Bericht über die Sitzung des AK “Prinzip Einfachheit” am 23.11.2017
Der Arbeitskreis „Prinzip Einfachheit“ führte am 23. November 2017 seine fünfzehnte öffentliche wissenschaftliche Sitzung durch. Es sprach Prof. Dr. Thomas Naumann (Zeuthen) zum Thema
„Einfachheit, Wahrheit und Schönheit“
Prof. Dr. Werner Krause (MLS) von der Leitung des Arbeitskreises leitete die Sitzung.
Prof. Dr. Thomas Naumann beschreibt die Thematik seines Vortrages in der Kurzfassung wie folgt: „Simplex sigillum veri – Das Einfache ist das Siegel des Wahren, lautet eine Inschrift im Physikhörsaal der Universität Göttingen. Aber sind Einfachheit und Schönheit ein zuverlässiges Kriterium der Wahrheit? Können Vereinfachung, Reduktion und Abstraktion, das Streben nach Eleganz, Effizienz und Minimalität nicht auch den Erkenntnisprozess behindern? Was verbindet Einfachheit mit Symmetrie und Schönheit? Ist Einfachheit der Weg oder das Ziel der Erkenntnis?
Symmetrien sind Ausdruck von Ordnung und Harmonie des Kosmos. Sie liegen vielen Gesetzen der Physik zugrunde. Dennoch beruht unsere Welt auf fundamentalen Asymmetrien: So laufen die Evolution des Universums und des Lebens vorwärts und nicht rückwärts. Unsere Welt besteht aus Materie und nicht aus Antimaterie. Es gibt freie elektrische, aber keine freien magnetischen Ladungen, und eine Symmetriebrechung des Higgs-Feldes erzeugt die Massen der Elementarteilchen.
Einfache Prinzipien können komplizierte Strukturen generieren. So sind die abstrakten Symmetrien der Teilchenphysik Grundlage der über tausend Elementarteilchen, hochkomplexe und wunderschöne fraktale Strukturen beruhen auf einfachsten Formeln. Deshalb werden wir die Dialektik von Symmetrie und Asymmetrie, von Einfachheit und Kompliziertheit, von Elementarem und Komplexem detailliert untersuchen.
Schließlich gehen wir der hochaktuellen Frage nach, ob elementare Begriffe wie Raum und Zeit nicht etwa emergente Phänomene komplexerer Strukturen sind.“
In dem informativen und anregenden Vortrag wurden zu Beziehungen zwischen Einfachheit, Wahrheit und Schönheit Beispiele aus der Elementarteilchenphysik sowie aus weiteren Teilgebieten der Physik und ihrer Geschichte demonstriert. Mit Bezug dazu ist die Bedeutsamkeit von Einfachheit deutlich gemacht worden, es wurde jedoch auf „Gefahren“ bei „Einfachheit um jeden Preis“ im Erkenntnisprozess hingewiesen. Insbesondere zeichneten sich die Darlegungen auch dadurch aus, dass der Vortragende sowohl für die repräsentativen Beispiele als auch für konstruktiv-kritische Aussagen zu Beziehungen zwischen den obigen Begriffen gleich im ersten Teil seines Vortrags klare Definitionen von Einfachheitskriterien zugrunde legte.
Ein Auszug aus seinem Fazit:
„Einfachheit muss nicht immer wahr, Wahrheit nicht immer einfach sein.
Einfachheit darf nicht dogmatisch zum Kriterium der Wahrheit erhoben werden.
Die Welt ist wie sie ist: teils einfach, teils komplex.
Wir suchen ein wahres Abbild der Welt, das Gesetz hinter den Dingen.
Einfache Gesetze können komplexe Strukturen erklären…
Reduktion der Realität auf das Wesentliche.“
Die Präsentation zum Vortrag von Thomas Naumann: Hier
Für die anschließende Diskussion lieferte der facettenreiche Vortrag eine Reihe von Anregungen.
So wurde begründet, inwiefern Einfachheit als objektives Wirkprinzip in der Natur eine wesentliche Grundlage für Einfachheit als Erkenntnis- und Gestaltungsprinzip darstellt.
Ein weiterer Komplex betraf Charakterisierungen und Definitionen von Einfachheit – mit Bezug zu den im Arbeitskreis diskutierten Begriffen „Elementarität“, „Komplexität“, „Kompliziertheit“ und Relationen zwischen ihnen. Dabei wurde von Thomas Naumann zum Ausdruck gebracht, dass Elementarität immer mit der Suche nach Einheiten verbunden sei.
Mit Nachdruck wurde noch einmal auf die Notwendigkeit hingewiesen, neben exakten Definitionen von Einfachheit auch die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen ein Einfachheitsprinzip gilt bzw. nicht gilt.
Ein weiteres Thema betraf das Standardmodell selbst als ein (gegenüber dem Periodensystem) relativ einfaches Modell für die Bausteine der Welt und ihre Wechselwirkungen. Nach Aussage von Th. Naumann gibt es zwar noch einige Leerstellen in der Modell-Systematik, wenn jedoch ein neues Teilchen entdeckt wurde, hat es sich interessanterweise bisher immer in die Systematik einordnen lassen.
Mit Blick auf die Geschichte der Physik wurde auf Wege zur Einfachheit verwiesen, die durchaus nicht einfach waren.
Es wurden Beziehungen zwischen Einfachheit, Wahrheit und Schönheit angesprochen, die möglicherweise über die Disziplingrenzen hinaus gelten – in anderen wissenschaftlichen Disziplinen (in der Diskussion speziell auf die Chemie bezogen) sowie in der Kunst (hier mit Beispielen aus der Malerei untermauert).
Die nächste Sitzung im Arbeitskreis findet am Donnerstag, dem 22. März 2018 statt. Es spricht Prof. Dr. Andreas Meisel (MLS) zum Thema „Therapie neurologischer Erkrankungen nach dem Prinzip Einfachheit“.
Erdmute Sommerfeld