Bericht zum Medizinischen Abend am 24.10.25

Historisches Mikroskop
Mikroskop #73 aus der Werkstatt von Carl Pistor, Produktion um 1830 (ältestes Exponat aus der Sammlung von Prof. Helmut Kettenmann) (Foto: Jochen Müller)

Bericht zum Vortrag von Dr. Jochen Müller:

Unsichtbar, sichtbar, durchschaut – 200 Jahre Berliner Mikroskopie

Am 24. Oktober 2025 fand auf Einladung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin im Schloss Biesdorf eine Abendveranstaltung mit einem Vortrag von Herrn Dr. Jochen Müller zum Thema „Unsichtbar, sichtbar, durchschaut – 200 Jahre Berliner Mikroskopie“ statt. Gemeinsam mit der Leibniz-Sozietät hatten die Berliner Medizinische Gesellschaft e.V., die Campus Berlin-Buch GmbH und das Schloss Biesdorf zu dieser Veranstaltung eingeladen.

Im Heino-Schmiden-Saal des Schlosses Biesdorf eröffnete die Präsidentin der Leibniz-Sozietät Gerda Haßler die Veranstaltung, begrüßte die Anwesenden und stellte den Referenten des Abends vor. Seit 2020 finden zweimal pro Jahr Veranstaltungen der Leibniz-Sozietät mit ihren Partnern zu medizinischen Themen im Schloss Biesdorf statt. Der zuvor letzte Vortrag der Reihe war von Frau Prof. Dr. Sabine Schleiermacher am 23. Mai 2025 zum Thema „Transformation des DDR-Gesundheitswesens: Historische Voraussetzungen, Akteure und Interessen“ gehalten worden (Bericht auf der Webseite der Leibniz-Sozietät, 1.6.2025).

Jochen Müller studierte Biologie in Göttingen und promovierte am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch in zellulären Neurowissenschaften. Es folgten Aufenthalte als PostDoc an der Université de Montréal, Kanada, und am Institut für experimentelle Neurologie der Charité Universitäts-medizin, Berlin. Forschungsschwerpunkt war Neuro-Glia-Interaktion und Schlaganfall-Diagnostik. Seit 2011 arbeitet Jochen Müller als Wissenschaftsjournalist (u.a. für ZEIT Wissen und dasgehirn.info), ist Autor („Ich glaub, mich trifft der Schlag“) und Moderator (u.a. Urania). Für den Campus Berlin-Buch betreute er die von Prof. Helmut Kettenmann kuratierte Ausstellung zur Geschichte der Berliner und Brandenburger Mikroskopie und die am MDC angesiedelte virtuelle Mikroskop-Ausstellung. Er organisierte und moderierte die ersten Science Slams in England und den USA. Als freier Programmkurator organisiert und moderiert er für die Urania Berlin die Reihe „Berlin Brains“. Für die Einstein Stiftung organisiert und moderiert er die Reihe „Einstein in the Dome“ im Zeiss Großplanetarium, der weltweit einzigen Vortragsreihe mit 360°-Bildgebung. Für die Berliner Exzellenzcluster organisiert und moderiert er Science Slams und das „exzellente Pub Quiz“. Für die Stiftung Planetarium Berlin entsann und realisierte er im April 2025 die Themenwoche „Unsichtbare Welten: vom Mikrokosmos zum Universum“ anlässlich des Internationalen Tags der Mikroskopie.

Der Vortrag von Jochen Müller zeigte die einzigartige Verbindung von Wissenschaft und optischer Industrie auf, die sich in der Region Berlin/Brandenburg am Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte. Mikroskope – gebaut von Berliner Mechanikern und Optikern – waren die Instrumente, mit denen Berliner Wissenschaftler*innen ein zu jener Zeit neues Konzept etablierten: die Zelltheorie (alle Organismen sind aus Zellen aufgebaut). Ohne das Instrument Mikroskop kann man Zellen weder sehen noch erkennen. Die Zelltheorie war wiederum die Grundlage für die von Rudolf Virchow Mitte des 19. Jahrhunderts vorgestellte Cellularpathologie (Krankheiten beruhen auf Veränderungen an und in Zellen – Basis der modernen Biomedizin).

In Berlin formulierte Wilhelm von Waldeyer-Hartz Ende des 19. Jahrhundert die Neuronentheorie. Sie besagt, dass das Nervensystem aus kleinen, distinkten Einheiten aufgebaut ist: den Nervenzellen. Anfang des 20. Jahrhunderts gründeten Oscar und Cécile Vogt das Kaiser-Wilhelm-Institut für Neurobiologie in Berlin-Buch. Sie etablierten dort unter anderem die Theorie, dass sich die Fähigkeiten eines Menschen aus der Architektur seines Gehirns ablesen lassen. Für all diese forscherischen Leistungen waren Mikroskope unverzichtbar. Nicht zuletzt entwickelte Ernst Ruska in Berlin das erste Elektronenmikroskop.

Gruppenfoto
Prof. Dr. I. Roots (Berliner Medizinische Gesellschaft), Prof Dr. G. Haßler (Leibniz-Sozietät), Dr. Jochen Müller (Campus Berlin-Buch GmbH), Prof. Dr. Gerhard Pfaff (Leibniz-Sozietät), Dr. U. Scheller (Campus Berlin-Buch GmbH) v.l.n.r (Foto. G. Pfaff)

Der Vortrag präsentierte all diese bahnbrechenden Entwicklungen und deren Bedeutung für die Biologie und die Medizin. Er ging zudem auf Folgeentwicklungen wie die Einführung der allgemeinen Fleischbeschau oder die Entwicklung des ersten kommerziell erhältlichen Kinoprojektors ein.

Die von Gerhard Pfaff (Mitglied der Leibniz-Sozietät) nach dem Vortrag geleitete angeregte Diskussion wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt, um Fragen zu stellen und das zuvor Dargelegte zu kommentieren.

Gerhard Pfaff