erarbeiteten Dissertation an der Leipziger Universität hervorgegangenen und 1960 erschienenen Biographie des radikalen Demokraten Ludwig Börne hat sich der gebürtige Rheinländer, der der historisch-materialistische Methode verpflichtet war, mit einer Vielzahl von Büchern und wissenschaftlichen Studien besondere Verdienste bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung sowohl der Geschichte der Reformbestrebungen und der antinapoleonischen Befreiungsbewegungen als auch der deutschen revolutionären Demokratie des 19. Jahrhunderts erworben.
Seine hohe Produktivität und Kreativität bezeugen nicht zuletzt die nach dem Ausscheiden aus dem offiziellen Wissenschaftsbetrieb in den neunziger Jahren veröffentlichten Arbeiten. Trotz mannigfacher gesundheitlicher Beeinträchtigungen hat er bis ins hohe Alter unverändert stark geforscht und publiziert. In den letzten beiden Jahrzehnten erweiterte er sein Forschungsfeld um das 20. Jahrhundert und machte sich vor allem um eine kritische Analyse der europäischen Sozialismusgeschichte dieses Jahrhunderts verdient. In seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Freiheit ohne Gleichheit? Soziale Revolution 1789 bis 1989. Tragödien und Legenden“ finden sich die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Untersuchungen über die sozialen Kämpfe um Freiheit und Gleichheit in der europäischen Geschichte gleichsam zusammengefasst.
Seit der Wahl zum Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin im Jahre 1994 ist er mit beeindruckenden historischen Vorträgen in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften und im Plenum aufgetreten und hat mit hochinteressanten neuen Fragestellungen die wissenschaftliche Debatte in unserer Gesellschaft angeregt und beeinflusst. Die Mitglieder erinnern sich seiner glänzenden Würdigung Heinrich Heines anlässlich dessen 140. Todestages und an die nicht nur biografische Studie über Napoleon Bonaparte, dessen Aufstieg und Sturz als Hegemonialpolitiker.
In seinem letzten Lebensjahr hat Helmut Bock, der bis zuletzt unermüdlich arbeitete, der Öffentlichkeit vier Bücher unterbreitet: Neben der zwei Jahrhunderte umfassenden Revolutionsgeschichte über „Freiheit ohne Gleichheit?“ erschienen anlässlich des 200. Jahrestags der Befreiungskriege von 1813/14 „Martin Schill, der Treuebrecher. Zwischen Patriotismus und Staatsräson“ und „Napoleon und die Preußen“ sowie eine moderne Prozesse analysierende historische Studie über „Globalisierung und Militarisierung“.
Walter Schmidt, Dezember 2013