Nachruf auf unser Mitglied József Ádám

József Ádám (1950-2022) (Foto: Ungarische Akademie der Wissenschaften)

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied Prof. Dr. József Ádám, der am 29. Dezember 2022 im Alter von 72 Jahren in Budapest verstorben ist.

József Ádám wurde im Mai 2021 zum Mitglied der Leibniz-Sozietät gewählt. Kollegiale Beziehungen gab es bereits seit vielen Jahren. Er war Ordentliches Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, emeritierter Professor der Universität für Technologie und Wirtschaft Budapest (BME), ein international angesehener Forscher und Hochschullehrer für Geodäsie.

Geboren am 24. Januar 1950 in Kocsér, Ungarn, studierte József Ádám von 1969 bis 1974 Geodäsie und Vermessungswesen an der BME, wo er auch 1974 zum Dipl.-Ing. und 1977 mit Arbeiten zur Satellitengeodäsie zum Dr. techn. graduierte. Von 1974 bis 1992 arbeitete er als Forscher am Observatorium für Satellitengeodäsie (Station Penc) des Institutes für Geodäsie, Kartographie und Fernerkundung des Ungarischen Geodätischen Dienstes. Von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften erwarb er 1981 den Grad Kandidat der Technischen Wissenschaften und 1991 den Grad Doktor der Technischen Wissenschaften. 1992 wurde er zum Universitätsprofessor im Department für Geodäsie und Vermessungswesen der BME berufen. Er leitete das Department von 1995 bis 1999 und nochmals von 2001 bis 2014. Im Januar 2020 wurde er emeritiert. Die Ungarische Akademie der Wissenschaften wählte ihn 1998 zum Korrespondierenden Mitglied, 2004 zum Ordentlichen Mitglied. In der ranghöchsten wissenschaftlichen Einrichtung seines Heimatlandes war er von 1999 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender der Sektion Geowissenschaften, anschließend für weitere 6 Jahre deren Vorsitzender und damit Mitglied des Präsidiums der Akademie.

Die Hauptgebiete seiner wissenschaftlichen Tätigkeit waren die Anwendung der modernen Verfahren der kosmischen Geodäsie (Satellitengeodäsie, Weltraum-VLBI, GPS, GNSS) in den geodätischen Basisnetzen und in Studien zur Geodynamik sowie zur mathematischen Geodäsie und bei der Erforschung des Erdschwerefeldes. József Ádám ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Autor, Herausgeber und Mitherausgeber von sechs wissenschaftlichen Büchern und über 100 internen Forschungsberichten. Er war Referent auf zahlreichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen, bei 220 war er deren Organisator oder Mitorganisator.

Äußerst aktiv war József Ádám in der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit, anfangs im Programm „Interkosmos“ im Rahmen der sozialistischen Staaten und nach deren Ende weltweit. 1975 nahm er erstmals im Ausland an einer wissenschaftlichen Tagung teil (in Weimar am internationalen Symposium „Geodäsie und Physik der Erde“, organisiert vom Zentralinstitut für Physik der Erde der Akademie der Wissenschaften der DDR). 1985 war er Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung in Stuttgart (bei Prof. Grafarend – dieser wurde 2007 zum Mitglied der Leibniz-Sozietät gewählt). Weitere wichtige Stationen waren die Studien- und Forschungsaufenthalte 1989/1990 am Department for Geodetic Sciences an der Ohio State University in Columbus, Ohio und 1995 am Observatoire de Paris. Die Mitwirkung mit Leitungsverantwortung in der International Association of Geodesy begann für József Ádám 1991, zum einen in der IAG Special Study Group 2.109 (Application of Space VLBI in the Field of Astrometry and Geodynamics), zum andern als IAG National Correspondent für Ungarn. 1994 wurde er Präsident des Ungarischen Nationalkomitees für die Internationale Union für Geodäsie und Geophysik. Von 2003 bis 2019 diente er der IAG als Präsident der Communication and Outreach Branch. 2019 wurde er zum Mitglied des IUGG Finance Committee gewählt.

Die erste große Veranstaltung von IUGG und IAG, an der József Ádám teilnahm, war die Generalversammlung 1991 in Wien (auf ihr wurde Helmut Moritz, seit 1985 Auswärtiges Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, zum Präsidenten der IUGG gewählt). Er hat seitdem an allen Generalversammlungen von IUGG/IAG (General Assembly) und an allen Wissenschaftlichen Versammlungen der IAG (Scientific Assembly) teilgenommen. Bei der IAG Scientific Assembly 2001 in Budapest war er Chef-Organisator. Bei den IUGG Union und Inter-Association Symposia in 2011, 2015 und 2019 war er Convenor oder Co-Convenor.

József Ádám wurde für seine hervorragenden wissenschaftlichen und wissenschafts­organisatorischen Leistungen mehrfach ausgezeichnet. Die höchste Ehrung für seine wissenschaftlichen Erfolge war zweifellos die Wahl zum Ordentlichen Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Für seine hochschulpädagogischen Leistungen erhielt er 1997 die OM Széchenyi-Professur und 2004 den Albert-Szent-Györgyi-Preis. Als Anerkennung seiner gesamten beruflichen Erfolge wurde er 2012 mit dem Verdienstkreuz des Ungarischen Verdienstordens in der Zivilklasse ausgezeichnet und erhielt er 2017 den Széchenyi-Preis, der nach Graf Istvan Széchenyi (1791-1860) benannt ist, dem Mentor der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.

Die Leibniz-Sozietät trauert um einen hervorragenden Wissenschaftler und einen sehr guten Kollegen, dessen Mitwirkung in unserer Gelehrtengesellschaft vielversprechend begonnen hatte, auch wenn leider sein mehrfach verschobener „Antrittsvortrag“ nicht mehr zustande gekommen ist.

Heinz Kautzleben